14 | Häftlingsfreund

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Nachdem ich am Abend das Essen abgelehnt hatte, das sie mir anboten,
wachte ich am nächsten Tag mit trockener Kehle und hungrig auf.
"Guten Morgen", ertönte eine freundliche und weibliche Stimme.
"Eh... Hallo?", sagte ich etwas perplex und verschlafen, und suchte den Raum nach Dr. Donavan ab, welche sich um einen der anderen Insassen kümmerte.
"Wie geht es dir heute?" Sie trat schließlich heran, setzte sich auf die Bettkante und strich kleine blonde Strähnen hinter ihr Ohr.
"Gut?" Ich war mir selbst nicht sicher, ob dies gelogen war oder nicht.
Auf meinen Ellenbogen stützend, richtete ich mich ein wenig auf.
Die Ärztin nickte sanft und nahm das Stethoskop zur Hand.
"Darf ich?"
"Wieso?", murmelte ich fragend.
"Ich möchte nur kurz deine Vitalwerte kontrollieren." Sie setzte es sich dann auf und sah mich abwartend an, da sie auf eine direkte Antwort hoffte.
"O-okay." Ich schluckte leicht, presste dann die Lippen aufeinander und griff zur Sicherheit in das Laken.

Sie beugte sich vor und hörte dann vorsichtig meinen Rücken ab, indem sie es mir unter das T-Shirt schob.
"Okay, ruhig atmen."

Als das kühle Metall meine warme Haut berührte, zuckte ich leicht zusammen und versuchte anschließend ruhig zu atmen, verkrampfte mich aber unwiderruflich und schloss die Augen. Mein Körper erzitterte kurz unkontrolliert.
"Schh-- ganz ruhig", wies sie mich sanft an und strich zugleich über meine Hand, um mich abzulenken. Mit einem schnellen Atem, versuchte ich ihre Hand zu ergreifen, damit ich sie während des Ganzen festhalten konnte. Dann tat ich das, was sie von mir verlangte und hoffte dabei, dass es schnell vorbei sein würde.
Es dauerte einige Sekunden, für mich aber eine halbe Ewigkeit, dass sie das Stethoskop von meinem Körper nahm und sich langsam wieder aufrichtete. Ich öffnete schließlich die Augen, lockerte meine verspannte Körperhaltung und ließ dann langsam ihre Hand los.

"Soll ich dir irgendwas besorgen lassen? Ich hab gehört, du liest gerne."
"Nein, ich-", entgegnete ich ihr unsicher und wenig überzeugend. "Ja, doch. Ich habe Durst", gab ich schließlich zu und senkte den Blick.
"Und ... Wann kann ich gehen?"
"Vielleicht morgen. Ich muss noch sichergehen, das du keine schlimmen inneren Verletzungen hast, die sich entwickeln, sobald du in den Tag startest", erklärte sie mir ganz sachlich und nickte dann.
"Hast du Bücher in deiner Zelle?"
"Hm, ja eins." Ich nickte ebenfalls, aber langsamer.
"Oh, und Sport ist für einige Wochen auch nicht erlaubt!", fügte sie dann noch schnell hinzu und sah mich dabei tadelnd an. "Okay, wo liegt es?"
"W-wieso?" Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und schaute zu ihr hoch. "Auf meinem Nachttisch."
"Wegen deiner Prellungen und angebrochenen Rippen", erklärte sie ruhig und sah dann zu einer Schwester, die gerade den Raum betrat. Sie erzählte ihr von meinem Buch und bat sie, es mit einem Wärter holenzugehen.
Dann wandte sie sich wieder mir zu, während ich sie fassungslos anstarrte.
"Meine Rippen sind gebrochenen?", fragte ich direkt und sah augenblicklich an mir hinab. Was?!

Dr. Donavan nickte daraufhin bejahend. "Solange du dich aber nicht viel bewegst, geht das bald wieder." Sie reichte mir schließlich ein Glas Wasser, welches ich dankend annahm.
"Hast du Schmerzen?"
"Ein wenig", meinte ich schulternzuckend, damit es nicht zu ernst wirkte.
"Okay, warte kurz." Sie holte aus einem anderen Raum eine Spritze, welche sie mit einem Schmerzmittel aufzog und es mir dann anschließend durch die gelegte Nadel injizierte. Danach warf sie einen kurzen Blick auf die Uhr, welche über der Tür des Krankenzimmers hing.
"Ich muss sofort kurz weg, danach komm ich aber wieder, okay?"
"Okay", sagte ich leise und sah sie mit großen braunen Augen an.
"Sehr gut. Dir wird gleich ein Frühstück gebracht, Mittag darfst du selbst wählen." Sie lächelte mich an und strich mir leicht über den Arm, wodurch sich kurz meine Haare aufstellten. Ich räusperte mich und nickte. "Ok, danke."
Mir war klar, dass sie es nur mütterlich meinte, aber genau das war mein Problem. Meine Mutter-- nein, daran wollte ich gar nicht erst denken. Kopfschüttelnd drehte ich mein Gesicht weg.

* * *

Nachdem Dr. Donavan gegangen war, bekam ich mein Buch und das versprochene Frühstück. Und während ich sitzend und gedankenlos aß, blättere ich auf die nächste Seite des Dramas und las weiter.
Als ich nach einer Weile genug hatte, schob ich das Tablett von mir weg und trank anschließend mein Wasser. Dann griff ich zum Kissen und schüttelte dieses auf, sodass ich für meinen Kopf eine Erhöhung hatte und so besser lesen konnte, sobald ich mich wieder hinlegte.

Doch diese Ruhe wurde wieder gestört als sich ohne ein ankündigendes Klopfen die Tür öffnete und Silas hereintrat. An dessen Miene konnte man deutlich erkennen, dass er nicht sonderlich gut gelaunt war. Das blaue Auge, welches er durch mich erhalten hatte, unterstrich dies außerdem noch einmal.
Ich klappte daraufhin das Buch zu und umklammert es anschließend mit den Fingern als wenn es mich irgendwie schützen würde. Aber wozu brauchte ich eigentlich Schutz? Ich war in Sicherheit.

"Morgen", sagte Silas dann mit rauer Stimme und trat heran.
"Wie geht es dir?"

"So, wie ich aussehe", murmelte ich, schaute weg und drückte das Buch an mich.
Mein Gegenüber nickte leicht. "Beschissen also", sprach er leise für sich selbst.
"Ich gebe heute den Bericht ab."

"Was-- was für einen Bericht?"

"Wegen all dem, was passiert ist", erklärte er noch einmal und zeigte dabei auf sein Veilchen und auf mich selbst.
"Ich erzählte dir doch gestern bereits davon."
"Oh." Es fiel mir so langsam wieder ein.
"Aber-- was machst du hier?"
"Dich besuchen offensichtlich und naja, ich arbeite hier." Er atmete durch und man merkte ihm an, dass es ihm auch nicht gerade leicht fiel, mit mir zu reden.
"Was ist los, Alex?"
Ich schüttelte den Kopf mit geschlossenen Augen. "Nein, ich meine... hier." War denn alles umsonst, was ich riskiert hatte?
"Immer noch meinen besten "Häftlingsfreund" besuchen", antwortete er trocken und zuckte mit den Schultern.
"Du bist mir einfach ans Herz gewachsen, Alex. Egal, was passiert, du kannst es nicht versauen."
Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich ihn endlich an.
"Was? Aber-" Ich schluckte leise und redete dann eher mit mir selbst.
"Dann war ja alles umsonst... ich-" Kopfschüttelnd sah ich nach unten.
"Geh- geh einfach."
"Alex. Jetzt sei ehrlich zu dir selbst und sag mir ins Gesicht, dass ich gehen soll", sprach er ruhig und musterte dabei mein Gesicht.

"Na das sagt mehr als alles andere", meinte Silas schließlich als er keine Antwort bekam.
"Und was?", murmelte ich etwas verärgert.
"Du möchtest, das ich bleibe. Und warum auch immer du von dem Gegenteil erzählst oder darum bittest, ich bleibe."
"Nein, geh", sagte ich nach einer Weile.
"Okay", meinte er ziemlich unbewegt und ging dann sehr langsam Richtung Tür, in der Hoffnung, dass ich ihn aufhielt. Und zugegebenermaßen schaute ich ihm tatsächlich fassungslos hinterher.
"Warte. Kannst- kannst du nochmal fragen gehen, wann ich... wieder zu meiner Zelle kann?" Ja, ich war verdammt vergesslich.
Silas blieb stehen und drehte sich zu mir um. "Dafür müsste ich dann aber wiederkommen. Aber ich glaube, ich sollte gehen."
"Hm, ja danach", murmelte ich und zwang mich ihn nicht anzusehen.

"Dann kann ich ja direkt bleiben", sagte er und ging los, ohne auf meine Antwort zu warten.

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanWhere stories live. Discover now