24 | Urteil

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Als wir außerhalb des Saals auf dem Flur standen, kam Silas langsam auf mich zu. Seine Stirn war in Falten gelegt.
"Hey, können wir kurz reden?"
"Wies-", setzte ich zur Frage an, brach diese vorher aber ab und murmelte stattdessen ein Okay.
"Was denn?"
"Ich- das mit dem Zimmer steht bei mir noch", fing er an und fuhr sich für einen Moment kurz durch seine dunkelbraunen Haare.
"Du bist mir echt wichtig. Ich möchte nicht, dass du mit... nichts auf der Straße hockst. Oder unter einer Brücke und anschließend in die nächste Scheiße der Drogenlaufbahn gerätst."

Ich zog verwirrt die dunklen Augenbrauen zusammen. All das, was Silas aufzählte, habe ich nie in Erwägung gezogen, geschweige denn daran gedacht.
"I-ich... nein, ich will nicht, dass du dich unwohl fühlst."
"Ich fühle mich nicht unwohl. Ich will es so", meinte er ernst und schaute mir dabei in die Augen. Doch ich konnte seinem Blick nicht standhalten, weshalb ich mit hoffnungsloser Miene den Kopf schüttelte und auf den Boden blickte.
"Keine Ahnung..."
"Willst du es oder willst du es nicht? Sieh mir in die Augen und beantworte es", sagte er in einer ruhigen Tonlage, was aber trotzdem fordernd klang.
Leise schluckend tat ich ihm diesen Gefallen, indem ich zu ihm aufschaute. Natürlich wollte ich es, ich wollte es immer, weil ich liebte. Mein Herz schlug schneller, als ich die nächsten Worte laut aussprach.
"Ich... ich will."

Silas nickte und atmete erleichtert aus.
"Dann sehen wir uns definitiv später an meinem Wagen."
"Oh... eh schon?", meinte ich perlex.
"Aber es ist doch noch gar nichts entschieden."
"Glaub mir, es sieht sehr gut aus. Jeder in diesem Raum ist sich dessen bewusst."
"Wenn du meinst." Ich ließ meine Schultern hängen und setzte mich schließlich auf einen Stuhl. Dann stützte ich meinen Kopf mit beiden Händen ab und schloss die Augen.
Ich konnte hören, wie Silas neben mir Platz nahm und sich zurücklehnte, da der Stuhl dabei ein knirschendes Geräusch von sich gab.
"Stressig."

"Ja", erwiderte ich leise. "Ich bin müde." Ich rieb mir die Augen und richtete mich auf, um mich auch entspannter hinzusetzen. Dann blickte zu Silas hinüber. Es war so komisch mit ihm zu reden, so, als ob nichts passiert wäre.

"Hast du nicht genug geschlafen?", fragte er sorgsam, worauf ich etwas verächtlich schnaufte und meinen Blick abwandte.
"Tu ich doch nie", murmelte ich grimmig und wie ein kleiner Junge.
"Versuch loszulassen und zu entspannen." Er klopfte mir beruhigend auf die Schulter, doch ich zuckte bei der Berührung wie ein verschrecktes Tier zusammen, da ich es nicht kommen sah. Und dennoch setzte mein schlechtes Gewissen ein. Immer musste ich alles zerstören, einfach alles, selbst solche kleinen Momente. Nur weil ich so kaputt war. Genervt von mir selbst, atmete ich tief durch, um herunterzukommen. Es ist bloß Silas, du Vollidiot, sagte ich mir innerlich immer wieder, fast schon wie ein Mantra.

"Kann... kann ich nicht."
"Was hindert dich daran?", wollte er wissen, doch ich schwieg einfach.
"Hey, starte einen Neuanfang, Alex."
Ich verdrehte die Augen. Als ob es so einfach wäre!
"Jetzt fang du nicht auch noch damit an."
"Na ist doch so", er grinste. "Und hör auf, die Augen zu verdrehen."
"Nein, ist es nicht...", sagte ich leise und verdrehte meine Augen absichtlich noch einmal.
"Wieso?"
"Du kommst mit Sicherheit raus, freu dich doch. Oh und du kommst zu mir, mit Pizza und Bierpartys zu zweit." Er schmunzelte leicht und zuckte anschließend seine Schultern.
"Ich mag das nicht."

"Ich rede nicht vom "Rauskommen". Egal..." Ich hatte den Anschein, dass mich eh keiner verstand. Nicht mal mein Therapeut.
Mit zusammengepressten Lippen schaute ich an die Wand, während ich mir bildhaft vorstellte, bei Silas Pizza zu essen, und es gefiel mir.

"Wieso magst du es nicht?", unterbrach ich die Stille nach einer Weile.
"Weiß nicht."
"Hm... achso." Vermutlich hielt er es für unhöflich.

"Ja... und jetzt heißt es wohl abwarten."
"Wir tun das doch schon die ganze Zeit."
Er lachte kurz leise auf und nickte zustimmend.
"Ja, richtig. Geht es dir denn im Allgemeinen besser?"
Ich blickte gedankenverloren auf meine Hände hinab und fuhr mir mit dem Daumen über eine Naht.
"Keine Ahnung...", sagte ich schulterzuckend.
"Und körperlich?", fragte er als sein Blick ebenfalls auf meine Hände fiel.
"Sieht man ja", meinte ich nur und hob die in Handschellen gelegten Hände kurz demonstrativ nach oben.
Doch das war nur eine Kleinigkeit, wenn man dies mit meinen bereits vorhandenen Narben verglich.

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanDonde viven las historias. Descúbrelo ahora