44 | Seelenklempner

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Die Sonne stand tief im Himmel und vereinzelte Sonnenstrahlen schienen durch die hohen Baumkronen, die im Park stehen mussten. Sie tränkten die Stadt in ein orangefarbenes Licht und daran erkannte man, dass es später Nachmittag war.

Der Tag war geschafft und ich hatte einen guten Eindruck hinterlassen! Das war mir das Allerwichtigste.

Doch ich fühlte mich auch erledigt, wollte einfach nur noch in mein Bett. Ich wusste natürlich auch, woran das lag: Mir fehlte die tägliche Bewegung, ich war an nichts mehr gewöhnt. Vor einigen Wochen noch hatte ich mehrere Trainingseinheiten, die mich antrieben und motivierten, jeden Tag aufs Neue weiterzukämpfen und die ich jetzt zu vermissen begann.

Meine Gedanken lenkten mich noch eine ganze Weile ab, sodass ich erst relativ spät merkte, dass mein Handy die ganze Zeit in meiner Jackentasche vibrierte. Ich zog es schnell heraus, entsperrte den Bildschirm und überflog die Nachrichten. Die meisten davon waren bloß irgendwelche Aktualisierungen von Apps, jedoch fielen mir nach genauerem Hinschauen zwei Namen auf: Silas und Dr. Myers.
Verdammte Scheiße!

Ich klickte zuerst auf die Nachricht von Silas, die er mir bereits vor Stunden geschickt hatte. In dieser hieß es, dass er mir nochmal ganz viel Spaß wünschte und ich ihm schreiben soll, wenn ich Feierabend habe.

Und mein Therapeut hatte mich in einer halben Stunde zweimal angerufen, weshalb ich mich dazu entschied, gleich zurückzurufen. Ich schaffte es irgendwann, den grünen Hörer zu finden und zu betätigen, dann hielt ich mir das Handy an mein Ohr und wartete, während ich meine andere Hand in meine Jackentasche schob.

"Dr. Myers? Sie hatten angerufen", sagte ich schließlich, doch es klang aufgrund meiner Unsicherheit eher wie eine Frage.
"Ja, Alexander. Hör zu, hast du Zeit? Wir müssen mal wieder reden; vor allem wegen gestern-"

"Oh, ehm ... Okay. Ich muss aber erst Silas fragen." Ich biss mir nervös auf die Unterlippe.
"Ich denke, er hat damit kein Problem. Aber wie du willst. Meine Adresse kennst du ja jetzt schon."
"Hm, ja. Ich schreib ihm einfach und dann komme ich zu Ihnen", schlug ich dann vor, womit er zufrieden war. Er legte auf und ich tat es ihm gleich.

Hey, Silas
tut mir leid, dass ich die Nachricht erst jetzt lese. Ich hab gerade Feierabend, aber ich muss zu Dr. Myers. Kannst du mich später dann dort abholen oder soll ich alleine kommen?

Ich wartete einige Minuten auf eine Antwort, die aber nicht kam. Vielleicht hatte ich es falsch gemacht?

Mit einem besorgten Gesichtsausdruck schob ich das Handy zurück in meine Jacke und ging dann zu meinem Therapeuten. Für den Weg brauchte ich eine Viertelstunde, doch diese reichte, dass ich wie am Spieß zitterte. Verdammte Jahreszeit! Und ausgerechnet in dieser hatte ich Geburtstag.

Im Inneren des Gebäudes wurde ich von einer angenehmen Wärme umhüllt, meine Jacke wollte ich aber noch nicht ablegen.

"Alexander!", rief Dr. Myers in seiner typisch rauen Stimme, der ich augenblicklich all meine Aufmerksamkeit schenkte. Er kam in einem maßgeschneiderten grauen Anzug auf mich zu und hielt mir seine Hand hin, die ich ohne Zögern ergriff.

"Wie geht es dir?", war die erste Routinefrage, die er mir stellte. Dieses Mal antwortete ich aber anders, als sonst: "Ehrlich gesagt richtig gut."
"Hm, das überrascht mich, muss ich gestehen. Aber komm erst einmal mit; ich möchte nicht, dass jemand anderes unser Gespräch mit anhört."

Ich stimmte ihm zu, als ich einen flüchtigen Blick in das Wartezimmer warf, das sich rechts von mir befand. Dann ging er voran und ich folgte ihm in sein Büro, wo ich mich gegenüber von ihm auf die Couch setzte.

"Warum überrascht es Sie, Dr. Myers?", wollte ich wissen und legte meinen Kopf neugierig schief.
"Mr. Maddrox erzählte mir von gestern. Von der Bar, seinen Freunden und diesen Kerlen, die dich angegriffen haben."
"Sie haben mich nicht-"
"Doch, das haben sie, Alexander. Verbale Belästigung nennt sich das. Du kannst sie dafür sogar bei der Polizei anzeigen."

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanWhere stories live. Discover now