38 | Mr. Reed

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"Normalerweise schreibt man immer eine Bewerbung und schickt diese dann mit einem Foto, dem Lebenslauf und Zeugnissen ab. Dann wartet man, dass man eine Einladung auf ein Bewerbungsgespräch bekommt und wenn dieses vollzogen ist, hat man in den nächsten Wochen entweder eine Absage und Zusage und man kann irgendwann den Vertrag unterschreiben kommen.
Dieser Bibliothekar gab aber an, dass dies nicht notwendig ist und er ein sofortiges und persönliches Gespräch lieber vorzieht, weil er so schnell wie möglich Hilfe benötigt. Du hast also gute Chancen", erklärte Silas gelassen, als wir bereits im Auto saßen und in die Innenstadt fuhren.

Mich verwirrte dies aber nur noch mehr. "Na toll", grummelte ich, weshalb Silas leise lachte.
"Ach, Alex."
"Was ist denn?", fragte ich trotzig.
"Nichts, alles gut", grinste er verschmitzt. Anscheinend amüsierte ich ihn, aber das war mir egal. Sein Lachen war es mir wie immer wert.
"Jaja, wer's glaubt."

Der Buchladen befand sich gleich neben einem Eiscafè und in der Nähe eines Parks. Also hatte er eigentlich eine perfekte Lage, um sich über Wasser zu halten, denn an Kundschaft würde es nie fehlen. Und das merkte man auch, als wir in diesen eintraten. In jeder Ecke standen Menschen, kein Wunder also, dass man hier überfordert werden konnte, wenn man sich vollkommen alleine um das Ganze kümmerte.
Doch das beste war, dass der intensive Geruch nach Büchern eine bestimmte Wirkung auf mich hatte. Es war wie eine verdammte Droge und mir war es egal, wie bescheuert das klang!

"Alex", sagte Silas leise, um meine Aufmerksamkeit zu erhalten.
"Hm?"
Er antwortete nicht mit Worten, sondern deutete mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung. Ein älterer Herr in normaler Alltagskleidung kam auf uns zu und reichte erst mir und dann Silas die Hand. Sie fühlte sich im Gegensatz zu meinen rauen und vernarbten Händen, weich an, obwohl ich den Mann auf Mitte fünfzig schätzte.

"Hallo, ich bin Oscar Reed und besitze diesen kleinen, aber feinen Laden hier. Seit fast dreißig Jahren!", stellte er sich selbst und sein Geschäft kurz stolz vor. Dabei strahlten seine grauen Augen förmlich, obwohl ich es mir bei dieser Farbe nicht vorstellen hätte können. Und dennoch taten sie es.
"Sie müssen diejenigen sein, die angerufen haben."

"Ja, eh... ich bin Alexander Parker, freut mich", sagte ich freundlich und schaute dann unsicher zu Silas, der lässig vor sich hinlächelte und die Hand des Älteren losließ.
"Silas Maddrox. Genau, wir haben miteinander geredet."

"Parker? Der Häftling, der vor einigen Tagen eine Gerichtsverhandlung hatte?" Der braunhaarige Mann zog seine dunklen Augenbrauen zusammen und musterte mich mit einer gewissen Vorsicht, als mein Puls rasant anstieg und sich aufkommende Panik in mir ausbreitete, die mich schwer schlucken ließ. Er hatte die Zeitungen gelesen!
Ich wollte mich umdrehen und wegrennen, wurde aber an meinem Arm festgehalten, als Silas mein Vorhaben bemerkte.
"Ja, genau der", antwortete er dann für mich und lächelte dabei überzeugt.

Mr. Reed nickte langsam, schien darüber nachzudenken, ob er wirklich einen wie mich in seinen Laden lassen sollte.
"Na dann... Kommt erstmal mit."

Ich stieß meinen Atem erleichtert aus und spürte, wie Silas meinen Arm langsam losließ. Wir folgten dem Mann in sein Büro, welches sich hinter der Theke befand, und nahmen anschließend auf den Stühlen Platz, die er uns anbot.

Es war sehr unordentlich, aber dennoch gemütlich eingerichtet. An den Wänden standen Regale und Schränke aus dunkelbraunen Holz, in denen sich unzählige Bücher befanden. Neben dieser Möbel lagen ältere Bücher auf dem Boden herum, manche waren gestapelt und türmten sich sogar bis an die Decke.

"Entschuldigen Sie bitte die Unordnung", sagte Mr. Reed, als er unsere Blicke bemerkte.

"Kein Problem, ich find's gemütlich", kommentierte ich dies alles und bekam dafür ein leichtes Lächeln des älteren Mannes geschenkt.

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanWhere stories live. Discover now