Albenkuss (6|3)

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»Heißt das, die Thronfolge ist überhaupt nicht geregelt?«, fragte Bruin ungläubig.

»Dazu bestand nie eine Veranlassung«, erwiderte Eldastin abwehrend. »Seit der Gründung von Albenheim vor knapp einhundertfünfzig Jahren durch Alinas Urgroßvater war die Thronfolge niemals ungeklärt. Ich denke, viele Alben gehen davon aus, dass das Haus Lupercalian bis ans Ende aller Tage über Albenheim herrschen wird.«

»Tja, der Zug ist abgefahren«, murmelte Ludvik.

Ich wies ihn nicht darauf hin, dass ich durchaus noch für einen Fortbestand meiner Blutlinie sorgen konnte, denn das hätte bedeutet, zwei Gedanken zulassen zu müssen, die ich lieber ganz weit wegschob: Königin zu werden und Kinder zu bekommen.

»Sollte der Thron plötzlich frei werden ...«, fuhr Eldastin fort. »... könnte es zwischen den bedeutenden Albenfamilien zu einem Kampf um die Krone kommen.«

»Mit dem Resultat, dass am Ende alle verlieren würden«, murmelte Bruin. »Jedenfalls wenn Menschen, Vindr oder Niederlinge die instabile Lage ausnutzen sollten.«

Eldastin nickte. »Aus diesem Grund ist es enorm wichtig, dass Alina heil in Albenheim ankommt.«

»Um sich dann von den gleichen Schweinehunden umlegen zu lassen, die auch schon den Rest ihrer Familie getötet haben?«, wandte Ludvik ein.

»Ich bin mir sicher, dass die Täter bereits gefasst sein werden, wenn wir in Albenheim ankommen.«

»Als du mir von dem Anschlag berichtet hast, klang es so, als wüsste man nicht einmal, wie meine Familie angegriffen wurde«, bemerkte ich. »Also ob es ein Gift oder irgendeine Form von Magie war.«

»Das ...« Eldastin seufzte. »Ja, das stimmt, aber-«

Bruin schnaubte. »Na, du hast vielleicht Nerven. Unsere Alina einfach so in die Höhle des Löwen zu zerren.«

»Ich habe keine Wahl. Es ist der einzige Weg, mein Volk ... unser Volk vor großem Unheil zu bewahren. Und außerdem habe ich es ihrem Vater versprochen.«

»Wieso ausgerechnet du?«, fragte Bruin herausfordernd.

Ich ärgerte mich. Nicht über meine Freundin, sondern weil sie die Fragen stellte, die ich eigentlich hätte stellen sollen.

Eldastin erwiderte Bruins Blick ohne Anzeichen von Nervosität. »Wen hätte er sonst fragen sollen? Außerdem weiß der König, dass ich zu den wenigen Alben gehöre, die es tatsächlich schaffen können, Alina unversehrt nach Albenheim zu bringen.«

Gerne hätte ich ihn gefragt, wieso er zu diesem elitären Kreis gehörte, aber Bruin kam mir zuvor. »Das bedeutet dann wohl, dass Alinas Vater dich nicht verdächtigt, etwas mit seinem Tod zu tun zu haben.«

»So ist es«, sagte Eldastin. »Ich war auch nicht vor Ort, als es passiert ist. Darüber hinaus ...« Er änderte erneut seine Sitzhaltung und warf dabei einen fast schon sehnsüchtigen Blick aus dem Fenster. »... hat es auch einige Mitglieder meiner Familie getroffen.«

»Wen?«, fragte ich, auch wenn es taktlos erscheinen mochte.

»Meinen Bruder Boreas, ein paar Tanten und Onkel«, antwortete Eldastin. »Jeden, der beim Empfang von Königin Ulani anwesend war.« Er senkte den Kopf. »Inklusive der Königin.«

Ich hatte das Gefühl, mir würde alle Luft entweichen. »Die Königin der Waldalben war in Albenheim?«

Eldastin nickte.

»Und sie wird sterben?«

»So ist es. Ihre Tochter hat zum Glück überlebt.«

Bruin gab einen resignierenden Laut von sich. »Na, das wird politische Verwicklungen geben, gegen die Albenkuss harmlos aussieht.«

ALBENBLUTWhere stories live. Discover now