Prinzessin Skarabelle (10|2)

103 24 34
                                    

Als mein Vater, Nevellin und ich eintreffen, nehmen die Wasseralben automatisch Haltung an.

Die junge Frau, bei der es sich nur um Prinzessin Skarabelle handeln kann, löst sich vom Anblick der Reliefs und wendet sich uns zu. Sie ist klein, nicht größer als ich, hat schwarze, wild vom Kopf abstehende Kringellocken mit eingeflochtenem Perlenschmuck und ein rundliches Gesicht mit wachen, wasserblauen Augen. Ihre Erscheinung besitzt etwas Warmes und Lebhaftes, das sie beinahe menschlich wirken lässt. Ein ungewohnter Anblick inmitten dieser kalten und nüchtern eingerichteten Halle. Wie ein Farbtupfer in einer Schneelandschaft.

Geschlossen geht meine Familie unseren Gästen entgegen und bleibt etwa zwei Meter vor ihnen stehen.

»Seid gegrüßt, Prinzessin Skarabelle von den Flussalben aus Kwylla«, sagt mein Vater im feierlichen Tonfall, den er so gut beherrscht.

Ich drücke den Rücken durch und versuche, neben ihm und meinen Geschwistern nicht unangenehm aufzufallen. Doch natürlich müssen unsere Gäste sofort bemerken, dass ich nicht wie die anderen Sturmalben bin. Kaum habe ich das gedacht, wird mir auch bewusst, dass ich gar nicht für einen zeremoniellen Empfang gekleidet bin. Ich trage nur ein einfaches Tageskleid aus fliederfarbenem Batist. Mein Mut sinkt. Hoffentlich sagt niemand etwas. Und hoffentlich muss ich nichts sagen. Ich habe keine Ahnung, was man in einer solchen Situation sagt.

Doch zunächst einmal erwidern die Wasseralben den Gruß und wir verneigen uns alle voreinander. Dann erklärt die Prinzessin, dass sie Gastgeschenke mitgebracht habe. Nacheinander lässt sie sich von ihren Begleitern die Mitbringsel aushändigen. Teuren Zuckersirup aus Algensaft für meinen Vater, Perlenschmuck für Litha und meine Schwestern, hübsch verzierte Dolche für Nevellin und Korentin.

Als die Reihe an mich kommt, hält Prinzessin Skarabelle inne.

»Das ist meine ... Tochter Alionora«, erklärt mein Vater mit einem deutlichen Zögern vor dem Wort Tochter, das auch der Prinzessin nicht entgangen sein kann.

Beschämt senke ich den Blick auf meine Fußspitzen.

Auch Prinzessin Skarabelle wirkt verlegen. Offenbar hat sie nicht mit einem weiteren Kind gerechnet. Kein Wunder, vermutlich weiß niemand außerhalb Albenheims von meiner Existenz. Sollte ich offiziell mit Eldastin Aurelian verlobt werden, wird sich das zwangsläufig ändern, aber im Moment bin ich noch der Bastard, den mein Vater lieber geheim halten würde. Vielleicht weiß er, dass das nicht mehr lange möglich sein wird, und hat sich deshalb dazu entschieden, mich der Prinzessin vorzustellen.

Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie meine Geschwister Blicke tauschen. Offenbar erfüllt es sie mit einer gewissen Genugtuung, dass ich der Anlass für diese peinliche Szene bin.

Ich spüre, dass ich etwas sagen muss. »Macht Euch keine Gedanken«, murmele ich. »Ihr konntet ja nicht wissen, dass ich-«

»Was meine Tochter sagen will-«, setzt mein Vater an, aber die Prinzessin hebt die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen und wendet sich an ihre grauhaarigen Berater.

Ich habe noch nie gesehen, wie jemand so mit meinem Vater umgesprungen ist. Erst recht keine Prinzessin, die ihm gerade mal bis zur Brust reicht. Seine Miene zeigt keine Regung, aber die Narbe an seiner Wange tritt deutlicher hervor. Wie ein klaffender Abgrund. Rasch wende ich den Kopf ab. Ich hasse diesen Anblick. Er ekelt mich. Außerdem weiß ich, wie gefährlich sein Zorn sein kann. Doch Prinzessin Skarabelle wirkt unbeeindruckt.

ALBENBLUTWhere stories live. Discover now