Früchte des Krieges (4|3)

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Ludvik widersprach nicht, aber ich sah ihm an, dass in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Derzeit war unsere gemeinsame Sorge um Bruin jedoch größer als alle unsere Bedenken wegen meiner Reise in den Norden.

»Wo fangen wir mit der Suche an?«, fragte ich.

»Maggott hat ein Versteck an der Donkerstraße«, antwortete Ludvik. Als er meinen misstrauischen Blick bemerkte, ergänzte er rasch: »Das steht in Bruins Nachricht. Wir haben den Manroos-Saft damals nicht in Gronholt, sondern in Malachit gekauft.« Er musterte mich argwöhnisch. »Du wirst mir das jetzt ewig vorhalten, oder?« Noch ehe ich antworten konnte, knuffte er mich in die Seite. »Du nerviger kleiner Gutmensch, du.«

Ich wehrte ihn ab und lächelte. 

Dabei bemerkte ich Eldastin, der an der Tür stand und uns beobachtete. Unwillkürlich zogen sich meine Eingeweide zusammen. Es tat mir leid, dass ich ihn vorhin so herumgeschubst hatte. Gleichzeitig hatte es sich verdammt gut angefühlt. Eldastins gerechte Strafe für die vielen Jahre, in denen er mir das Gefühl gegeben hatte, wertlos und unerwünscht zu sein. Die anderen reinblütigen Albenkinder hatten sich wenigstens über mich lustig gemacht. Das war zwar alles andere als angenehm gewesen, aber sie hatten mich zumindest nicht ignoriert. 

Eldastin dagegen hatte mich nicht bloß ignoriert, er hatte so getan als würde ich nicht existieren. Vor der Verlobung – und auch danach. Kaum ein Wort hatte er freiwillig mit mir gewechselt. Dabei hätte ein Wort von ihm ausgereicht, um die anderen Albenkinder verstummen zu lassen und mir aus meinem Schattendasein ins Licht zu verhelfen. Eldastin Aurelian hatte die Macht gehabt, mich zu retten. Und er hatte sich bewusst dazu entschieden, sie nicht einzusetzen. Damals dachte ich, er müsse mich hassen, weil ich ein Halbling war, doch inzwischen war ich mir da nicht mehr so sicher. Jedenfalls war es ein seltsames Gefühl, ihn herumkommandieren zu können. Vermutlich nicht nur für mich. So deutete ich jedenfalls sein kaltes Starren, auch wenn es schwer war, aus seinem Gesichtsausdruck etwas anderes als Gleichgültigkeit herauszulesen.

»Was gibt's da zu glotzen?«, fragte Ludvik herausfordernd, stand auf und zog mich mit sich.

»Ich war an der Oberfläche«, antwortete Eldastin ausweichend. »Die Vindr haben sich nach Norden zurückgezogen, aber sie sind nicht weit weg.«

»Woher willst du das wissen?«

»Der Wind«, erklärte ich an Eldastins Stelle. »Er liest im Wind.«

»Die Winde sprechen zu mir«, korrigierte mich Eldastin. »Ich muss bloß zuhören.«

»Wie auch immer«, seufzte ich. »Wir machen uns jetzt auf die Suche nach Bruin.« Ich gab Eldastin einen kurzen Abriss meiner Unterhaltung mit Ludvik und endete mit den Worten: »Vielleicht finden wir auf diese Weise auch heraus, wer mir die enferische Lunte geschickt hat.«

An dieser Stelle wappnete ich mich für seinen Protest, aber Eldastin sah mich nur einige Sekunden lang ausdruckslos an und nickte schließlich.

»Wie ...?«, fragte Ludvik verblüfft und nahm mir damit die Worte aus dem Mund. »Keine Einwände?«

Eldastin bewegte die Schultern, als wollte er ein lästiges Insekt abschütteln. »Ich halte es für keine gute Idee, länger als nötig in Gronholt zu bleiben. Aber wenn es uns gelingen sollte, den Absender der enferischen Lunte zu finden, ist es das Risiko möglicherweise wert. Das entscheide ich unterwegs.«

Ludvik klopfte mir so fest auf den Rücken, dass ich einen Ausfallschritt nach vorne machen musste, um mich auf den Beinen zu halten. »Solltest du nicht deiner Königin gehorchen?«

»Ich befolge den letzten Wunsch meines Königs, indem ich Alina wohlbehalten nach Albenheim bringe«, erwiderte Eldastin. »Und sobald Alina offiziell meine Königin ist, wird mir selbstverständlich jeder ihrer Wünsche Befehl sein.«

ALBENBLUTWhere stories live. Discover now