49.: Süchte, Zwänge und Rückblicke

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Grinsend kehrt Nick in die Küche zurück und macht sich was zu essen. Mike beobachtet ihn eindringlich. "Was?", fragt Nick irgendwann seinen Zwilling genervt mit vollem Mund. Mike schüttelt nur den Kopf. "Ich weiß auch nicht. Es ist schön euch zwei so zu sehen. Vor allem ist es schön, dich endlich wieder lachen zu sehen." Nick atmet resigniert aus. "Mike, ich weiß, dass ich die letzte Zeit ein Arsch war. Also das ganze letzte Jahr. Ich... ich denke, ich sollte mich auch bei dir entschuldigen und bedanken! Ohne dich wäre ich jetzt nicht mehr ich selber." "Ich weiß, du würdest es auch für mich tun. Aber das ist nicht das, was ich meine. Ihr habt euch ein Jahr nicht gesehen und euch beide in dem Jahr völlig verändert und echt viel erlebt. Und jetzt trefft ihr aufeinander und alles ist wie immer? Ich Blick da irgendwie nicht ganz durch." "Nichts ist wie immer. Wir sind beide nicht mehr dieselben. Aber das wichtige ist, dass wir füreinander da sind und ehrlich sind." Mike hebt eine Augenbraue. "Seid ihr das?" "Wie meinst du das? Ich denke schon" "weiß sie von deinen Ticks?" Nick sieht genervt weg und fängt an, die Küche aufzuräumen, doch Mike unterbricht ihn, indem er ihn am Arm zu sich umdreht. Er sieht ihm eindringlich in die Augen. "Ich werde dir jetzt dasselbe sagen, wie ich Becca gesagt habe: wenn du wieder mit ihr zusammen sein willst, solltest du es ihr sagen. Dafür sind Partner da, sie helfen einem, wenn es einem nicht gut geht." Nick senkt den Blick. "Ich weiß, aber sie hat so schon so viele Probleme. Sie hat mir grade erst das von ihrem ex erzählt, da will ich ihr nicht sagen, dass ich irgendwelche Putz- und Ordnungszwänge habe."
"Ist das dein Ernst?" Fragt Mike um nochmal sicher zu gehen. Nick nickt entschlossen, woraufhin Mike ausholt und ihm eine klatscht. Nicht sehr feste aber feste genug. "Was war das denn bitte?!" Schreit Nick Mike an. "Ihr solltet beide mal über eure Einstellung nachdenken! Becca hat es ja gerafft, aber du musst anscheinend mal wachgerüttelt werden!" "Hast du ihr auch eine geklatscht damit sie mit mir redet?" "Was denkst du bitte von mir? Du bist hier der Frauenschläger in der Familie", neckt Mike seinen Zwilling. Dieser seufzt jedoch nur und lässt sich auf einen Stuhl fallen. "Verdammt, ich weiß einfach nicht was ich machen soll." Er rauft sich die Haare. Mike klopft ihm brüderlich auf die Schulter "das kannst nur du entscheiden, aber bitte tu mir den Gefallen, und geh mit deiner Verzweiflung nicht so um wie vor einem Jahr."
Nick nickt und ist mit seinen Gedanken an dem angesprochenem Punkt:

"Sie bleibt noch länger weg" ich sitze grade an meinem Schreibtisch und lerne für meine Klausur morgen. Ich habe mir vorgenommen, die Zeit bis Becca wiederkommt mit lernen zu vertreiben. Die Uni war schon immer gut darin, mich abzulenken. "Wer? Emily?", frage ich abwesend. "Nein, Becca." Bei Ihrem Namen blicke ich sofort auf. Wir haben die letzten 6 Wochen nicht mehr von ihr gesprochen. Ich wollte nicht an sie erinnert werden. "Du hast von ihr gehört? Wie geht es ihr? Wird die Klinikzeit noch verlängert?" "Sie hat mir geschrieben. Nicht viel. Nur, dass sie noch etwas länger unterwegs sein wird." Was? Aber warum denn? Fassungslos sehe ich ihn an und stehe auf. "Zeig sie mir", meine ich leise und halte ihm meine offene Hand hin. Er tippt auf seinem Handy rum und legt es mir, die Nachricht geöffnet, in meine Hand. >ich bin noch etwas unterwegs. Pass gut auf ihn auf.< mehr nicht? Was soll das denn bitte? Bin ich ihr denn total egal? Ach ne, anscheinend ja nicht, denn Mike soll ja auf mich aufpassen. Ich lache einmal freudlos auf, gebe Mike sein Handy wieder und lasse mich wieder an meinen Schreibtisch fallen. Ich beuge mich wieder über meine Unterlagen und tue so, als würde ich weiter lernen. In Wirklichkeit, ist mein Kopf jedoch leer. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Ich bin völlig verzweifelt. "Nick?" Ich reagiere nicht. Was soll ich denn auch sagen? Er fasst mir an die Schulter  "sag doch was." Verzweifelt sehe ich zu ihm auf und ich weiß, dass er die Tränen in meinen Augen sehen kann. "Ich will weiter lernen.", sage ich jedoch nur stumpf. "Nick, sei nicht so kalt. Es bringt nichts es zu verdrängen. Ich bin für dich da ok?" Ich schnaube verächtlich auf. "Natürlich bist du das" er sieht mich fragend an und ich raufe mir die Haare "Königin Becca hat es ja befohlen!" Meine ich jetzt lauter und schmeiße meine Unterlagen von der Uni von meinem Schreibtisch. "Aber weißt du was? Ich scheiß drauf! Ich scheiß auf dich und vor allem scheiße ich auf sie! Sie denkt, sie kann machen was sie will, ohne Rücksicht auf Verluste? Mich einfach so alleine lassen und ihren Spaß haben? Verdammt! Das kann ich auch!" Ich schreie ihn an, schubse ihn weg und Stürme die Treppe runter. Als ich meine Schuhe und meine Jacke anziehe höre ich, dass Mike mir gefolgt ist und nun neben mir steht. "Wo willst du hin?", fragt er ruhig. "Mein Leben genießen. Und Versuch erst gar nicht, mich davon abzuhalten!", zische ich ihn an und will nach meinen Schlüsseln greifen. Er jedoch ist schneller. Ich schnaube nur und mache mich zu Fuß auf den Weg in die nächste Disco. Sie ist nicht sehr weit. Ich laufe zwanzig Minuten und mit jedem Schritt werde ich entschlossener: ich will dieses Mädchen aus meinem Kopf bekommen, koste es was es wolle.

Mittlerweile bin ich zu. Fragt nicht, was ich alles intus habe, aber es ist nicht nur Alkohol. Ich stehe vor der Disse und Rauche eine Zigarette. Okay ich bin ehrlich, ich rauche irgendwas. Ich habe nicht nachgefragt was es ist, als die Typen mir was anboten. Immer her damit! zerstört mein Hirn ihr lieben Drogen! Ich gehe wieder rein und Tanz ein Mädchen an. Sie geht sofort drauf ein und bewegt sich in Rhythmus der Musik eng an mich gepresst. Ich habe sowas noch nie gemacht, ganz ehrlich. Aber mir ist es egal. Mir ist einfach alles egal! Ich will dieses Mädchen mit den rot gefärbten Haaren endlich aus meinem Gedächtnis kriegen, koste es, was es wolle. Das blonde Mädchen sieht mich vielsagend an und ich grinse nur doof. Keine Ahnung, was sie will, aber ich bin dabei. Sie sieht mich zu sich runter und küsst mich verlangend. Ich habe bisher nur Becca geküsst und das hier ist etwas völlig anderes. Aber es ist eine Ablenkung und Ablenkung ist gut. Ich geht drauf ein und fahre mit meinen Händen ihren Körper nach. "Wir sollten verschwinden", sage ich atemlos. Ich weiß, was ich will. Ich bin die ganze Zeit dabei, das Mädchen mit Becca zu vergleichen. Aber so bekomm ich sie nicht aus meinem Kopf. Also muss ich Sachen tun, die Becca und ich nicht getan haben. Sex. Das Mädchen nickt und zieht mich mit sich. Kurz Stocke ich. "Wie alt bist du?" "20, also keine Panik, ist nicht mein erster One Night Stand." Ich nicke nur. Meiner aber. Denke ich, und hole mir aus dem Weg raus noch einen Drink.
Ganz ehrlich? An viel mehr kann ich mich echt nicht mehr erinnern. Wir waren bei mir, dass weiß ich, denn da bin ich aufgewacht. Und wir haben ein Kondom benutzt, denn das lag auf dem Boden neben meinem Bett. Doch an mein erstes Mal habe ich keine Erinnerung mehr. Mike hat mich am nächsten morgen so aufgefunden. Nackt, immer noch high, mit einem benutzten Kondom neben meinem Bett. Er hat mir nicht geholfen. Er hat einfach nur wortlos mein Zimmer verlassen. Doch ich bin mir sicher, Worte wie "dieser idiot" gehört zu haben. Doch es war mir egal. Mir war alles egal.

Nick sieht Mike an "das werde ich nicht, versprochen." Mike nickt. "Und bring deine Sucht unter Kontrolle. Rauchen ist schädlich." Fügt er hinzu, als er Nicks suchenden Blick nach der Packung Zigaretten bemerkt. Dennoch schiebt er ihm sie rüber. Er weiß, dass er nicht von jetzt auf gleich aufhören wird. Nick nickt nur, zieht sich eine Zigarette aus der Packung und zündet sie auf der Terrasse an. "Ich weiß. Es ist scheiße", seufzt er, nachdem er den Rauch wieder aus seinen Lungen gelassen hat. "Wundert mich eh, dass Becca es noch nicht gerochen hat", murmelt Mike und geht nach oben. 

Hass auf den ersten Blick?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt