Ufdikande (11|3)

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Ich malte mir meine Flucht in Gedanken bildlich aus. In der Stadt standen meine Chancen, meinen Entführern zu entkommen, vermutlich am besten. Zumindest würde ich dort leichter untertauchen und verschwinden können. Im Grunde musste ich ja nur genug Zeit schinden, bis Eldastin, Ludvik und Bruin auftauchen und mich retten würden. Ich musste bloß eine Weile durchhalten. Das hatte Eldastin zu mir gesagt und ich klammerte mich daran wie eine Schiffbrüchige an einen Rettungsring.

Und während ich auf den Wellen trieb und auf meine Rettung wartete, hielt ich in der Ferne nach Land Ausschau.

Das Land kam schneller als ich gedacht hätte. Und in unerwarteter Gestalt. Wobei ich natürlich nicht wählerisch sein konnte.

Doch bevor es soweit war, erreichten wir das zentrale Stadttor. Todestor wurde es genannt, nach den blutigen Kämpfen zwischen Menschen und Niederlingen, die in der Vergangenheit hier stattgefunden hatten. Erst vor knapp 90 Jahren hatten die Drachenkrieger zuletzt einen Niederling-Ansturm aus dem schwarzen Schlund abgewehrt. Seitdem war es vergleichsweise friedlich. Allerdings hatte ich gelesen, dass die Glocke, die über dem Todestor in einem kleinen Türmchen untergebracht war, ein Artefakt sei und immer dann läuten würde, wenn ein reinblütiger Niederling den Torbogen durchquerte. Ob das wirklich stimmte, wusste ich natürlich nicht.

Einer solchen Vorsichtsmaßnahme hätte es jedoch gar nicht bedurft, denn auf der Stadtmauer patrouillierten jede Menge schwer bewaffnete Drachenkrieger. Ihren geschulten Augen entging vermutlich nicht die kleinste Unregelmäßigkeit.

Kurz keimte Hoffnung in mir auf, aber dann erinnerte ich mich wieder daran, dass Ayk selbst wie ein Drachenkrieger gekleidet war. Und bei der immensen Anzahl an unterschiedlichen Halbniederlingen in der Stadt würde wohl niemand seine Verkleidung durchschauen.

Daher überraschte es mich nicht, dass wir nicht aufgehalten wurden. Allerdings mussten wir beim Passieren des Todestors den Grundbetrag einer Zollgebühr entrichten, was meinem Entführer ein deutlich hörbares Zähneknirschen entlockte. Vermutlich musste er den typisch-sandalusischen Drang zum Feilschen unterdrücken.

»Am Untermarkt, hat er gesagt«, raunte Chatte, nachdem wir das Tor hinter uns gelassen hatten, während er versuchte, mit uns Schritt zu halten, ohne von Lutz' Hufen zertrampelt zu werden. Sein eigenes Reittier hatten wir vor dem Tor zurückgelassen, weil eine Katze auf einem Pony wohl auch in Malachit zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte.

Ich hörte nicht, was Ayk erwiderte, denn ich war zu abgelenkt von den neulyrischen Radikalismus-Bauten aus schwarzem Beltzgraphit, die uns hinter dem Stadttor erwarteten. Der Regen überzog die Gebäude mit einem feuchten Glanz, der sie beinahe lebendig wirken ließ. Wie riesige Amphibien, die sich rund um das Tor zur Ruhe gebettet hatten.

In der Nähe des Stadtrands erinnerten die Bauten noch vage an normale Häuser mit Kanten, Türen und Fenstern, doch je näher wir dem Abgrund kamen, desto mehr verloren sie ihre gewohnten Formen und verwandelten sich in Dinge, die ich aus  Albträumen zu kennen glaubte. Als wären die Baustoffe über die Jahrzehnte hinweg weich geworden und geschmolzen. Jedes Haus ähnelte einer fast vollständig heruntergebrannten Wachskerze – und mit jedem Schritt durch die labyrinthischen Gassen wurde es bizarrer. Die Gebäude vereinten sich zu seltsamen, organisch anmutenden Gewölben, die Rankenornamente und lampenförmige Blüten gebaren. Die Fenster der Wohnhäuser waren rund oder gebogen, das Glas eigenartig gekrümmt, wie der Boden einer Flasche, und über unseren Köpfen bildeten die Gewölbe schwarze Stalaktiten mit knollenförmigen Köpfen, die von glühenden Käfern und Motten umschwirrt wurden.

Und dann kam der Abgrund. Die einzige Vorwarnung war ein diffuses, rotes Glimmen, das sich immer weiter ausbreitete. Dann brach der Boden weg und öffnete sich zu einem scheinbar endlosen Krater. Der schwarze Schlund war so gewaltig, dass ich nicht sagen konnte, ob es sich um einen Riss in der Erde handelte oder ob wir uns auf einer Insel mitten im Nichts befanden. Als hätten wir einen Ozean ohne Wasser erreicht. Tief und unergündlich.

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⏰ Terakhir diperbarui: Jun 19 ⏰

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