40.: Nach Hause

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Diese Nacht wache ich nicht von meinem Traum auf, sondern davon, wie unsanft die Türe aufgerissen wird und eine Stimme, die mir durch Mark und Bein geht, lospoltert: "wo sind sie?", höre ich Nick schimpfen und will mich sofort alarmiert aufsetzen. Mike jedoch drückt mich zurück ins Bett, sodass Nick nicht erkennen kann, wer dort liegt. "Was meinst du, Nick?", fragt Mike müde. "Ihr Sachen" "Nick? Halluzinierst du? Was hast du genommen?" "Nichts, und jetzt sag mir, wo ihre Sachen sind!" "Ich weiß echt nicht, wovon du redest, also geh einfach in dein Bett und Versuch zu schlafen. Und verdammt, lass die Finger von den Drogen!" "Mann, Mike ich bin nicht High! Vielleicht betrunken, aber nicht high! Ich suche die Sachen von Bex! Der Hoodie und ihr Geschenk. Ich kann sie einfach nicht finden!" Bei meinem Spitznamen bleibt mir das Herz kurz stehen und mir kommen die Tränen. So hatte immer nur er mich genannt und so wurde ich auch über eine Jahr nicht mehr genannt. Ich Klammer mich unter der Decke an Mikes Hand, die er beruhigend auf meinen Arm gelegt hatte. "Nick. Ich habe die Sachen nicht genommen.", sagt Mike ruhig. "Das kann nicht sein! Sie können nicht weg sein!"- ruft Nick wütend und reißt die Bettdecke vom Bett, was mich alarmiert aufschrecken lässt. Und schon sitze ich kerzengrade ins Bett und schaue geradewegs in trübe, Grüne Augen, die einfach nur müde aussehen. Nachdem der erste Schock erholt war, spüre ich ihn. Den Hass, als wäre er nie weggewesen. Auch in seinen Augen sehe ich ihn aufblitzen. Ich greife alarmiert nach Mikes Arm um ihn zu warnen, kann mich selber geradeso zurückhalten, auf ihn loszugehen. Er jedoch ist in zwei Schritten bei mir, packt mir in meine kurzen Haare und zieht mich von dem Bett, was mir einen schmerzhaften Schrei entlockt. Mike will aufspringen und dazwischen gehen, doch ich hebe nur die Hand. "Das ist eine Sache zwischen ihm und mir.", mahne ich ihn und schlage Nick ins Gesicht. "Fass mich nicht an!" Zische ich ihn an und er lässt sogar meine Haare los, nur, um mir gleich darauf in den Bauch zu boxen. Ich wehre mich und merke schnell, dass es ein leichtes wäre, ihn zu besiegen.

Durch den Alkohol ist er langsam und er kann nicht mehr so schnell reagieren wir früher. Ich Niete ihn um und setze mich auf ihn drauf. Eine Hand liegt auf seiner Brust, die andere hält seine Haare fest im Griff, sodass er sich nicht währt. Ich atme einmal tief durch und sammle mich, bevor ich ihm bestimmt sage: "du hörst jetzt mit der scheiße auf! Drogen und Alkohol sind beides für den Arsch. Du kannst dich ja gar nicht mehr währen. Wenn du ausgenüchtert bist, können wir uns wieder an die Gurgel gehen, oder uns wie zwei erwachsene Menschen unterhalten, das ist mir egal, ich mach bei beidem mit. Doch möchte ich wenigstens einen mir ebenbürtigen Gegner haben. Nick, es ist verdammt traurig dich so zu sehen. Und ich weiß, dass es meine Schuld ist, aber krieg einfach mal deinen Arsch hoch und nimm dein Leben wieder selbst in die Hand, statt deinen Bruder alles machen zu lassen!" Grade als ich ihn loslasse und von Ihm runtersteige füge ich noch hinzu "Der Pulli bleibt als Pfand bei mir" es sind in etwa die Worte, die ich auch damals gesagt habe und ich sehe, wie sein Blick klarer wird und er mich erstaunt anblickt. Ich schüttle jedoch nur meinen Kopf, schnappe mir aus meiner Tasche meine Jogginghose, die ich anziehe und verlasse wortlos die obere Etage. Unten schnappe ich mir Nicks motorradschlüssel, setze mich vor der Türe auf seine Maschine und fahre los- nach Hause.

Ich versuche so leise wie möglich zu sein, als ich das Haus betrete, die Türe schließe und nach oben in mein Zimmer schleiche. Erst als die Türe hinter mir geschlossen ist, mache ich das Licht an. Es sieht alles so aus wie immer. So, als wäre ich gestern erst gegangen, und nicht vor einem Jahr. Kraftlos lasse ich mich neben der Tür auf den Boden gleiten und beginne schon wieder zu weinen. Ich weine wegen Nick, der nicht mehr er selbst ist, ich weine wegen dem Hass, der einfach so wieder da ist, ich weine wegen der Familie, die ich einfach so zurückgelassen habe, ich weine, weil eben diese Familie die Hoffnung nicht aufgegeben hat und mein Zimmer immer für mich bereit gehalten hat, ich weine wegen meines Lebens, das ich einfach so aufgegeben habe, für den Dummen, Dummen Fehler zu denken, ich müsste jetzt Abenteuer erleben, wobei ich gar nicht bedacht habe, dass mein Leben vorher schon abenteuerlich genug war. Ich höre, wie die Zimmertür sich leise öffnet und wieder schließt und wie sich ein paar Arme um mich Schlingen. "Mike hatte recht. Du bist tatsächlich wieder da.", murmelt Mila in meine Haare. Als ich meine beste Freundin erkenne, kralle ich mich in ihren Rücken, und breche vollständig zusammen. Das einzige, was ich immer wieder über die Lippen bringe ist ein 'es tut mir leid'. Und das tut es auch! Ich weiß jetzt selber, dass das ganze ein Fehler war.
Irgendwann bekommt Mila mich in mein Bett, streicht mir die fransigen Haare aus dem Gesicht und flüstert nur "ich habe dich echt verdammt vermisst. Mike ist nicht annähernd eine so gute beste Freundin wie du" irgendwie bringt mich diese Aussage zum lächeln und ich gebe nur frech von mir "er hat ja noch nichtmal einen mädelsabend vernünftig hinbekommen", was nun auch Mila zum Lächeln bringt. Sie macht das licht aus, legt sich neben mich und zieht die Decke über uns. "Becca?" "Hm?" "Ich muss dir noch was sagen." "Ich weiß es" "was?" "Na, dass du mit meiner Schwester schläfst." Ich kann mir echt gut vorstellen, wie rot sie grade wird "ich... wir... Ääähm... wir haben noch nicht... wir sind nur...." "seit knapp einem Monat ein Paar, ich weiß, jetzt lass dich doch nicht ärgern", meine ich nur und kuschel mich an sie. Sie zögert noch "und du sagst da gar nichts zu?" "Doch, morgen, ich bin grade zu müde um angsteinflößend zu sein", brumme ich. Mir fallen die Augen zu, aber ich höre Mila noch leise kichern.

Hass auf den ersten Blick?Where stories live. Discover now