41.: "Seit wann bist du so weise?"

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Ich wache auf und bin alleine in meinem Zimmer. Mila scheint schon frühstücken zu sein, denn ich höre von unten viele aufgeregte Stimmen. Wahrscheinlich hat sie den Anderen von meiner Rückkehr erzählt. Ich ziehe mich schnell um, auch wenn ich bedaure, Nicks Pulli auszuziehen und mache mich auf den Weg in die Küche. In der Tür bleibe ich stehen. Meine Mutter steht grade am Herd und macht Rührei. Mila und Clark sitzen am Tisch und mein Vater ist sicherlich schon arbeiten. Apropos "müsst ihr nicht in die Schule? Und arbeiten?"

Meine Mutter und Clark sehen mich an wie einen Geist, Mila streckt mir zu die Zunge aus meint: "Zeugniskonferenz. Ist sowieso die letzte Schulwoche." Antworten kann ich ihr nicht, denn Clark springt auf und wirft sich in meine Arme. Ich schlinge meine Arme ebenfalls um sie und drücke sie feste. "Du bist groß geworden", meine ich das erstbeste, was mir einfällt. Sie lacht und löst sich von mir. Nun taut auch meine Mutter aus der Starre auf: "du ist wieder da", murmelt sie und kommt auf mich zu um mich ebenfalls zu umarmen. Ich nicke nur und kuschle mich in die Arme meiner Mutter. Gott, wie ich das vermisst habe! Mir kommen die Tränen und ich höre auch meine Mutter schluchzen. "Es tut mir so leid, Mum", meine ich leise und reuevoll. "Du bist wieder da, das ist alles was zählt." "Ich liebe dich", schluchze ich und drücke mich enger an sie. Sie streicht mir über beruhigend die Haare "ich dich auch mein Schatz"

Irgendwann schaffen wir es auch, uns an den Tisch zu setzen und zu frühstücken. "Warum bist du nicht arbeiten?" "Ich habe mir frei genommen und wollte da sein, als ich heute morgen gehört habe, dass du zurück bist",'lächelt meine Mum mich an. "Danke. Wie geht es Dad?" Alle schauen mich leicht gequält an. Mila antwortet schließlich "es könnte sein, dass er etwas..." "was?", frage ich nochmal nach. "Er ist total sauer auf dich und will dich eigentlich gar nicht sehen, weil du uns komplett ignoriert hast", meint meine Schwester unverblümt. Autsch. Ich schließe die Augen, senke den Kopf und nicke leicht. "Das ist verständlich", murmle ich nur und stochre weiter in meinem Essen rum. Der Hunger ist mir echt vergangen. "Er kriegt sich wieder ein. Ich rede nochmal mit ihm", meint meine Mutter aufbauend. Ich lächle ihr zweifelnd, aber dennoch dankbar, zu. "Wie lange bleibst du?", fragt Mila mich zögernd. Ich seufze. "Ich weiß nicht. Ich denke ich bleibe erstmal bis ich alles geklärt habe. Ihr wisst schon mit Dad und Nick. Ich muss nur Sven und Nils irgendwo unterbringen." Meine Mutter hebt die Augenbrauen. Sie weiß ja überhaupt nichts von dem was ich in letzter Zeit gemacht habe. "Sven, der Sohn von Caro und sein bester Freund Nils. Mit denen habe ich eine kleine Band und wir sind seit Anfang des Jahres mit einem Van quer durch Europa gefahren und haben auf der Straße Musik gemacht. Schließlich sind wir in London in einem Pub gelandet, in dem ich Mike und Emily getroffen habe und Mike hat mich dann mit nach hier genommen. Die Jungs müssten heute Abend nach kommen." "Sie können bei mir schlafen, ich würde dann bei Mila bleiben, wenn das ok ist?" Zögernd sieht Clark Mum und Mila an. Mila nickt sofort und legt ihre Hand auf Clarks Bein, der sofort ein Grinsen auf dem Gesicht erscheint. Mum seufzt ebenfalls. "Ich würde das bei keinem Typen der Welt erlauben, aber ich kenne Mila schon fast ihr Leben lang und weiß, dass du zur Schule kommst und sie wird dich ja wohl kaum schwängern." Ich muss kichern, woraufhin ich von Mila und Clark böse Blicke bekomme. Schnell setze ich einen seriösen Gesichtsausdruck auf, setze mich im Stuhl auf und sehe die Beiden ernst an: "Wir drei, wir müssen uns auch noch unterhalten, das habe ich nicht vergessen." Ich stehe schnell auf und stelle meine Sachen in die Spüle. "Ich muss aber erstmal was Anderes klären. Ich komme nachher wieder", ich gebe meiner Mutter einen Kuss auf die Wange, wuschle einmal durch Milas Haare und kneife in Clarks, nun nicht mehr vorhandenen Pausbäckchen. Sie schlägt meine Hand weg und funkelt mich an: "ich nehms zurück, ich hab dich nicht vermisst. Das war nur die Illusion von einer tollen großen Schwester. Und jetzt verschwinde dahin, wo du hergekommen bist!" Ich grinse und strecke ihr die Zunge raus. "Du lieeebst mich", flöte ich, schnappe mir meine Schuhe, Nicks Schlüssel und einen Helm und setze mich auf die Maschine. Ich mache mich auf den Weg zu Elijah. Ich muss endlich mal wissen, warum die Jungs keine Musik mehr machen.

Bei ihm zuhause angekommen, klingel ich und warte. Ich warte recht lange, aber irgendwann (nach dem dritten oder vierten Klingeln) öffnet sich die Türe schwungvoll und ich sehe einen total verpennten Elijah, der die Augen kaum aufbekommt und in Boxershorts und Shirt vor mir steht. "Was?!" Meint er genervt, was mich Grinsen lässt. Ich werde jedoch schnell wieder Ernst und gehe an ihm vorbei in das kleine Häuschen in dem er wohnt. "Becca? Bist du das?" "Ne du träumst noch!", meine ich verächtlich und lasse mich auf das Sofa fallen. "Warum habt ihr aufgehört mit der Musik?" "Was?" "Warum ihr keine Musik mehr macht. Es ist kein Video mehr auf youtube." "Falls du es nicht gemerkt hast, ist unsere Gitarristin einfach abgehauen", gibt Elijah genervt von sich und lässt sich neben mich aufs Sofa fallen. Fasziniert starrt er mich an, als könnte er es immer noch nicht glauben, dass ich da bin. Ich schnaube genervt auf: "ist das dein Ernst? Es gibt hier noch tausende Gitarristen. Ich wette, ihr hättet schnell Ersatz gefunden!" "Das haben wir auch. Es war nur...nicht mehr dasselbe. Keiner hat mich vor den Auftritten beruhigt, keiner hat uns von unsere Streitereien abgehalten, keiner hat Nico gesagt, dass seine Ideen für neue Texte scheiße sind und keiner hat die Mädels von Scott Ferngehalten. Es ist einfach aus dem Ruder gelaufen und wir haben es sein gelassen." Ich schweige. "Verdammt...", meine ich leise. "Was?", meint Elijah. "Ich bin einfach ein egoistisches, selbstsüchtiges Arschloch. Ich hab einfach nur an mich gedacht und einen Scherbenhaufen zurückgelassen. Das wollte ich alles nicht!" Meine ich wütend. Wütend auf mich selbst. "Becca, du warst psychisch krank! Du musstest hier raus! Das alles den Bach runter gegangen ist, zeigt doch nur, welche Lasten du tragen musstest. Ja, es war scheiße, dass du einfach ohne ein Wort gegangen bist. Aber es war gut, dass du gegangen bist. So haben einige, die sich bisher immer auf dich verlassen haben gelernt, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Du musst das alles nicht tun, auch wenn du jetzt wieder hier bist. Es kann doch nicht sein, dass das Erste was du machst ist, zu mir zu kommen, um mir einen Vortrag wegen der Band zu halten! Du solltest bei deiner Familie und deinem Freund sein und die Zeit mit ihnen genießen!" Ich senke den Kopf. "Das mit Nick ist vorbei." Elijah legt einen Arm um mich: "Vielleicht scheint es im Moment so, aber ich bin mir sicher, dass es nicht endgültig ist." Ich sehe zu ihm auf: "seit wann bist du so weise?" "Seit ich mich um mich selbst kümmern muss und du mir nicht mehr den Arsch hinterherträgst und dich um alles kümmerst.", zwinkert er mir zu. "Du bist noch jung. Mach das, worauf du Lust hast und nicht das, wozu du dich verpflichtet fühlst." Ich nicke langsam, stehe auf und gehe zu Elijahs großer DVD Sammlung. "Was machst du da?", fragt er mich nur verwirrt. "Das, worauf ich Lust habe", grinse ich ihn an, schnappe mir einen unserer gemeinsamen lieblingsactionfilme, lege  ihn ein und kuschel mich neben Elijah auf das Sofa. Er greift neben sich nach einer Decke, legt diese über uns und kuschelt sich in seine Ecke der Couch. "Schön, dass du trotzdem noch die Alte bist", meint er leise, was mich lächeln lässt.

Hass auf den ersten Blick?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt