54 | rage

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>> R E W I <<

"Mach du auf", er biss sich nervös auf seine Unterlippe. "Sicher, dass du ihn nicht öffnen willst?" Fragte ich, doch er nickte bloß.

Ich riss den Umschlag auf und sah nochmal fragend meinen Freund an. Ungeduldig biss er sich auf seine Lippe. Ich atmete tief ein und aus und öffnete dann den Brief. Ich überflog schnell den ellenlangen Text am Anfang bis ganz nach unten, und las das Testergebnis durch.

Ich hob meinen Kopf und sah direkt in seine Augen. "Was ist?" Er sprang auf und riss mir den Zettel aus der Hand. Einige Sekunden war es still, da ich wartete bis er fertig mit lesen war. Ich hätte niemals erwartet, dass das passiert, doch Felix brach in Tränen aus. "Hey, beruhig dich, alles gut", redete ich überfordert auf ihn ein und umarmte ihn. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn an mich heran. Felix weinte normalerweise nie laut, sondern stumm und Tränen fließen über seine Wangen. Das letzte mal, als er so laut schluchzte und heulte war, als wir im Badezimmer nach der schlimmen Partynacht saßen. Ich war wirklich erleichtert, dass wir alleine zuhause waren, die anderen hätten Felix in so einem Zustand noch verrückter gemacht und vielleicht hätte er wieder eine Panikattacke. Auch wenn seine letzte die erste war, aber es musste ja trotzdem nicht nochmal passieren. Felix' Hände an meinem Brustkorb und sein angelehnter Kopf lösten sich langsam.

Er wischte sich seine Tränen weg und ohne mich anzublicken, legte er den Brief auf den Tisch. Ich wusste nicht was er vorhat, und ich wünschte ich hätte es nie gewusst. Wütend schmiss er alles was auf der Kommode stand, auf den Boden, warf Stühle um und zerknüllte den Brief. Das war das erste mal, dass ich Felix so aufgelöst sah. Ich wusste ja, dass er eine zerbrechliche Seite an sich hat, aber so extrem aggressiv? Nein, das war mir neu. Doch ich ließ ihn einfach. Ich sagte nichts. Er hatte auch mal das Recht, nach all der Scheisse die hier eigentlich abging mal richtig auszurasten, also sollte er seine Wut an allem auslassen. Naja gut, vielleicht nicht unbedingt An allem. Wenn unsere Eltern das verwüstete Wohnzimmer sehen, werden sie ausrasten.

Auch wenn ich bei jedem Geräusch an dem man genau hörte, dass es kaputt gegangen war, zusammen zuckte und ich auch keine Ahnung hatte wie Felix in so einem Zustand drauf war, unterbrach ich ihn nicht.

"Scheisse, man", schrie er und ließ sich verzweifelt auf den letzten stehenden Stuhl nieder. Er zog seine Beine an. Langsam ging ich auf ihn zu, weil er gerade dabei war sich zu beruhigen. "Hey Felix", ich strich ihm sachte über den Oberarm. Er sah mich mit verheulten Augen an. "Was 'Felix'?" Ich seufzte. "Ich kann verstehen dass du-" "Nein, kannst du nicht!" Unterbrach er mich wütend. Erschrocken wich ich etwas zurück. "Du hast nicht mal ansatzweise Ahnung wie es sich anfühlt wenn man die Klasse nicht gepackt hat. Weil du so'n Genie bist und alles kannst ohne lernen zu müssen und weil du noch nie Versetzungsgefährdet warst. Wie willst du das verstehen?" Er stand auf, schob den Stuhl zur Seite und stürmte nach oben. Ja, vielleicht hatte er recht und ich konnte ihn wirklich nicht nachvollziehen. Ich wollte ihm jetzt aber nicht hinterher rennen, sondern ihm lieber Zeit lassen und später nach ihm sehen. Ich hob den zerknüllten Brief auf, strich ihn glatt und lies ihn mir nochmal durch.

Felix Hardy
Nicht zum Abitur zugelassen
Prüfung nicht bestanden

Im selben Moment ging die Haustür auf und unsere Eltern kamen rein. "Hallo", begrüßten sie mich fröhlich bis sie hinter mir das ganze Chaos entdeckten. Ihre Münder klappten auf und sahen mich entgeistert an. Sollte ich Ihnen den Brief geben? Will das Felix lieber machen? Ich war hin- und her gerissen. "Sebastian, willst du mir mal erklären was hier passiert ist?", fragte Peter. "Meine schöne Vase", rief meine Mutter traurig. Scheisse, die zweite die kaputt gegangen war, die erste war ja schon bei meinem Ausraster auf den Boden geflogen.

"Hier", ich hielt Peter den Zettel hin. Ohne auf eine Reaktion abzuwarten, flüchtete ich in den zweiten Stock in mein Zimmer. Ich erschreckte mich zu Tode, als ich Felix auf meinem Bett sitzen sah.

"Tut mir leid." Felix hatte sich total beruhigt und saß seelenruhig da. Als könnte man sich in zwei Minuten so schnell abregen. Naja, hat nicht jeder mal so ein Aussetzer? "Gehts dir besser?", fragte ich besorgt und ließ mich neben ihn fallen. Er nickte und versuchte mich tapfer anzulächeln. Seine Augen strahlten überhaupt nicht, sondern blickten mich nur traurig an. "Hey, wo ist mein kleiner, niedlicher und glücklicher Felix?" Ich strich ihm über die Wange. "Du hast Recht. Ich kann mich nicht in deine Lage versetzten. Aber ich kann mir vorstellen wie schwer es für dich sein wird und dass es dir deshalb scheisse geht. Aber ich will dass du weißt, dass ich trotzdem hier bin. Und dass ich dich liebe und jeder in diesem Haus dich unterstützen wird. Auch wenn Fiona immer noch eine komische Phase durchmacht und uns ignoriert und dein Vater in letzter Zeit öfter mal ausrastet- er tut es nur weil er dich liebt. Auf eine andere Weise wie ich dich liebe, aber ihm ist es doch auch nur wichtig, dass es dir gut geht. Verstehst du?", ich fuhr mir verlegen durch die Haare. Ich war so scheisse im aufmuntern.. Aber allein sein liebevoller Kuss auf meiner Wange der darauf hin folgte, machte mich glücklich.

"Wir packen das. Zusammen."
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Rewilz || Geschwister sollen sich nicht küssen!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt