33.: Er wusste von nichts

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Er macht sich Sorgen und, ja, vielleicht ist er auch ein klein wenig wütend, denn er kann sie einfach nicht finden. Sie war nicht mehr im Times, laut Elijah hat sie gekündigt und bei den Bandproben war sie auch nicht mehr. Zuhause meinte ihre Mutter nur, dass sie nicht da ist und bei Ihren Freunden war sie auch nicht mehr in den letzten Tagen. Heute ist Sonntag, sein Geburtstag. Und er hat sich geschworen ihn nicht ohne sie zu feiern.

Wütend stapft er auf Milas Haus zu, sie muss doch etwas wissen! Er klingelt und sie öffnet ihm. "Wo ist sie verdammt!", er wollte sie anschreien, jedoch klingt er erstickt und verzweifelt. Sie winkt ihn rein und er folgt ihr in ihr Zimmer. "Nick, sie ist in einer psychiatrischen Klinik in Liverpool", Mila sagt es ihm unverblümt und direkt ins Gesicht. Bada-Boom.
Drum rum zu reden würde keinen Sinn ergeben. "Was? Wieso?" "Du hast es doch selber gemerkt. Sie war nicht mehr sie selbst. Sie hat wieder Depressionen und wollte einfach nur noch weg von hier. Sie war am Mittwoch bei mir und hat es mir erzählt. Am Donnerstag ist sie losgefahren." Nick schweigt. Er schweigt lange. "Wieso hat sie mir nichts gesagt?", seine Stimme klingt gepresst. Er muss sich die Tränen zurückhalten. Mila nimmt ihn in den Arm. "Ich weiß es nicht. Sie meinte, sie könnte es nicht.", antwortet sie ihm leise, was letzten Endes der Anstoß war, dass er seine Tränen nicht mehr halten konnte. Hat sie ihm nicht vertraut? Hat er ihr das Gefühl gegeben, ihm nicht vertrauen zu können? War er zu wenig für sie da?

"Ich glaube, sie liebt dich zu sehr. Sie hätte es nicht mehr ausgehalten, dich so zu sehen." Er nickt nur und löst sich von ihr. Er hat seine Antwort und ist bereit, nach Hause zu gehen. "Warte", sie hält ihm noch zwei Päckchen hin. Auf einem steht sein Name, auf dem anderen der von Mike. Er schluckt, denn er erkennt die Schrift. Langsam nimmt er sie an und stopft sie in den Rucksack. An der Türe umarmen die beiden sich nochmal feste. "Nick? Du kannst immer vorbeikommen, du weißt sicher, dass ich sie auch liebe und sie auch vermisse." Nick lächelt leicht gequält, jedoch kann sie die Dankbarkeit sehen. Sie nicken sich noch einmal zu und Nick macht sich auf den Weg nach Hause.

"Sie ist wo?!", Mike ist völlig außer sich. "In Liverpool", gibt Nick kraftlos zurück. Er ist ausgelaugt. Er fühlt sich, als hätte er versagt, als wäre er ein schlechter Freund. "Und sie hat dir nichts über ihre Krankheit gesagt? Und nicht, dass sie geht? Sie ist einfach weg?" Nick zuckt nur mit den Schultern. Was soll er dazu denn sagen? Er wusste von nichts. Er hatte einfach nur etwas geahnt. Aber sie hat keinmal den Mund aufgemacht. Er hätte ihr vielleicht nicht helfen können, aber er wäre verdammte scheiße nochmal für sie da gewesen und er wäre darauf vorbereitet gewesen und hätte sich Verabschieden können.

Er wird wütend, reißt aus seinem Rucksack die Geschenk, schmeißt sie auf den Tisch, zischt Mike ein "happy Birthday", zu und verschwindet wieder aus der Haustür. Er wusste nicht wohin ihn seine Beine tragen, doch letzten Endes steht er vor einem Pub, dem Pub, in dem er und Becca vor zwei Wochen zusammengekommen sind. Zwei Wochen! Wie kann sich alles plötzlich so schnell ändern? Immer noch wütend betritt er den Pub und fängt an zu trinken. Keiner spricht ihn an und die wenigen, die ihn ansehen, vernichtet er mit seinem Blick.

Er merkt nicht, wie die Zeit vergeht, doch irgendwann steht Mike vor ihm, nimmt ihm das Glas aus der Hand und will ihm hoch helfen. Er protestiert und beginnt ihn zu beleidigen. Er fragt ihn, warum er ihn nicht einfach hier sitzen lassen kann, denn es wäre gottverdammt nochmal sein Leben, mit dem er nunmal machen könne, was er wollte.  Daraufhin verpasst Mike ihm eine, schreit ihm ins Gesicht, dass er nunmal sein Bruder ist und ihn liebt, legt sich, trotz der schwachen versuche seines Zwillings sich zu wehren, seinen Arm um die Schultern und schleppt ihn bis nach Hause.

Kaum liegt Nick im Bett, fängt er an zu weinen. "Verdammt Mike, ich weiß nicht was ich machen soll!" "Du gehst weiter zu Uni und lebst dein Leben weiter! Becca ist nicht Tod sondern nur in einer Klinik! Sie wird wiederkommen, sie liebt dich!" "Ich glaube nicht. Ich habe versagt. Sie wird nicht wiederkommen. Und ob sie mich liebt, wie du und Mila sagt, weiß ich auch nicht. Sie wäre doch nicht einfach so gegangen!" "Glaub mir, Bruder, sie ist gegangen, weil sie dich liebt. Und jetzt schlaf." "Woher wusstest du, dass ich im Pub bin?" "Brian hat dich gesehen und Mila angerufen. Sie hat mich angerufen. Sie ist die einzige von den beiden mit meiner Nummer. Und jetzt schlaf!" "Mike?" "Schlaf!" "Danke. Ich liebe dich auch.", meint Nick noch, bevor er die Augen schließt und tatsächlich, vom Alkohol umnebelt, in den Schlaf fällt.

Mike muss leicht lächeln, doch die Sorge um seinen Bruder vergeht nicht. Eins steht fest: er würde für ihn da sein! Nick war immer für die Familie und die Freunde da, hatte sich immer mehr auf andere als auf sich fokussiert. Er denkt, dass das auch der Grund ist, warum Becca ihm nichts erzählt hat. Damit er sich nicht schon wieder um wen krankes kümmern muss. Doch einfach so abzuhauen ohne einen Abschied ist einfach nicht fair. Er kann Becca verstehen, ist aber gleichzeitig verdammt wütend auf sie.
Er würde seinen Bruder jedoch nicht im Stich lassen. Er braucht ihn jetzt und er würde da sein. Solange, wie es eben dauert.

Zu der Zeit wusste er jedoch nicht, dass es so lange dauern wird und wie sehr die Zeit seinen Bruder verändert.

Hass auf den ersten Blick?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt