Kapitel 12

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Song: Lieblingsmensch - Namika

Leas Sicht:

Meinen Rucksack, bzw Ersatzrucksack, den ich noch im Spind hatte, geschultert, Musik auf meinen Ohren und in Gedanken versunken laufe ich nach Hause. Vorhin hatte ich mich heftig mit Katina gestritten, weil sie mich in gewisser Weise bei meinem Vater verpetzt hatte. Sie hatte nur gesagt, dass sie einfach ehrlich gewesen wäre, was ich ja nicht kennen würde und dann hatten wir uns richtig in den Haaren. Vorwürfe über Vorwürfe und ja; auch ein paar Beleidigungen fielen. Ich sei in kürzester Zeit eine selbstsüchtige Schlampe geworden und sie würde sich wie immer in Sachen einmischen, die sie nichts angehen würden. Irgendwie waren ihre Anschuldigung gegenüber mir, LEICHT krasser.

Natürlich ging es auch um Jackson und Nico - dass Nico mittlerweile mein fester Freund war hab ich ihr erstmal verschwiegen. Irgendwann mussten wir dann zum Unterricht und haben unser Gespräch auf Eis gelegt. Zum Glück. Ich hasse Streit. Vorallem mit meiner Seelenverwandten..
Sie weiß mehr über mich als jeder andere und sie kennt mich einfach auch besser als jeder andere.
Ich muss das in Ordnung bringen.

Genau bei diesem Gedanken, laufe ich an ihrem Haus vorbei. Die hellblaue Fassade ist bereits leicht abgebröckelt und das Gras im Garten ist zu lang, aber genau das macht den Charme dieser Gegend aus. Es ist nicht versifft, aber es ist auch nicht piekfein.

Soll ich klingeln? Aber was wenn Jackson aufmacht.. Oder sie gar nicht mehr mit mir reden will? Oder unsere Freundschaft schon längst vorbei ist? Ich schüttle diese Gedanken schnell ab. Nein, so leicht gebe ich nicht auf. Zielstrebig laufe ich zur Haustür und klingle. Wenige Sekunden später öffnet sich die Tür und ich schaue in die verheulten Augen meiner besten Freundin. Ohne irgendein weiteres Wort fallen wir uns in die Arme - ich kann den Grund für ihre Tränen schon erahnen. Ihre Grandma. Letzte Woche ist sie ins Krankenhaus eingeliefert worden und man hat ihr ein paar Tage gegeben - die waren nun anscheinend vorüber.

Katina presst ihr Gesicht an meine Schulter und beginnt zu schluchzen. Ich drücke dir fest an mich und mir ist egal ob meine Schulter mittlerweile voller Rotze und Tränen ist. "Lea", schnieft sie. "Es tut mir leid. Wen auch immer du liebst, wen auch immer du willst - ich unterstütze dich. Du bist meine Seelenverwandte." Ich habe auch Tränen in den Augen und halte ihr Gesicht mit meinen Händen. "Jungs kommen und gehen, aber du bleibst", flüstere ich und drücke sie wieder an mich. Nach ein paar Sekunden drücke ich sie vorsichtig von mir weg und sage: "Also, ich habe MEGA leckeres Eis bei mir zuhause, das hole ich uns jetzt und dann schauen wir einen Film an oder reden oder was auch immer du willst." Sie nickt und fragt dann mit großen Augen: "Kannst du noch ne Flasche Wodka mitgehen lassen?" Ich grinse und nicke.

10 Minuten später sitzen wir bereits auf ihrer Couch, eingemümmelt in tausende Decken, essen Schokoladeneis mit Wodka und schauen uns erst Dirty dancing und danach pretty Woman an. Alte Filme sind unsere Leidenschaft.
Langsam wird es draußen dunkel und mir wird klar, das sich dieses mal pünktlich sein sollte. Wir räumen also die Sachen und unsere kuscheligen Decken wieder weg und mit einer scheinbar endlos langen Umarmung verabschiede ich mich von Katina.
"Bis morgen, schlaf dich erstmal schön aus", sage ich liebevoll und gebe ihr einen Kuss auf die Wange.

Ich laufe nach Hause und sehe bereits das Auto meines Vaters vor der Tür parken - Los geht's in die Höhle des Löwen. Mit einem klicken schließe ich die Haustür auf und schleiche vorsichtig hinein. Nachdem ich sie leise hinter mir geschlossen hab, steht mein Vater allerdings schon mit verschränkten Armen im Flur. "Auch schon da", sagt er schnippisch. "Dad es ist erst kurz nach 8 und außerdem war ich nur kurz drüben bei Katina.", erwidere ich. "Du hast Hausarrest."
"Aber dad.."

"Ich verhandele nicht und übrigens, von diesem Nico hältst du dich ebenfalls fern. Das sind nicht unsere Kreise", unterbricht er mich und geht ins Wohnzimmer. "Aber Dad", protestiere ich. "Er ist auf meiner Schule, ich kann ihm doch nicht aus dem Weg gehen! Und.. Wie lange soll der Hausarrest gehen? Ich hatte vorher noch nie welchen!" Dad setzt sich auf das Sofa. "Das war vielleicht der Fehler. Du hattest viel zu viele Freiheiten und das ändert sich von jetzt an. Und nun geh ins Bett.", meint mein Vater, während er sich ein Glas Wein eingießt. "Wie gesagt, es ist 8.", wiederhole ich. Das war bestimmt Ingrids Idee, diese blöde Kuh. "Ja und? Ach ja, dein Handy hätte ich übrigens vorher auch noch gerne.", sagt mein Vater und streckt seine Hand aus ohne mich anzuschauen. Wütend knalle ich das Handy in seine Hand und polter die Treppen hoch. Ich habe einen Vortrag erwartet, aber nicht sowas!

Im Zimmer angekommen, knalle ich mich ersteinmal auf mein Bett. Dann überlege ich, wie ich Kontakt zu Nico aufnehmen kann, so ganz ohne Handy. Einen eigenen Computer hab ich nicht und was anderes fällt mir nicht ein. Aber ich will wissen wie das mit Natasha gelaufen ist..

Da ich nicht weiß, was ich machen soll setze ich mich mal an meine Hausaufgaben und lerne ein wenig für eine Englisch-Klausur die demnächst ansteht. Gegen 10 lege ich meine Sachen nieder und schlüpfe unter meine warme Bettdecke.

"Aufstehen!", ruft mich eine - leider - sehr bekannte Stimme, am nächsten Morgen. Oder ist es überhaupt schon morgen? Draußen ist es dunkel und man merkt, dass es bald Winter wird. Nur meine Uhr bestätigt mir, dass es bereits 7 Uhr ist und ich mich mal zum aufstehen bequemen sollte. "Lea! Steh auf! Ich fahre dich zur Schule", versucht Ingrid es weiter und zieht mir meine Bettdecke weg. Protestierend stehe ich auf und im nächsten Moment wird mir dann auch klar was Ingrid gerade gesagt hat. "Was?! Wieso fährst du mich? Die Boutique liegt doch in der anderen Richtung ", frage ich verwirrt und reibe mir müde die Augen. "Ich und dein Vater fahren dich jetzt jeden Morgen.", erwidert sie, ohne meine Frage richtig zu beantworten und verlässt den Raum. Ernsthaft? Ich fühle mich grade wie eine Gefangene.

Widerwillig mache ich mich fertig und lasse mir absichtlich Zeit, um Ingrid auf die Palme zu bringen.
Gegen viertel vor 7 steigen wir in Ingrids roten Mini der schrecklich nach Parfum stinkt. Ohne ein Wort fahren wir zur Schule und ich steige ebenfalls aus, ohne ein Wort zu sagen. Schlecht gelaunt gehe ich die Treppen zur Schultür hoch und drehe mich, bevor ich reingehe, nochmal um und sehe tatsächlich wie Ingrids Wagen immer noch da steht. Meine Augen ziehen sich zu Schlitzen zusammen und ich funkle sie böse an, bevor ich die Eingangstür aufmache.

Zu meinem Spind gehend, fasse ich mir an den Hals und merke wie sehr ich meine Kette vermisse. Ich muss Nico unbedingt nochmal danach fragen. Nico. Bei seinem Namen muss ich grinsen und ich kann es ebenfalls kaum erwarten ihn zu sehen. Ich begrüße ein paar Leute und bin dann endlich bei meinem Spind angelangt. Code eingeben, Stundenplan checken, Bücher rausholen und Tür zuknallen.

"Na du Schöne", sagt plötzlich jemand hinter mir und ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, aber dann würden die anderen was bemerken. "Hey", lächle ich schüchtern und umarme ihn, wie man nunmal EINEN Freund umarmt. Er duftet so unfassbar gut.

"Rate mal wer offiziell zu haben ist", sagt Nico während er sich lässig gegen die Spindwand lehnt. Mein Lächeln wird noch breiter. "Und inoffiziell?", frage ich ihn belustigt. "Tja", erwidert er sanft und kommt ein Stück näher an mich heran. Weiter kommen wir nicht, denn in dem Moment kommt Katina vorbei. (Die Katina, die noch nicht weiß was mit mir und Nico läuft). Dafür, dass sie ihre Oma verloren hat, scheint es ihr relativ gut zu gehen. Sie umarmt mich und nickt Nico zu und sagt dann verschlafen: "Ich geh mir mal einen Kaffee holen. Lea, kommst du mit?" Freundinnen-Code für: wir müssen mal unter vier Augen reden. "Eine Sekunde", antworte ich und Nico schaut mich lächelnd an. "Ihr habt euch also vertragen, freut mich." Ich lächle zurück. In seiner Gegenwart kann ich einfach nicht anders als Lächeln. Zum Abschied will ich ihn am liebsten küssen, doch das geht ja leider nicht. "Wir reden dann in der Pause, kommt einfach in den Park", fügt Nico hinzu und zwinkert mir zu.

"Du und Nico also..", beginnt Katina, während wir nebeneinander zur Mensa laufen. "Wie hast du..", frage ich erstaunt. "Ich kenne dich - und dein Verhalten. Ich finds übrigens voll süß, dass du mir gestern nichts erzählt hast weil ich so am trauern war beziehungsweise bin, aber bitte erzähl mir ab jetzt wieder alles, ja?", entgegnet sie mit einem freundlichen Grinsen. Ich nicke. "Also. Seid ihr zusammen oder flirtet ihr nur?"
"Zusammen", erwidere ich und erröte ein wenig. Das ist noch so neu.

Katina quiekt aufgeregt. "Ich bin zwar immer noch Team Jackson, aber ich gebe Team Nico mal eine Chance", kichert sie. "Oh nein, Katina, das hast du jetzt nicht gesagt! Es gibt kein Team Jackson und es gibt auch kein Team Nico", lache ich und krümme mich schon fast. "Oh K, gut das wir uns wieder verstehen", füge ich hinzu und wische mir eine Lachträne aus dem Auge.

Ich find Lea's und Katina's Freundschaft so toll! Sie erinnert mich an mich und meine beste Freundin :-)

Habt ihr auch so einen Lieblingsmenschen? ❤️

How Things changeWhere stories live. Discover now