48.: "Ich habe dir schon längst verziehen"

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Am nächsten morgen ist Nick nicht da. Ich schaue auf mein Handy, um auf die Uhr zu sehen (12 Uhr) und sehe eine Nachricht von Nick >Hey! Ich musste zur Uni. Mach dir ruhig was zum Frühstück. Wir sehen uns dann heute Abend beim Grillen 😘<
Ich bin verdammt froh, dass er wieder zur Uni geht. Es war sein Traum, Arzt zu werden und den soll er auch verwirklichen und sich nicht selber im Weg stehen. Ich werde ihm bei allem unterstützen, solange es das ist, was er wirklich tun will. Langsam stehe ich auf und gehe runter in die Küche, wo ich Mike schon finden kann. "Musst du eigentlich nie zur Uni?" Irgendwie ist er in letzter Zeit immer nur zuhause. "Ich habe meine Prüfung letzte Woche gemacht. Bis ich meine Ergebnisse bekomme habe ich frei und dann fange ich an zu arbeiten." "Oh Gott! Das habe ich total vergessen, dass du dieses Jahr fertig bist" mir ist das ganze echt unangenehm. Mike lacht jedoch nur. "Ist nicht schlimm. Du hattest anderes im Kopf. Wie läuft es eigentlich mit euch zweien so?" Er zwinkert mir anzüglich zu und ich schnaube als Antwort. "Wir sind nicht zusammen, haben uns nicht geküsst und auch noch nicht miteinander geschlafen" "ernsthaft jetzt? Aber ihr liebt euch doch!" "Ich weiß..." "ich versteh dich echt nicht", meint Mike fassungslos. "Ich ja auch nicht. Aber ich... ach ich weiß auch nicht..." Mike sieht mich alarmiert an. "Rede mit mir Becca. Du weißt, du kannst mir vertrauen und wir sind auch alleine zuhause. Emily macht irgendwas mit Mila und Clark." "Ich habe einfach Angst, dass alles vorbei sein könnte, wenn wir miteinander schlafen." Okay, jetzt ist Mike definitiv verwirrt. "Becca, ihr seit verrückt nacheinander!" "Aber was ist, wenn er eigentlich nur mit mir schlafen will und mich danach fallen lässt?" "Hat er dir jemals einen Grund dazu gegeben, sowas zu denken?" Ich schüttle stumm den Kopf. "Dann hat das ganze nichts mit Mike zu tun?" Mir kommen die Tränen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass die Sache mit Brian mir so viel ausgemacht hat. "Ich habe einfach Angst, wozu Menschen fähig sein können.", flüstere ich leise "auch die, bei denen man nie damit gerechnet hätte." Mike nimmt mich in den Arm und ich klammere mich schluchzend an ihn. "Was ist passiert, Becca?" "Damals... in der Nacht bevor wir uns auf dem Parkplatz vor der Schule getroffen haben... Brian war über Nacht bei mir. Wir waren da noch zusammen. Ich- ich habe in der Nacht mal wieder von Nick geträumt und bin aufgewacht. Brian ist auch wach geworden und war total sauer, dass ich immer von einem anderen Typen Träume, und dass ich sicher auch mit ihm schlafen würde und sowas. Es war einfach total lächerlich. Ich habe natürlich alles verneint und meinte, dass es Nick ja gar nicht geben würde und dass das nur ein Traum wäre und dass ich ja nicht umsonst mit Brian zusammen wäre. Dann wollte er, dass ich beweise, dass ich ihn liebe. Ich habe das erst nicht verstanden, bis er dann anfing mich zu küssen und auszuziehen. Ich- " Mike spannt sich an. Er hält mich immer noch im Arm, drückt mich aber nun leicht von sich und sieht mir in die Augen. Er wirkt wütend, hat sich aber gut unter Kontrolle. "Du musst mir das nicht alles erzählen Becca. Ich würde nur gerne wissen, ob er dich wirklich vergewaltig hat." Meine Tränen sind versiegt. Ich schüttle den Kopf, erzähle aber trotzdem weiter. "Ich habe versucht, ihm zu sagen, dass ich das nicht will, aber er hat das ganze falsch verstanden und weiter gemacht. Er hat mich angefasst und als er mir die Hose auch noch ausziehen wollte, habe ich angefangen zu weinen. Als er das mitbekommen hat, hat er sofort aufgehört, sich entschuldigt und ist gegangen. Am nächsten Tag habe ich dann Schluss gemacht, weil mir klar geworden ist, dass ich ihn nicht liebe. Ich glaube, er wusste wirklich nicht, dass ich das nicht wollte.", Ende ich leise. Plötzlich fällt die Haustüre zu und Nick steht in der Tür. Er sieht mich ausdruckslos an. Ich weiß nicht, was er mitbekommen hat, aber ich denke, es war genug. Wie aus dem nichts kommen mir wieder die Tränen und ich breche komplett zusammen. Mike will sich grade um mich kümmern, doch es ist nicht sein Geruch, der mich umgibt, sondern Nicks. Ich habe das alles so lange verdrängt. Alle Emotionen, die ich an jenem morgen hatte, habe ich nicht wieder zugelassen. Ich fühle mich wieder benutzt und dreckig. Ich will nicht, dass Nick mich so anfasst und Winde mich aus seinem Griff. Nick sieht mich überrascht an, als ich ein Schritt rückwärts in Richtung Mike stolpere. Dieser fängt mich auf. "Nick, geh am besten hoch", sagt er zu ihm. Nick sieht traurig aus. Ich weiß, dass er für mich da sein will, aber ich wollte nicht, dass er das von mir erfährt. Das ist grade alles etwas zu viel für mich. Nick dreht sich langsam um und geht langsam, wie ein geprügelter Hund die Treppe Rauf. "Was macht er hier?", frage ich leise, mit gebrochener Stimme, nachdem seine Zimmertür zugefallen ist. Mike zuckt mit den Schultern. "Das ist jetzt irrelevant. Die Sache ist die, dass Nick es wissen sollte, wenn du wirklich mit ihm zusammen sein willst. Du bist wieder hier und du liebst ihn. Du solltest ehrlich sein und dir von ihm helfen lassen. Nick ist kein Arsch, so wie dein Ex! Ich weiß, dass das schwer für dich ist, aber öffne dich ihm!" "Ich will nicht, dass er mich so sieht. Das soll er nicht." "Wärst du ein Kerl, würde ich dir eine klatschen, Becca. Dafür sind Partner doch da um einem zu helfen, wenn es einem nicht gut geht! Es ist alles deine Entscheidung, aber ich an deiner Stelle, würde mit ihm reden." Ich nicke leicht. "Ich weiß." Langsam drehe ich mich um und gehe die Treppe hoch. Ich öffne Nicks Zimmertüre und trete ein. Er sitzt mit dem Rücken zu mir über seinen Schreibtisch gebeugt. "Weißt du noch, an dem Morgen, als wir uns das erst mal getroffen haben? Ich kam mit Brian aus einem leeren Klassenzimmer und ich habe mich von ihm getrennt. Ich habe Schluss gemacht, weil er mich noch am selben morgen, geleitet von der Eifersucht, zu Sex drängen wollte." "Du musst mir das nicht erzählen", meint Nick leise und dreht sich um. Er wirkt verdammt verletzt. Aber auch wütend. Ich bin mir aber sicher, dass er nicht auf mich, sondern auf Brian wütend ist. "Nein, ich muss es niemandem erzählen. Ich sollte es dir aber erzählen. Und eigentlich möchte ich auch, dass du es weißt. Erst war es mir unangenehm, aber dann wurde mir klar, dass ich sowas auch über dich wissen wollen würde. Ich will alles über dich wissen und irgendwie will ich auch, dass du alles über mich weißt und auch meine Beweggründe kennst. Ich habe damals noch nicht mit Brian geschlafen. Ich war einfach verunsichert, vor allem durch die Träume. Ich meine, da spukte seit zwei Monaten so ein verdammt heißer Kerl in meinen Träumen rum. Da konnte ich einfach nicht mit Brian schlafen, das wäre nicht fair gewesen. Er wollte es jedoch, als Liebesbeweis. Er ist nicht weiter gegangen, als sonst, ich meine, ja er hat mich angefasst, aber wir hatten keinen Sex." "Das wäre auch kein Sex gewesen. Sowas nennt man Vergewaltigung, Becca", zischt Nick mich an. Seine Worte sind hart, aber er hat ja eigentlich recht. Ich nicke. "Nur, dass er es einfach nicht gemerkt hat, dass ich nicht will. Er war einfach komplett in seinem Element, er dachte, ich hätte Angst vor meinem ersten Mal und hat sogar versucht, mir die Angst zu nehmen." Ich lache freudlos auf. Nick seufzt resigniert, kommt auf mich zu, setzt mich auf sein Bett und hockt sich auf den Boden vor mich. Vorsichtig nimmt er meine Hand und spielt mit meinen Fingern. Etwas, was er immer tut um sich zu beruhigen. "Ich weiß, dass du ihn in Schutz nimmst, aber bitte hör mir zu. Ich bin auch mein Mann. Und ich hatte auch schonmal Sex. Und glaub mir, man kann unterscheiden, ob die Frau unter einem Lustvoll, ängstlich oder flehend deinen Namen nennt. Nicht, dass ich irgendwen zu was gezwungen habe. Bei mir wollten alle, aber worauf ich hinaus will ist, dass der Typ so schwanzgesteuert ist, dass er nichts mehr mitbekommt. Einem Vergewaltiger ist doch egal, ob die Frau will oder nicht. Hauptsache er kann seinen Schwanz reinstecken. Brian hatte vielleicht noch etwas Anstand in sich, dass er zwischen richtig und falsch unterscheiden konnte, aber du weißt auch nicht, wie er jetzt drauf ist. Das eine Jahr hat uns alle verändert. Ich sag nicht, dass du ihn anzeigen sollst. Aber er sollte vielleicht eine Therapie machen. Vielleicht kann ihm noch geholfen werden." Ich sehe ihn mit großen Augen an. "Du kannst also verstehen, dass ich ihn nicht hasse?" Er schüttelt den Kopf. "Ach, keine Ahnung. Ich wünschte, du würdest ihn hassen und nie wieder in seine Nähe kommen, damit dir nichts passiert, aber das ist einfach nur mein Beschützerinstinkt. Aber, ja, ich kann dich verstehen. Er hat schließlich aufgehört und es bereut. Und Menschen, die man mag, verzeiht man so einiges." Ich senke den kopf. "Du denn auch?" Er versteht, dass ich nicht mehr von Brian rede. "Ich habe dir schon längst verziehen.", antwortet er leise und streicht mir eine Strähne aus der Stirn. "Ich möchte, dass du ein paar Dinge weißt. 1. ich wäre verdammt gerne wieder mit dir zusammen, aber nur, wenn du 2. ehrlich zu mir bist und mich dir helfen lässt und 3. dich zu nichts verpflichtet fühlst. Ich meine, ja, Sex ist toll und ich mache es gerne, aber jede Nacht, die ich Sex mit jemandem hätte, würde ich für eine Nacht geben, in der ich dich einfach nur im Arm halten kann." Mir kommen die Tränen. Es war eine Belastung für mich, dass ich dachte, ich würde Nicks Erwartungen nicht erfüllen, ebenso wenig wie ich die von Brian erfüllen konnte, doch ich habe keinerlei Bedenken mehr. Ich bin mir mit diesem Mann vor mir echt sicher, dass ich mit ihm zusammen sein will. Doch anstatt darauf zu antworten, senke ich nur meinen Blick. "Wieso bist du eigentlich nicht in der Uni?" Nick schnaubt. "Manchmal werde ich echt nicht schlau aus dir, Bex", er streicht sich verzweifelt über sein Gesicht. Ich muss Grinsen, was auch ihn zum Grinsen bringt. "Der Professor ist krank, weshalb die letzte Vorlesung ausgefallen ist. Gibst du mir auch noch eine Antwort?" "Du hast keine Frage gestellt.", grinse ich. Er seufzt und sieht mich böse an. "Ich Danke dir echt für das alles hier und auch dafür, dass du mir keinen Druck machst."
"Aber?" "Aber ich muss das grade erstmal alles verarbeiten. Ist es ok, wenn wir heute Abend nochmal reden?" Er nickt nur resigniert. "Du machst mich noch fertig" ich muss lachen und falle ihm um den Hals. "Danke", flüstere ich an seinen Hals. Er drückt mich feste und vergräbt seine Nase in meinen Haaren. "Sehr gerne", murmelt er, macht jedoch keine Anstalten, mich los zu lassen. Ich kicher, drücke ihm einen Kuss auf seinen Hals und Winde mich aus meinen Armen. Traurig sieht er mich an. "Du gehst jetzt, oder?" Ich muss wieder lachen. "Ja, das werde ich. Aber in fünf Stunden sehen wir uns doch wieder!" "Das dauert ewig", schmollt er. "Fang jetzt bloß nicht an zu klammern, da bin ich immer noch kein Fan von." "Und wie steht es mit der Romantik?" Angeekelt verziehe ich mein Gesicht und mache Würg Geräusche, während ich das Zimmer verlasse. "Hey warte! Ich will einen Abschiedskuss! Julia, meine Julia, oh meine holde Maid!", ruft er vom treppenabsatz runter, als ich schon in der Küche bin. Ich lache leise und Schnapp Mike sein Brötchen aus der Hand, der ebenfalls damit beschäftigt ist, seinen Bruder auszulachen, weswegen er sich auch nicht beschwert. "Ihr habt geredet?" Ich grinse breit. "Danke Mike, du hattest echt recht. Ich bin eine verdammte idiotin!"
"Können wir das auf Band aufnehmen?", lacht er. "Klappe!", entgegne ich und hau ihm auf die Brust. "Oh Julia, du vergnügst dich mit einem anderen Freier! Unsere Liebe! Du zertrittst sie mit deinen Füßen!" Nick steht in der Tür und Mike und ich prusten laut lachend los. Nick jedoch bleibt ganz ernst mit seinen verschränkten armen stehen. Ich Schlucke den letzten Bissen von Mikes Brötchen runter und will mich an Nick vorbeischieben. Dabei drücke ich ihm einen keuchen Kuss auf die Lippen und meine. "Oh Romeo, für mich wirst immer du der Richtige sein." Mike bekommt sich gar nicht mehr ein vor lachen und ich gehe grinsend zur Haustüre. Ich will sie grade öffnen, als sie jedoch von hinter mir zugedrückt wird. Ich drehe mich um und sehe in Nicks belustigte Augen. "So leicht kommst du mir jetzt nicht davon", sagt er leise und beugt sich weiter zu mir runter. Kurz vor meinen Lippen stoppt er, kurz sehe ich die Unsicherheit in seinen Augen aufblitzen, doch ich schließe meine Augen und ziehe seinen Kopf am Nacken das letzte Stück noch zu mir, um ihn endlich wieder richtig zu küssen. Der Kuss bleibt Jugendfrei, und trotzdem ist er wunderschön. Unsere Lippen ergänzen sich immer noch optimal und tanzen in perfekter Harmonie miteinander. Meine Hände machen, wie früher auch, seine Haare durcheinander und er hat eine Hand an meiner Wange, die andere an meiner Taille liegen. Es ist einfach perfekt. Lächelnd lösen wir uns voneinander. "Darf ich jetzt gehen?", flüstere ich leise. "Nur, wenn du heute Abend ja sagst.", grinst Nick, öffnet mir aber, ohne eine Antwort abzuwarten die Türe.

Hass auf den ersten Blick?Where stories live. Discover now