2 | Mr. Maddrox

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"Ja, ich komme!", antwortete eine tiefere Stimme von der anderen Seite der Tür aus.
Nach einigen Sekunden öffnete sie sich schließlich und Mr. Maddrox trat heraus. Als er mich erkannte, erhellte sich sein Gesichtsausdruck sofort.

Ich fuhr mir jedoch vor Nervosität ein weiteres Mal durch mein noch leicht feuchtes Haar, wofür ich aufgrund der Handschellen beide Hände heben musste.

"Alex, komm doch rein", bat der Braunhaarige mich und ging einen Schritt zur Seite.
Er hatte vor einiger Zeit damit angefangen, mich zu duzen. Ich dachte, um eine bessere Bindung zu mir aufzubauen und dies machte auch wirklich den Anschein, dass es helfen würde.

Ich atmete leise aus und setzte dann einen Fuß vor den anderen. Wieso kostete es mich jedes Mal aufs Neue so eine Überwindung? Es war einfach lästig.

Als ich in das Büro meines Sozialarbeiters trat, versicherte dieser den Wärtern, dass er alleine klarkommen würde und schloss ihnen anschließend die Tür vor der Nase zu. Er hielt mir daraufhin seine Hand hin und blickte mit einem freundlichen Blick auf mich herab.
Während ich die Hand entgegennahm, musterte ich ihn ausgiebig. Heute trug er ein weißes Hemd, welches er in die dunkelblaue Jeans hineingesteckt hatte und sah somit wie immer zum Anbeißen aus.

"Wie geht es dir heute?" Er lächelte breit, wobei seine blauen Augen gleich viel lebendiger wirkten.
"Hm-", schulternzuckend sah ich zur Seite.
"Wie soll's mir hier schon gehen?"
"Alexander. Ich bitte dich um eine Antwort, welche ausnahmsweise mal nicht sarkastisch oder ironisch gemeint sein soll. Also nochmal: Wie geht es dir?"

Ich mochte es nicht, wenn er mich mit meinem vollen Namen ansprach. Daran erkannte ich immer sofort, dass ich ihn verärgert haben musste oder er es wirklich ernst meinte. Doch es lag einfach in meiner Natur, ihm falsche oder freche Antworten zu geben.
"Oh, verdammt gut. Blendend. Bist du jetzt mein Therapeut oder sowas?" Augenverdrehend nahm ich auf dem Stuhl Platz, welcher vor dessen Schreibtisch stand, und hinter dem sich mein Sozialarbeiter setzte. Dieser musterte mein Gesicht misstrauisch.
"Hey, du weißt, wie ich das meine. Ich interessiere mich bloß für dein Wohlergehen", antwortete er aufrichtig und holte währenddessen eine Akte aus einem Fach seines Schreibtisches. Wahrscheinlich meine.

Ich seufzte leise, setzte mich etwas schräg hin und legte meine Beine auf eine Ecke des Tisches. "Ich weiß."
Mein Gegenüber beobachtete mich derweil und runzelte die Stirn, nickte jedoch schließlich als er sich selbst zurücklehnte.
"Das darfst du aber nicht bei wem anderen bringen."
"Was?", fragte ich irritiert.
Daraufhin deutete er mit einem Stift in der Hand auf meine Beine und schaute mit gehobenen Augenbrauen zu mir.
"Achso... jaja, weiß ich." Abermals verdrehte ich die Augen. Manchmal fühlte ich mich durch ihn wirklich wie ein kleines Kind.
"Alexander, du weißt ganz genau, dass das hier kein Muss ist. Ich möchte dir bloß helfen, dich wieder in die Gesellschaft einzubringen; also etwas mehr Motivation, bitte."
Er setzte sich aufrecht hin und tippte in seinem PC etwas ein.
"Hmh. Wo waren wir beim letzten Mal stehen geblieben?"

Ich wollte aber dennoch hier sein, obwohl ich am liebsten mit niemanden etwas zu tun haben wollte.

Dessen Frage ausweichend, drehte ich den Kopf in eine andere Richtung.
"Ich weiß es nicht", murmelte ich und hoffte, dass er mir die Lüge abkaufte und es dabei beließ. Dabei zuckte ich mit den Schultern, um meine Ahnungslosigkeit zu unterstreichen und musterte ihn währenddessen kurz verstohlen.
"Hm..." Mein Sozialarbeiter presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen und starrte konzentriert auf seinen Computer, während er sich nachdenklich über den Bart strich.
Das leise, angenehme Geräusch seiner Bartstoppeln, jagte mir eine Gänsehäut über den Körper. Sofort senkte ich daraufhin beschämt den Kopf und hoffte, dass dieser Zustand bald wieder vergehen würde.

"Ach ja! Es ging um den zweiten Kurs, in den ich dich eintragen wollte. Hast du dich denn schon entschieden? Es stehen immer noch Kunst, Literatur und die anderen Kurse zur Verfügung. Aber ich denke, die werden dich eher weniger interessieren."
Seufzend ließ ich meine Schultern betrübt hängen. Ich wollte in keinen weiteren dieser Kurse. Was sollte mir das schon bringen? Alle erzählten mir, dass ich somit ein besseres Verhalten zeigen könnte, sodass ich früher entlassen würde, doch glauben tat ich dies nicht gerade. Ich wusste ja nicht mal, worauf ich mich freuen könnte, wenn ich das Gefängnis in zwei Monaten verlassen durfte. Was würde schon auf mich warten? Genau, nichts. Alles, was ich hatte und mir etwas bedeutete, war hier.

Ich zuckte plötzlich zusammen, als Mr. Maddrox mich aus meinen Gedanken riss.
"Also der Sportkurs scheint dir anscheinend gut zu tun. Wie war das Training gestern eigentlich?", fragte er und versuchte es somit auf einer anderen Art und Weise, um aus mir schlau zu werden.
Ich zuckte die Schultern; das tat ich wohl ziemlich oft. "So wie immer."
Er nickte. "Für deine Gesundheit kannst du immer etwas tun. Zudem geht die Zeit schneller um und du bist abgelenkt von anderem Unfug", sagte er mit beschwichtigem Unterton.
"Und jetzt zieh hier keine bockige Spur, Alex. Wir wissen beide, dass du hier raus möchtest und ein normales Leben führen willst."
"Hmh", machte ich, unberührt von seinem Gerede. "Apropos Gesundheit, hast du vielleicht meine Zigaretten da?" Ich schaute den Mann mit dem markanten Gesicht, provokant an und schnaufte anschließend verächtlich als Antwort auf Letzteres.
"Du denkst das immer noch? Ein normales Leben?" Ich wandte den Blick ab und sah auf meine Hände, die mit verblassten Narben verziert waren und welche ich in meinem Schoß gefaltet hatte. Ich wusste nicht einmal, was ein normales Leben überhaupt sein sollte und konnte mich darüber also eigentlich bloß lustig machen.

Der Sozialarbeiter zog schließlich frustriert seufzend eine Schachtel hervor und legte sie vor sich auf den Tisch. "Du weißt wie das läuft, Alex."
Ja, wusste ich. Wenn ich kooperierte und mich nicht zu stur verhielt, bekam ich bei jeder Sitzung zur Belohnung eine Zigarette, die ich hier auch rauchen durfte, obwohl mein Gegenüber Nichtraucher war. Dieser musterte mich nun mit ernsten Augen.
"Du bist heute ziemlich angespannt. Ist etwas passiert, das ich wissen sollte?"
"Bin ich nicht", antwortete ich nach einer lang eingelegten Sprechpause. "Nein."
Ich nahm schließlich die Beine vom Tisch herunter und setzte mich vernünftig hin.

Er hob die Augenbrauen und reichte mir eine der Zigaretten.
"Komm schon, erzähl mir, was los ist. Irgendwas muss es ja geben."
Ich schaute überrascht zur Zigarette, da ich es nicht gewohnt war, dass er so schnell nach- und aufgab. Ich lehnte mich also vor und nahm sie entgehen, bevor er es sich anders überlegen konnte. Anschließend griff ich zum Feuerzeug, welches auf dem Schreibtisch lag.
"Es ist nichts." Nach hinten lehnend, zündete ich mir dann die Zigarette an.
"Warum glaube ich dir nicht?
Sonst bist auch nicht so-- nennen wir es desinteressiert." Er verschränkte vor seiner Brust die muskulösen Arme, sodass sein weißes Hemd, welches er an den Unterarmen hochgekrempelt hatte, zu spannen begann.

Dann nahm ich ein paar tiefe Züge und hustete kurz, als ich einen weiteren Blick auf ihn warf. Fuck, diese Venen. Warum tat er das? Okay, eigentlich konnte er nichts dafür.
Meinen Kopf schüttelnd, versuchte ich mich lieber auf den Qualm zu konzentrieren, welcher in der Luft aufstieg und sich allmählich verflüchtigte. Anschließend sah ich wieder zu dem Mann vor mir und konnte ihn aufgrund des Rauches kaum erkennen.

"Vielleicht, weil ich lüge?"

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanWhere stories live. Discover now