Wer sich ewig bindet (8|7)

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Mein Vater lässt den Blick durch den Saal schweifen, als würde er mit Einwänden rechnen. Doch als niemand etwas sagt, erklärt er: »Beginnen wir mit der Zeremonie.«

Ich weiß, was das bedeutet.

Schwerfällig setze ich mich in Bewegung, verlasse den Platz an der Seite meines Vaters und trete neben Eldastin. Natürlich halte ich dabei gebührenden Abstand. Trotzdem ist es das erste Mal, dass ich ihm so nahe bin. Seine Haut schimmert wie Perlmorin und sein Haar glänzt im Abendlicht wie gesponnene Seide. Jedenfalls an den Stellen, die nicht blutdurchtränkt sind. Ich frage mich, wie es dazu gekommen ist, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um diese und andere Fragen zu stellen.

Nachdem ich meine Position eingenommen habe, wird ein weißes Seidenband - Ienda genannt- von Valtain zu Valtain gegeben. Anmutig gleitet es durch die Luft und jeder Albenfürst verleiht ihm neuen Auftrieb und einen kleinen, individuellen Schnörkel. So dauert es mehrere Minuten, bis die Ienda ihre Runde durch den Saal gemacht hat.

Zuletzt ist Eluin Aurelian an der Reihe. Er hebt die Hand und lässt das Band eine Schleife über unseren Köpfen beschreiben, bevor er es meinem Vater übergibt, der es mit einer grazilen Geste in unsere Richtung lenkt.

Beinahe zeitgleich strecken Eldastin und ich unsere Arme aus. Er den rechten und ich den linken. Meine Hand ist offen, seine zur Faust geballt. Meine Finger zittern, an seinen klebt eine Mischung aus Erde und Blut.

Das Band wickelt sich mehrfach um unsere Unterarme. Der Akt ist rein symbolisch, aber die dahinterstehende Bedeutung schnürt mir für einen Moment die Luft zum Atmen ab.

Ein oder zwei Sekunden lang habe ich tatsächlich das Gefühl, ohnmächtig werden zu müssen, aber dann wird mir klar, dass ich damit nur Hohn und Spott heraufbeschwören würde. Schwäche ist der Wegbereiter des Todes. So steht es am Baldachin von Haus Aurelian. Und ich habe nicht vor, noch mehr Schwäche zu zeigen, als ich es durch mein gemischtes Blut bereits tue. Also konzentriere ich mich auf das Geräusch meines Atems, auf die Weite des Saals, auf das hereinfallende Sonnenlicht und den Geruch von Feuchtigkeit und Erde, den Eldastin hereingetragen hat. Durch die Ienda, die uns aneinander bindet, kann ich seine Nähe noch deutlicher spüren. Die Anspannung in seinem Arm, das schwache Zucken seiner Muskeln, als kämpfe er gegen den Impuls, das Band zwischen uns zu zerreißen.

»Vor Jahren versprach mein Freund seinen ältesten Sohn einer Tochter aus meinem Hause«, höre ich meinen Vater sagen. »Und nun haben die Guten Winde Eldastin und Alionora zusammengeführt.«

Zusammengeführt, denke ich spöttisch. Bestimmt haben die Guten Winde nichts mit dem zu tun, was hier passiert.

ALBENBLUTWhere stories live. Discover now