13 | Männerbesuch am Krankenbett

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"Alexander?", sprach eine bekannte Stimme. Dann wieder, und wieder. Nur diese Male mit deutlicherer Betonung, woraufhin ich meine Augen zusammenkniff und anfing - noch im Halbschlaf - leise zu nörgeln. Ich öffnete sie jedoch einen Moment später, drehte der Person mein Gesicht zu und wollte eine Hand zu dieser heben, wurde aber von den Handschellen abgehalten.
"Hm?"

Vor mir stand kein gewisserer als mein Psychotherapeut höchstpersönlich, welcher in einer Anzughose und weißem Hemd gekleidet war. Sein Jackett hing locker über dessen angewinkelten Arm. Er besaß außerdem grau laminierte Haare, einen gepflegten Bart und eindrucksvolle grüne Augen, wessen Blick sich in mich hineinbrannte. Zudem trug er eine moderne schwarze Brille. Kein Wunder also, dass ich mich ausgerechnet in das gleiche Geschlecht verlieben musste, wenn ich nur von attraktiven Männern umgeben war.
"Oh, Dr. Myers", murmelte ich und fuhr mir müde durch das zerzauste Haar.

"Ich lasse sie beide jetzt alleine", sagte Dr. Donavan leise, die anscheinend auch anwesend war und verließ dann aber gleich wieder das Zimmer.
Dr. Myers nickte leicht. "Ja, danke."
Dann zog er sich einen Stuhl heran, setzte sich und schaute wieder zu mir.
"Wie geht es dir?"

"Super. Mir ging's nie besser", grinste ich falsch und kassierte dafür einen Blick von meinem Therapeuten, der ausdrückte, dass er nicht für Scherze aufgelegt war.

"Die Ärztin meinte, du hättest im Schlaf gesprochen." Er lehnte sich zurück und stellte seine Aktentasche neben dem Stuhl ab.
"Was denn?", wollte ich wissen, während ich ihn verwirrt bei seinem Tun beobachtete.
"Den Namen deines Sozialarbeiters "Silas" und kurz darauf "geh nicht". Alexander, du willst nicht, dass er dich verlässt. Warum hast du ihn dann geschlagen?"

Ich schnaufte kurz und sah wie immer stur weg, weil es mir unangenehm war. Woher wusste er überhaupt, was vorgefallen war?! Die Beiden redeten bestimmt hinter meinem Rücken miteinander - schon wieder.

"Alexander." Er schaute mich erst ernst an, versuchte es dann aber auf eine sanftere Art. Doch ich zuckte lediglich nur leicht mit den Schultern. Normalerweise erzählte ich ihm immer alles, weil ich Angst vor den Konsequenzen hatte, wenn ich es nicht täte - obwohl ich wahrscheinlich gar keine bekommen würde. Aber dieses Denken hatte sich von damals noch in mein Hirn eingebrannt und wollte sich auch nicht mehr löschen.
"Genau deswegen. Ich wollte, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will." Nachdem ich resigniert die Schultern straffte, wich ich dessen Blick aus. Wie ich es hasste über meine Gedanken und Gefühle zu reden! Man fühlte sich dadurch so verletzlich.

"Wieso? Ich dachte, ihr versteht euch so gut?", fragte der Therapeut etwas verwirrt und schaute mich dabei eine Weile an, um meine Reaktionen genauestens einschätzen zu können.
"Lassen Sie's einfach", wich ich ihm aus und drehte mich anschließend leicht weg, um ihm zu signalisieren, dass ich nicht weiterreden wollte.

Dr. Myers schüttelte den Kopf. Da er sich tiefenpsychologisch spezialisiert hatte, konnte er sich sowieso bereits einiges Mögliche denken. Also sollte er von mir aus auch ganz alleine darauf kommen.
"Alex, stell dich d-", versuchte er zu sagen, wurde jedoch von einem Klopfen an der Tür unterbrochen, welcher er sich kurz darauf zuwandte.

Silas erschien im Türrahmen und hielt in der Bewegung inne als er uns sah.
"Oh, eh- Kann ich kurz mit ihm reden? Es dauert auch nicht lange", versicherte er dem Therapeuten.

Ich schenkte zunächst dem Klopfen und der Person, die hineinkam, meine volle Aufmerksamkeit, wandte den Blick aber sofort ab als ich ihn erkannte. Mein Herz begann von Neuem schnell zu schlagen und ich hatte plötzlich das merkwürdige Verlangen danach wegzurennen. Und das würde ich auch tun, wenn ich mit den Handschellen nicht wortwörtlich an das Bett gefesselt wäre. Dr. Myers entging diese Reaktion natürlich nicht und presste die Lippen aufeinander als er Silas kurz zunickte und aufstand.
"Ja, natürlich."
Er lief schließlich an Silas vorbei zur Tür und aus dem Raum hinaus.

Der Sozialarbeiter nickte ebenfalls und ging dann langsam zum Bett, bei dem er sich an das Fußende stellte.
"Ich werde einen Bericht darüber schreiben, was passiert ist, aber... sagen, ich hätte dich provoziert. Ich meine, habe ich teils auch, aber ich möchte nicht, dass durch diese Konversation alles, was du dir mit Mühe aufgebaut hast, zugrunde geht, mit vier weiteren Jahren hier in diesem Bunker."

Ich wusste zunächst nicht, wie ich mich verhalten sollte und hörte ihm deshalb nur mit halbem Ohr zu, sodass dessen Gesagtes erst einmal zur Nebensache wurde. Als er dann verstummte, blickte ich kurz vorsichtig zu ihm auf und zog nach einigen Sekunden die Augenbrauen zusammen, sodass sich an meiner Nasenwurzel das typische V bildete.
"Bist du gar nicht wütend?"

Silas sah mich auf eine Weise verträumt an und schmunzelte kurz. Dann räusperte er sich und zuckte die Achseln.
"Hab schon Schlimmeres abbekommen", meinte er und lächelte anschließend.
"Hey, keine Ahnung was dich geritten hat, so zu eskalieren, aber es wird bestimmt schon seinen Grund haben, Alex."

Ich wollte mich freuen, mich aufsetzen und ihn am liebsten umarmen, bis der Mann vor mir daran ersticken würde, doch stattdessen spürte ich, wie sich die Flüssigkeit in meinen Augen ansammelte. Bevor es Silas sehen konnte, drehte ich mein Gesicht vorsichtshalber zur Seite.
"Nein ... Geh weg."
Mit so einer Reaktion hatte ich verdammt nochmal nicht gerechnet. Außerdem schien jetzt alles umsonst.

Silas schwieg für einen Moment, und versuchte zu begreifen, ob er etwas Falsches gesagt hatte, empfand es aber nicht so.
"Okay, dann sehen wir uns bestimmt", murmelte er und kratzte sich verlegen am Nacken.
Doch ich antwortete diesmal nicht, sah vor mir auf die Bettdecke und hoffte, dass wir es nicht tun würden: uns wieder sehen.

Dann wandte er sich letztendlich ab und verließ den Raum, sodass ich vollkommen aufgewühlt zurückblieb.

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt