42 | Hoffnung

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Ich lief den Bürgersteig entlang, wobei ich mich an den Linien der grauen Steinplatten orientierte. Denn mein Sinn für das Gleichgewicht war geschwächt und mein Schädel dröhnte leicht. Doch dafür, dass ich zum ersten Mal richtigen Alkohol getrunken hatte, schlug ich mich meiner Meinung nach wacker. Jetzt durfte ich mich nur nicht vor all diesen Menschen übergeben und musste heile an meinem Ziel ankommen. Und das schaffte ich nach einer ganzen Weile auch, denn als ich schließlich bei Silas angekommen war, hielt ich mich mit einer Hand am Türrahmen fest und ließ die andere mit meinem ausgestreckten Zeigefinger vor der Türklingel schweben. Ich drückte mehrmals darauf und versuchte irgendeine Melodie zu erzeugen, die ich irgendwo mal gehört hatte. Dabei grinste ich wie ein Idiot, der ich ja auch war.

"... keine Ahnung, wo er steckt!", knurrte jemand wütend, als die Tür plötzlich schwungvoll geöffnet wurde.
"Alexander!" Silas nahm sein Handy vom Ohr und legte auf, ohne den Blick von meinem Gesicht zu nehmen. Anschließend warf er es achtlos auf die Kommode, die neben ihm stand.

"Verdammt, wo warst du?! Komm rein", ordnete er mit einem Ton an, der bis jetzt nichts verriet und ging einen Schritt zur Seite, damit ich seiner Bitte nachgehen konnte.

"Wo warst du, Alexander? Du riechst wie ein Schnapsladen!" Sobald ich meine Füße über die Schwelle gesetzt hatte, schmiss er die Tür hinter mir zu, sodass ich zusammenzuckte und mein Zittern sich von allein einstellte.

"T-tut mir leid. Ich- ich mach's wieder gut. Alles, alles mach ich wieder ... gut", stammelte ich unsicher vor Angst, doch es fiel mir schwer, mich bei diesem Schwindelgefühl zu konzentrieren.

"Alex-", setzte er im drohenden Ton fort, sodass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief.
"Ich habe mir Sorgen gemacht! Schon wieder. Du kannst nicht immer abhauen und dann wieder angetanzt kommen, als ob nichts passiert wäre. Das-"

"Schhh- bitte", drängelte ich ihn dazu, mit dem Reden aufzuhören und legte dabei einen Finger auf dessen Lippen. "Ich- ich mach es wieder gut", wiederholte ich nuschelnd, während meine Gedanken wie benebelt waren. Meine andere Hand suchte derweil ihren Weg zu dessen Hosenbund, hinter den ich meine Finger schob, als ich gleichzeitig auf meine Knie ging. Ich öffnete seinen Gürtel, ohne zu wissen, wie man dabei eigentlich vorging, wurde aber unterbrochen, als sich Silas seine warmen Hände auf meine legten und sie in einem festen Griff hielten.

"Alexander, was machst du da, bitte?!" Ich schaute irritiert zu ihm auf und erkannte dabei, dass seine blauen Augen weit aufgerissen waren.

Er wollte mich nicht, wollte mich nie. Ich wollte doch nur meine Fehler begleichen, doch stattdesssen hockte ich hier auf meinen Knien und hatte mit den Tränen zu kämpfen, die in meinen Augen brannten. War das etwa der verdammte Alkohol?!

Mein Griff lockerte sich an dessen Gürtel, sodass auch er meine Hände freigab.
"E-es ... tut m-mir leid. S-silas ...", schniefte ich verzweifelt, "i-ich wollte nur- nur ... V-vielleicht wollten sie mich nicht ... K-keiner will mich."

Mein Kopf wurde schwerer, weshalb ich ihn senken musste. Doch am liebsten hätte ich mich auf die Seite gedreht und zusammengerollt - so klein, wie ich nur konnte. Ich hatte nicht einmal bemerkt, wie Silas in die Hocke gegangen war und seine Hände auf meine Schultern ablegte. Ich reagierte nicht, weil ich nicht wollte und mich schämte. Als auch mein Gegenüber das spürte, legte er mir seine raue Hand unter das Kinn und zwang mich, ihn anzusehen, indem er von unten leichten Druck ausübte.
"Hey, sieh mich an."

Der Ältere legte nun beide Hände an mein Gesicht und strich mit seinen Daumen über meine nassen Wangen. Unter der Berührung wurde ich augenblicklich schwach und gab einen ergebenden Laut von mir. Meine Stimme erzitterte dabei beim Ausatmen, doch in diesem Moment war es mir egal.

𝖠𝖻𝗀𝖾𝖿𝗎𝖼𝗄𝗍 𝗐𝗂𝖾 𝖠𝗅𝖾𝗑𝖺𝗇𝖽𝖾𝗋 | manxmanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt