20 | Einseitige Liebe

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"Keinen Hunger?", kam es wie aus dem Nichts, weshalb ich vor Schreck zusammenzuckte. Anscheinend hatte ich nicht gehört, wie Silas zu meiner Zelle gekommen war.

Um ihn durch die Gitterstäbe anzusehen, stützte ich mich auf meine Ellenbogen und antwortete dann kurz und knapp. "Nein."

"Pech aber auf. Dann muss ich den jetzt wohl wegbringen", sagte er, während er dabei seinen Nachtisch aus der Cafeteria hochhielt und mir anschließend durch das Gitter reichte.

Frustriert nahm ich ihm den Joghurt ab, damit er nicht wieder mit mir diskutierte und stellte es anschließend auf den Nachttisch.

Silas lächelte sofort sanft und lehnte sich an das Gitter. "Tut mir leid, was ich da gesagt hab heute in der Cafeteria. So war das nicht gemeint."

Wie denn dann? Ich stützte mich mit den Händen an der Bettkante ab und schaute zu Boden.

"Ist alles okay bei dir?", wollte er sich erkundigen, da er merkte, dass ich nervös war und schickte mit einem kurzen Nicken den Wärter weg, der neben meiner Zelle immer seine abendliche Wache hielt.

"Mir geht's gut", wimmelte ich seine Frage ab.

"Sicher? Du warst nicht mal beim Essen."

"Hatte einfach keinen Hunger." Schulternzuckend hob ich meine Hand und strich mir am Hinterkopf durch die kurzen Haare.

"Du kannst mir alles sagen. Ich hoffe mal, das weißt du noch."

"Nein, kann ich nicht", unterbrach ich ihn leise und sah ihn dabei nicht an.

Mir wurde auf einmal total schlecht. War jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt? Ich denke schon. Wenigstens konnte er nicht hier rein, falls ihm nicht gefiel, was er gleich von mir zu hören bekam.

Mit zittrigen Beinen erhob ich mich vom Bett und stellte mich mit dem Rücken an die Wand, dann richtete ich meinen Blick kurz auf Silas und schluckte meine Angst hinunter, sodass bloß noch der blanke Mut blieb. Das Unterdrücken meiner Gefühle brachte mich in den Wahnsinn.

"I-ich kann nicht bei dir einziehen, weil-" Verdammt!
"-weil ich mich in dich verliebt hab'." Mir stiegen heiße Tränen in die Augen als ich es endlich zugab. Doch ich konnte ihm nicht in seine Augen sehen, und richtete daher meinen Blick auf den Boden.
"Es-- es tut mir leid. Ich-"
Mit dem Handrücken mir über die Augen streichend, begann ich zu schluchzen und ließ mich mit dem Rücken an der Wand hinuntergleiten.
"Ich wollte nicht; ich weiß, es ist falsch."

Hastig atmend, zog ich die Beine schützend an mich und bekam mich gar nicht mehr ein. Ich wollte einfach nur noch weg oder im kalten Beton dieser kahlen Zelle versinken.

"Hey, hey-- Nein, es ist okay", sagte Silas, welcher versuchte die Situation zu begreifen und mein dummes Gefasel nachzuvollziehen.
"Beruhige dich, bitte! Es ist okay, wirklich. Wir leben im 21. Jahrhundert, es ist okay", wiederholte er wie ein Mantra, doch es half nichts. Wie konnte er nur so gut sein? Nein, ich verdiente ihn nicht.

"Es verändert nichts im Negativen zwischen uns." Er hockte sich vor das Gitter und versuchte Blickkontakt zu mir aufzunehmen.
"Atme tief durch, Alex", bat er mich.

"N-nein", schluchzte ich verzweifelt, drückte meine Stirn gegen meine Knie und versuchte meinen bebenden Körper unter Kontrolle zu bringen. Ich war so erbärmlich.

"Jetzt sieh mich an, Alex!", sprach er etwas lauter, aber trotzdem mit einem Ton von Besorgnis in der Stimme.
"Bitte..." Es klang beinahe hilflos. "Ich möchte dir helfen."

Ich zuckte aber zusammen und hob meinen Kopf an, wobei in meinem Blick etwas panisches und ängstliches lag. Meine Augen waren rötlich und feucht und es fiel mir schwer, dessen Blick standzuhalten.

"Atme tief ein und aus. Ganz langsam", flehte er fast und ich versuchte es daraufhin, hielt es aber nur weinige Sekunden lang durch, da ich das Gefühl hatte, dass Silas aufgrund der intensiven Blicke bis auf meine geschundene Seele schauen konnte. Ich schämte mich sowieso schon genug. Als ich den Kopf senkte, landeten Tränen auf meine Kleidung.
"Nein... geh." Ich konnte einfach nicht klar denken.

"Soll ich wirklich gehen? Oder ist es nur aus Scham?"

Ich erwiderte darauf nichts, vergrub meine Hand in den Haaren und drehte meinen Kopf zur Seite, welchen ich schließlich hinter meinen Arm versteckte.

"Alex, bitte", versuchte er es erneut, ich schüttelte aber meinen Kopf.
"Es ist wirklich nicht schlimm, okay?"

Doch, für mich war es mehr als nur schlimm ist, da ich nicht wusste, wie man sich "entlieben" konnte.

Schließlich hob ich meinen Kopf und musterte den Mann vor mir vorsichtig.

"Es ist okay", versicherte er mir noch einmal sanft und beobachtete mich dann für einen Moment.
"Geht's langsam wieder?"

"J-ja", log ich, da mir nichts anderes mehr übrig blieb. Ich räusperte mich leise und sah wieder weg.

Silas nickte leicht. "Leg dich schlafen. Wir reden morgen über alles, okay?"

"Nein", sagte ich leise. Ich wollte nicht darüber reden, sondern es lieber verdrängen.

Außerdem war mir kalt geworden und meine Augenlider gaben langsam den Geist auf. Aber das war mir egal, ich würde nicht nochmal riskieren, dass ich von meinem Vater träumte. Ich ließ schließlich die Arme sinken und stand mit Mühe auf.

"Ok, dann ignorieren wir es einfach, was auch immer du möchtest. Ich richte mich da definitiv nach dir, jedoch bin und werde ich dir nicht dafür böse sein."

Ich lehnte mich mit der Schulter und der Schläfe gegen die Wand an und schloss für einen Moment die Augen. Ich war mir sicher, dass er bald den Zusammenhang verstehen würde. Weshalb ich ihn geschlagen hatte und aus dem Weg gehen wollte.
Total ratlos und verzweifelt, bat ich ihn schließlich zu gehen. "Bitte."

So wollte ich ihm nicht noch einmal unter die Augen treten. Nie wieder.

"Okay, bis morgen und leg dich etwas schlafen. Oh und vergiss den Nachtisch nicht." Und dann verließ er mich.

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanWhere stories live. Discover now