7.:"Ich will es so sehr. Ich will dich so sehr töten"

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Mira rutscht grummelnd hinter mir von meinem Motorrad. Da ich bei ihr geschlafen habe, ist sie natürlich mit mir mitgefahren "das nächste Mal fahre ich Bus." Meckert sie. "So spät wie du aufgestanden bist, wärst du mit jedem Bus der Welt zu spät gekommen.", erwidere ich lachend. Ich bin etwas schneller gefahren als gewöhnlich, da wir wirklich extrem spät dran waren. Mittlerweile liegen wir aber wieder gut in der Zeit. Ich höre noch Mila vor sich hin brummen, während ich mein Motorrad abstelle.

Ich ziehe meinen Helm aus und mein Blick fällt auf Mike, der straight auf sein Auto zu geht. Er hatte sicher wieder seinen Bruder zur Schule gebracht. "Mike" rufe ich. Vielleicht hatte er mich nicht gesehen. Die letzte Woche hatten wir uns morgens immer noch unterhalten und ich will jetzt wenigstens kurz hallo sagen. Er ignoriert mich aber und läuft einfach weiter "Mike?" Ich laufe ihm hinterher und fasse ihn an die Schulter. "Ist das dein Ernst du kannst mich doch nicht einfach ignorieren!", motze ich und schaue gespielt beleidigt auf den Boden, während er sich umdreht, 

"Mike konnte nicht. Du hättest mich einfach in Ruhe lassen sollen." Höre ich Nicks kalte Stimme und zucke zusammen. Ich würde seine Stimme unter Tausenden raus hören. Aber dennoch klingt sie so anders als letzte Nacht in meinem Kopf. Von der liebevollen und besorgen Art war nichts mehr da. Ich will aufsehen, ihm in die Augen blicken und mich in dem Grün verlieren, doch er fährt mich weiter an: "sieh mich bloß nicht an oder das hier endet wieder böse!" "Nick du hast mir gar nichts zu sagen!", werde auch ich langsam wütend und schaue ihm trotzig in die Augen.

Wie die letzten Male auch als er vor mir stand, spüre ich wieder den Hass, doch ich konzentriere mich auf seine Augen und atme einmal tief durch, um ihm nicht an die Kehle zu springen. "Ich kann ansehen, wen ich will!" Sage ich triumphierend.

Er wirkt überrascht. Dennoch kann ich den Hass genauso in seinen Augen aufleuchten sehen, wie die letzten Male auch. Er schaut mich nur eine Sekunde an und blickt sofort nach unten. "Du vielleicht. Ich jedoch nicht. Ich möchte dich so gerne ansehen, mit dir reden, wie gestern Abend, doch ich weiß, wenn ich nur eine Sekunde zu lang hinsehe, werde ich dir wieder an die Gurgel springen. Denn ich will es so sehr. Ich will dich so sehr töten."

In mir regt sich was. Ich bin verletzt, obwohl er Schon mal gesagt hat, dass er mich töten will. Doch das jetzt ist Anders. Ich dachte, wir hätten uns geändert. Aber das war wohl nur Illusion und ich spüre den Hass stärker als vorher aufflammen und springe ihn an, sodass er zurück gegen Mikes Auto taumelt und mich reflexartig an der Hüfte auffängt und festhält.

Ich achte nicht darauf. Das ist jetzt Nebensache. Ich fange an, ihn zu schlagen, doch er wehrt sich nicht und sieht mich einfach nur überrascht an.
Ich fühle eine Wärme, die sich von seinen Händen ganz langsam in meinem Körper ausbreitet. Zäh wie Honig kriecht sie mir durch die Adern und verbreitet Ruhe. Meine Fäuste sacken nach unten. Ich will sie heben, denn es macht mich wütend, ihn nicht schlagen zu können. In meinem Kopf tobt es. Mein Hirn schreit meine Nervenzellen förmlich an, doch diese scheinen eine andere Sprache zu sprechen. Da mein Körper einfach nicht mehr auf die Befehle des Gehirns reagiert, fange ich an, Nick anzuschreien und zu beleidigen. Er sieht mich immer noch völlig perplex an.

Ich spüre, wie sich der warme Honig meine Nackenwirbel hocharbeitet und in meinem Kopf ankommt und ich höre auf, ihn zu hassen. Ich schließe die Augen und atme erleichtert durch. Als ich ihn wieder ansehe, lächelt er mich liebevoll an. Ich bin völlig überfordert und weiß nicht was ich tun oder sagen soll. Ich handle instinktiv und lass mich nach vorne, gegen seine Brust fallen. Ich schlinge meine Arme um ihn und umarme ihn ganz fest. Ich spüre, wie er seine Arme sanft um mich legt und lacht und mir kommen die Tränen.

Ich hatte es nie bemerkt und hätte es auch nie zugegeben, aber seit er mich zum ersten Mal im Traum verlassen hat, sehne ich mich nach seiner Nähe und seit ich ihn das erste Mal in meinen 'Visionen' lachen gesehen habe, wünschte ich mir dabei zu sein, wenn er lacht.

"Hey, was ist denn los? Nicht weinen, Becca! Nicht jetzt!" Er hat wohl die Nässe an seinem dunkelblauen Shirt gespürt. Er löst die Umarmung und drückt mich sanft zurück, um mich ansehen zu können. "Ich will dich nicht weinen sehen, jetzt, wo ich dich ansehen kann!" Sagt er sanft und wischt mit seinen Händen meine Tränen fort. "Es ist alles so verrückt. Ich weiß einfach nicht was das ist und was das soll und ich verstehe einfach überhaupt gar nichts mehr.." stammel ich und Klammer mich an seine Unterarme. "Pscht... alles wird gut. Ich versteh das auch alles nicht, aber wir werden es herausfinden." Beruhigt Nick mich und will sich ganz von mir lösen "du musst zum Unterricht." "Nein! Nicht!" Ich werde panisch und er sieht mich mal wieder verwirrt an. "Ich... ich habe Angst dich wieder zu hassen, wenn wir uns jetzt loslassen..." gebe ich zu. Er grinst "davor habe ich auch Angst. Aber wir haben es einmal geschafft und werden es wieder tun." Damit nimmt er die Hände von mir. "Und außerdem werde ich immer bei dir sein." Fügt er noch hinzu und will leicht meinen Kopf berühren. Ich weiche zurück. Meine gemischten Gefühle lassen nicht zu, dass er mich anfasst. "Du Schlampe hast immer noch was mit deinem ex am laufen, und ich darf dich nicht mal anfassen? Warte ab! Das bekommst du noch zurück" faucht er mich hasserfüllt an, schubst mich weg und steigt ins Auto. Ein letztes Mal sieht er mich an. Ich bin total geflasht von dem Gefühlschaos in seinen Augen. Ich sehe den obligatorischen Hass, den ich in mir auch spüre, als nächstes sehe ich Traurigkeit und ein ganz kleines bisschen Scham. Ich muss Lächeln.

Der Hass von mir ist nicht mehr so groß wie zuvor und ich winke ihm noch dreist hinterher, während ich seine Augen wütend im Rückspiegel aufblitzen sehe. Ich sollte ihn vielleicht nicht so provozieren. Er scheint seine Gefühle nicht so im Griff zu haben, wie ich grade.

Hass auf den ersten Blick?Where stories live. Discover now