5.:Ich habe das Gefühl, dass ich ihn brauchen werde

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Seine grünen Augen funkeln mich hasserfüllt an und ich denke nicht, dass meine braunen ihnen in irgendetwas nachstehen. Er kommt auf mich zu. Ich fühle mich bedrängt, aber finde keinen Ausweg. Um uns herum ist überall nur Leere und diese Leere will ich keinesfalls betreten. Immer näher kommt er mir, bis er mich schließlich an den Schultern packt und leise zischend sagt: "ich habe noch nie eine Person so sehr gehasst wie dich. Und ich habe noch eine Person so sehr gebraucht wie dich." Mir treten Tränen in die Augen, denn sein Griff ist alles andere als angenehm. "Lass mich los! Ich hasse dich!!", schreie ich ihn hasserfüllt unter Tränen an. Plötzlich sieht er mich mitleidig an, dreht sich um und verschwindet. Er geht wieder weg. Er läuft durch das Nichts und was ich ihm hinterherrufe, kann nicht einmal ich hören. Schon wieder lässt er mich alleine zurück. Und schon wieder bin ich stumm und machtlos.

Wieder einmal habe ich von ihm geträumt und bin schweißgebadet und weinend aufgewacht. Meine Schultern schmerzen, als wäre sein Griff real gewesen. Dieses Mal habe ich mehr geträumt als zuvor aber es verwirrt mich nur noch mehr.
Ich sehe auf die Uhr und bemerke, dass mein Wecker in einer halben Stunde klingeln würde und beschließe, schon duschen zu gehen.

Nach der Dusche bin ich endlich richtig wach. Ich stelle mich vor den Spiegel und betrachte mich. Ich habe mir ein einfaches Top und eine Jeans angezogen. Auf mein Äußeres habe ich noch nie so viel Wert gelegt. Auch geschminkt habe ich mich nur mit Mascara. Ich mustere mich und mir fällt auf, dass meine Schultern leicht blau gefärbt sind. Man kann mit etwas Phantasie sogar einzelne Fingerabdrücke erkennen. Verwirrt streiche ich darüber und nehme mir eine Sweatshirtjacke aus dem Schrank. Dafür ist es zwar etwas warm, aber ich will keine blöden Blicke oder fragen.

An der Schule angekommen, steigen Clark und ich von der Maschine und gehen zusammen in die Schule, worüber ich mich sehr wundere, da ihr ihre große Schwester sonst eher unangenehm in der Öffentlichkeit ist. Aber als sie Eric sieht verschwindet sie schnell und ohne ein weiteres Wort, zu ihm. Ich muss grinsen, denn ich habe meine kleine Schwester echt gern.

"Beeeeccaaa!!!" Ruft jemand hinter mir. Und bevor ich mich umdrehen kann, springt mir wer auf den Rücken. Ich reagiere schnell und schnappe mir ihre Beine. Mir ist klar, dass es Mila ist. "Bist du verrückt?", fahre ich sie lachend an. Ich lasse sie runter und sie grinst einfach nur:"Das wusstest du doch auch schon vorher"
Da hatte sie natürlich Recht.

Lachend gehen wir auf das Schulgebäude zu. Aber kurz vor dem Eingang bleib ich stehen, weil mir was eingefallen ist. "Komm mal mit ich muss dir was zeigen." Sage ich und ziehe sie ein bisschen abseits. Ich erzähle ihr von meinem Traum und zeige ihr meine blauen Flecken. Sie bleibt die Gnaze Zeit stumm und lässt mich berichten. "Bitte sag mir, dass du sie auch siehst und ich nicht verrückt bin!", flehe ich sie an. "Becca.." will sie beginnen, doch ich besinne mich zu etwas Anderem: "bitte sag, dass du es nicht siehst und meine Träume nicht auf eine ziemlich verrückte Weise wahr sind!" "Also ich sehe es auch." Sagt sie einfach nur. Ich lasse meine Schultern sinken. Ich weiß nicht, was ich sagen oder von der ganzen Situation halten soll. Ich ziehe meine Jacke wieder an und will wieder Richtung Eingang gehen, als mich eine Hand grob zurückhält und meine Jacke herunterreißt. 

Ich schreie ihn an, was ihm denn überhaupt einfällt, doch Nick beachtet meine Worte gar nicht und will über meine blauen Flecken streichen, anscheinend ebenso perplex wie ich heute morgen. "Das kann doch nicht sein...", sagt er verwirrt. Er achtet gar nicht mehr auf mich und kurz bevor er mich berühren kann, realisiere ich erst diese ganze Situation. "Wag es nicht, mich anzufassen!" Gebe ich bedrohlich von mir, während ich die Jacke wieder über die Schultern streife. "Am Besten siehst du mich erst gar nicht an!", zische ich noch hinterher. "Du weißt, dass ich darüber keine Macht habe." Sagt er lässig. Ich bin mir sicher, dass das eine Anspielung auf die Träume ist. Ich bin total überfordert und wütend und hasserfüllt und reagiere völlig über.

 Ich gehe auf ihn zu, packe ihn an seinem Shirt und drücke ihn gegen eine Wand. Ich baue mich bedrohlich vor ihm auf und sage leise, aber bestimmt: "Ich hasse dich. Ich will dich nicht mehr sehen, weder hier, noch in meinen Träumen. Einfach nie mehr! Ich ertrage das einfach nicht! Du kommst hierher und zerstörst mein ganzes Leben! Ich kann nicht mehr schlafen, ohne nachts weinend aufzuwachen und musste sogar mit meinem Freund Schluss machen. Und das hat alles mit dir angefangen. Ich will, dass du jetzt gehst und ich dich nie wieder sehen muss!"
Er sieht mich böse an, reißt sich von mir los und erwidert: "Denkst du etwa, ich habe mir diesen ganzen Scheiß ausgesucht? Ich hasse dich genauso wie du mich, aber wir können nichts daran ändern! Und glaubst du es interessiert mich, dass du dich von deinem Kerl getrennt hast? Du kannst Vögeln mit wem du willst das hat doch gar nichts mit mir zu tun! Ganz ehrlich? Mach doch was du willst!! Fahr zur Hölle, damit ich dich nie mehr sehen muss!"
Ich werde immer wütender und gehe auf ihn los. Ich schlage ihn mit der Faust ins Gesicht, dem folgt ein Tritt in die Magengrube und anschließend stoße ich ihn nach hinten, doch er reißt mich mit ihm als er fällt. Ich lande auf ihm. Anstatt aufzustehen, setze ich mich auf und schlage weiter auf ihn ein. Ich habe noch nie so eine Wut und so einen Hass auf einen Menschen gehabt. Ich hatte mir auch noch nie gewünscht, ein Mensch würde nicht mehr leben, aber das war nun vorbei. Wenn ich dem Ganzen erst dann ein Ende bereiten kann, wenn er tot ist, dann soll er doch sterben.

"Du verfickte Schlampe!", schreit Nick unter mir, dreht uns um und schlägt nun auf mich ein, doch ich spüre den Schmerz nicht. Nur den Hass, der immer größer wird.
"Becca!!" Die verzweifelten Schreie von meiner besten Freunde blende ich komplett aus und versuche bei unserem Kampf wieder die Oberhand zu erlangen. Wir rollen uns über den Boden, bis Nick plötzlich gewaltsam von mir weggerissen wird und sein ziemlich wütender Bruder uns fassungslos anblickt. Er hält Nick fest, damit er nicht nochmal auf mich los kann. Ich liege noch schwer atmend auf dem Boden, springe jedoch mit einem Satz auf, stehe vor den Beiden und flüstere nur: "Ich bring dich um wenn das der einzige Weg ist, um das Ganze zu beenden." zu Nick. Ich sehe ihm in die Augen und sehe, wie etwas zerbricht, doch ich kann es nicht richtig deuten. "Werden wir ja sehen, wer hier wen umbringt." Sagt er leise zu mir.

Ich sollte Angst haben. Ich sollte Schmerzen haben. Ich sollte weinen, schreien oder sonst was machen. Aber ich drehe mich um, gehe auf das Schulgebäude zu und verschwinde dort aus ihrem Blickfeld.

Ich gehe auf die Toilette, um mir meine 'Kriegsverletzungen' anzusehen. Meine Lippe ist aufgeplatzt und ich habe eine kleine Verletzung an der Schläfe, die ich jedoch ganz gut mit meinen Haaren abdecken kann. Hinzu kommen noch einige blaue Flecken am Bauch und Brustkorb. Ich habe keine Schmerzen. Ich weiß nicht ob das am Adrenalin liegt, was mir noch durch die Adern fließen müsste.

Ich bin die Ruhe selbst, wasche mir das Blut aus dem Gesicht, richte meine Kleidung und mache mich auf den Weg zum Unterricht. Vor der Klasse bleib ich einmal kurz stehen, schließe die Augen und atme tief durch. Auf einmal sehe ich vor meinem inneren Auge Nicks grüne Augen. Aber nicht die hasserfüllten der letzten Tage, sondern die unschuldigen aus meinen früheren Träumen. Er sieht mich liebevoll und mitleidig an, als würde ihm etwas Leid tun. Als wollte er sich für eben entschuldigen. Ich muss lächeln. Grade bin ich ihm nicht böse und hasse ihn auch nicht. Grade habe ich das Gefühl, nicht mehr existieren zu können, wenn er nicht mehr da wäre. Ich habe das Gefühl, dass ich ihn brauchen werde.

Ich schüttle den Kopf, um wieder klare Gedanken zu fassen, verbanne ihn in die hinterste Ecke meines Bewusstseins und betrete nach einem vorsichtigem Klopfen die Klasse.

Hass auf den ersten Blick?Where stories live. Discover now