•UMZUG•

1.8K 92 58
                                    

Ich hasse Umzüge. Fragt nicht warum. Es ist einfach so. In den meisten Fällen bedeuten sie Veränderung. Ich mag keine Veränderung. Besonders nicht in meinem Fall. Ich möchte nicht irgendwo neu anfangen. Ich mochte mein altes Leben. Das Haus. Die Freunde. Mein Hobby. Jetzt bin ich gezwungen diese Dinge in meinem Leben neu zu finden. Es dauert meistens eine Ewigkeit, bis ich mich in einer neuen Umgebung wohlfühle. Ich neige dazu, alles mit meinem alten Leben zu vergleichen.

Unser Auto kommt zum Stehen. Wir sind angekommen. Ich schaue aus dem Fenster und erblicke mein neues Zuhause. Es ist klein. Nicht so groß, wie das Haus, in dem ich davor gewohnt habe. Die Farben sind schlicht und neutral gehalten. Unauffällig. Es sieht aus wie jedes andere Haus in der Straße.

Ich öffne die Autotür, nehme meinen Rucksack, und steige aus. Ich bleibe auf dem Bordstein stehen und betrachte mein neues zu Hause näher. Alles sieht ordentlich und gepflegt aus, als hätte vor uns keiner in dem Haus gewohnt. Mein Dad hat es entweder als Neubau gekauft, oder es renovieren lassen.

Eine Hand legt sich auf meine Schulter. "Wie gefällt es dir hier?"

"Ganz gut, schätze ich mal." Ich weiß nicht was ich sonst darauf antworten soll. Denkt er, ich springe vor Freude in die Luft? Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht meinen Unmut preiszugeben. Schließlich hat er es für uns beide gekauft und da möchte ich nicht seine Stimmung vermiesen, in dem ich sage, dass ich wieder zurück möchte.

Mein Vater nimmt seine Hand runter und läuft den steinigen Weg zur Haustür entlang. Er zieht aus der Hosentasche einen Schlüssel hervor und schließt die Tür auf. Ich gehe ihm zögerlich nach. Wie mag es wohl drinnen aussehen? Ist es fertig möbliert? Oder erwarten mich nur kahle Wände, die mich anstarren.

Zu meiner Verwunderung begegne ich keinen leeren Raum. Im Gegenteil. Neue Möbelstücke stehen an Ort und Stelle. Als wir von London nach Sydney gezogen sind, mussten wir mit ein paar Möbelstücken auskommen, ehe die neue Einrichtung geliefert wurde. Mein Vater hatte uns damals durch das Haus geführt. Es war nur auf das Geringste eingerichtet. Ein Sofa, ein kleiner Fernseher auf dem Boden. In der Küche gab es nur eine Herdplatte mit zwei Kochfeldern, eine Spüle sowie einen Mini-Kühlschrank. An der Küchenwand befand sich ein Tisch, jedoch ohne Stühle. Also haben wir immer auf dem Sofa gegessen. Egal zu welcher Tageszeit. Morgens. Mittags. Abends.

Die Badezimmer waren zu unserer Überraschung vollsaniert. Die ganzen Nächte über haben wir nur auf Matratzen verbracht. Unsere Kleidung waren immer noch in den Umzugskartons verstaut. So lebten wir für zwei Wochen. Erst dann kamen die neuen Möbel bei uns an. Meine Mutter hätte es keinen Tag länger ausgehalten. Für mich war es kein Problem. Ich bin in die Schule gegangen, habe neue Freunde kennengelernt und war die meiste Zeit draußen im Meer.

Ich wandere in unserem neuen Haus umher und schaue mir alles an. Die Umzugsfirma war schnell. Es stehen nur vereinzelt Kartons in den Ecken. Voll mit Büchern, Küchenutensilien oder Kleidung.

Mein Magen grummelt und ich gehe in die Küche. Ich öffne den Kühlschrank und stelle fest, dass er außer ein paar Wasserflaschen, leer ist. Wir müssen dringend Einkaufen fahren. Später können wir Abendessen vom Lieferanten bestellen. Chinesisch oder mexikanisch.

Um den Hunger zu überbrücken, laufe ich weiter umher. Alles sieht so modern und perfekt aus. So, als ob es ein Profi zusammengestellt hätte. Mein Blick schweift weiter durch den Raum und stößt auf eine große Glastür. Sie gibt den Blick auf die Terrasse frei. Voller Neugier gehe ich darauf zu und öffne sie mit vollem Schwung. Vorsichtig trete ich heraus.

Die frische, salzige Meeresluft füllt meine Lungen. Ich atme tief ein und schließe für einen Augenblick die Augen. Für einen kleinen Moment ist es still um mich herum. Nur der Klang der Wellen ist zu hören. Eine Ruhe durchströmt mich und lässt mich für einen Augenblick an mein altes zuhause erinnern. An all die Momente, welche ich am Strand und in den Wellen verbracht habe. Dort war ich wirklich glücklich und musste mich nicht verstellen. Jetzt, versuche ich es meinem Dad recht zu machen und spiele sein Spiel von „heiler Welt" mit.

Mit schwerem Herzen öffne ich meine Augen wieder. Ich schaue mich weiter um. Weiße Türme aus Sand liegen kilometerweit vor mir. Die Dünen sind mit einer feinen Schicht Gras, für den Schutz, bedeckt. Dahinter erstreckt sich der gewaltige Pazifik.

Ein Lächeln schleicht sich auf meinen Lippen. Ich denke es ist Zeit, dass zu machen, wofür ich bestimmt bin. Ich muss meiner Leidenschaft folgen. Meiner Bestimmung. Ich brauche nur mein Surfbrett. Dann würde ich bis spät in den Abend die Wellen reiten. Ohne eine Pause zu machen. Ich würde mich so lebendig fühlen. Wie früher. Ansonsten halte ich es hier keinen Tag länger aus.

Leider habe ich die Rechnung ohne meinen Dad gemacht. Er steht neben mir und beobachtet mich. Er kennt meine Absicht. "Das kannst du vergessen, Violet. Erst wird ausgepackt und gegessen. Wenn dann noch Zeit übrig ist, darfst du gehen. Vorher nicht. Morgen ist dein erster Schultag. Ich will nicht, dass du ihn verpasst."

„Du weißt, dass ich keinen längeren Zeitraum ohne das Surfen aushalte", kontere ich.

„Du weißt auch, dass ich dein Dad bin und du noch minderjährig bist. Also bin ich für dich zuständig und solange du hier wohnst und deine Füße unter meinem Tisch hast, folgst du meinen Anweisungen. Du weißt, ich will nur das Beste für dich. Es ist eine harte Zeit, die wir durchmachen, doch das bekommen wir gemeinsam hin. Jetzt komm wieder rein und hilf mir beim auspacken der Kisten."

Ich schaue den Wellen ein letztes Mal sehnsüchtig hinter her, ehe ich grummelnd hinter meinem Dad ins Haus laufe.

The Cheer SurferWhere stories live. Discover now