•GOODWIN HIGH•

864 46 12
                                    

Es gibt Tage an denen möchte ich nicht aufstehen und den ganzen Tag im Bett oder im Wasser verbringen. Heute ist einer davon. Noch im Halbschlaf schaue ich auf das hellleuchtende Display meines Weckers. 6:15 Uhr. Eindeutig zu zeitig.

Ich schalte den Wecker aus und drehe mich auf die andere Seite um. Doch, ehe ich meine Traumwelt neu betreten kann und die hohen Wellen bezwinge, höre ich, wie die Tür aufgerissen wird. Ich versuche es auszublenden und verkrieche mich unter meiner Decke. Kurz darauf wird es ruckartig hell. Die Sonne scheint mir unangenehm ins Gesicht.

„Aufstehen, Spätzchen. Du willst doch nicht an deinen ersten Schultag zu spät kommen. Oder etwa doch?" Ich ziehe die Decke wieder über mich. "Dad, geh raus! Ich will weiterschlafen." Murmel ich vor mich hin. Zu müde, um aufzustehen. „Oh nein, Fräulein. Nicht mit mir."

Kurz danach spüre ich, wie die Kälte sich an meinen Beinen hochzieht. Gänsehaut breitet sich auf meiner Haut aus. Die Kälte lässt mich zittern. Ich versuche es auszublenden. Nach ein paar Minuten halte ich es nicht ohne Decke aus und stehe letztendlich auf.

Verschlafen schaue ich aus dem Fenster. In der Ferne sehe ich, wie sich die Wellen gegenseitig überragen. Wie gern wäre ich jetzt mit meinem Board draußen. Es sind perfekte Bedingungen. Die Sonne wird nur von ein paar Wolken bedeckt und der Wind trägt das Rauschen der Wellen zu mir. Es ist wie ein sehnsüchtiger Ruf. Als würden sie mich vermissen. Leider hat die Schule Vorrang. Doch danach könnte ich einen Versuch starten.

„Violet, mach dich endlich fertig, ansonsten kommst du wirklich noch an deinen ersten Tag zu spät." die Stimme von meinem Dad, lässt mich aus meiner Starre erwachen.

Augenrollend gehe ich an ihn vorbei ins Badezimmer. Ich wasche mir mein Gesicht, gehe kurz duschen, putze Zähne, kämme mir dir Haare und binde sie mir in einem Zopf, lasse jedoch ein paar Strähnen mein Gesicht umranden. Das Make-Up lasse ich weg. Ich brauche es nicht wirklich und fühle mich auch ohne wohl. Die meisten Mädchen meines Alters würden das nicht von sich behaupten. Manche brauchen sogar eine ganze Ladung an Make-Up, um auf die Straße zu gehen. Selbst wenn es nur der Einkauf ist. Zudem würde das Ganze im Meer nur verwischen und dann sähe ich aus wie eine Gruselfigur aus einem Horrorfilm an Halloween.

Mein Stil beschreibe ich als lässig. Normale Shirts oder Tops. Kurze sowie lange Hosen. Dazu kommt eine Großzahl an Bikinis, welche in meinem Schrank hängen. Dabei sind alle Farben und Muster vertreten. Ich habe keine Markenklamotten von Chanel oder Gucci in meinem Schrank. Mir gefällt die Mode nicht und ich habe auch kein Geld für so etwas.

Wenn ich die die Bikinis mir so ansehe, dann kommen die guten Erinnerungen wieder in mein Gedächtnis. Früher war ich selbst vor der Schule noch im Wasser und habe die Wellen geritten. Ich bin extra zeitig aufgestanden, um mit dem Sonnenaufgang um die Wette zu reiten. Mit halbnassen Haaren habe ich mich dann in den Unterricht gesetzt. Mir war es egal, was die anderen davon hielten. Ich hatte meine Freunde, welche zu mir hielten und mit mir jede Welle bezwangen.

Ich durchstöbere mein Fach, auf der Suche nach meiner Kette. Eine goldene Kette mit einem kleinen Koala Bär als Anhänger. Sie gleicht einer Erinnerung an eine andere Zeit. Meine Mom hat sie mir zu meinem sechzehnten Geburtstag geschenkt. Danach waren wir gemeinsam im Zoo. Nur wir beide. Ohne meinem Dad. Es war einer der besten Tage. Ich bin nach der Scheidung meiner Eltern, nur mit meinem Dad mitgegangen, da meine dachte, dass wir ein engeres Band knüpfen sollen. Ich habe schon immer mehr Zeit mit meiner Mom verbracht, als mit meinem Dad. Sie dachte, dass es ein Neustart für uns beide wäre. Ich bin gespannt wie es sich noch entwickelt. Schnell hänge ich sie mir um. Mit meinem Rucksack in der Hand gehe ich nach unten.

In der Küche setzte ich mich zu Dad, welcher schon gemütlich seinen Kaffee trinkt und die Zeitung durchblättert. Ich nehme mir eine Schüssel, fülle sie mit Müsli und beginne die trockenen Haferflocken zu essen. "Willst du nicht Milch dazu geben? Das schmeckt doch nicht. Zu trocken, findest du nicht auch?"

Ich sehe meinen Dad mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Nein, ich finde es schmeckt auch ohne Milch. So kann ich wenigstens nicht kleckern." Damit esse ich die Portion auf und widme mich meinen Kaffee.

„Bist du schon aufgeregt?"

Ich schaue ihn unsicher an. „Es hält sich momentan in Grenzen. Ein neuer Abschnitt im Leben. Neue Schule, neue Menschen, neue Probleme." Ich rühre mit meinen Löffle im Kaffee umher.

„Das wird schön. Glaub mir. Du wirst wieder neue Freunde kennen lernen und Spaß haben. Es ist dein letztes Jahr. Ich möchte, dass du es genießt."

„Danke, für den Versuch mich aufzubauen." Ich zwinge mich zu einem Lächeln.

Als wir beide aufgegessen haben, räumen wir noch gemeinsam ab, ehe er sich seine Tasche schnappt und aus dem Haus geht. Ich schnappe mir meinen Rucksack und folge ihm zum Auto. Kurze Zeit später startet er den Motor und fährt aus der Einfahrt.

Der Weg ist nicht weit. Auf dem Highway ist man schneller als mit dem öffentlichen Schulbus. Leider besitze ich kein Auto. Von daher werde ich ab morgen mit dem Bus zur Schule fahren.

Ich schaue zu meinem Dad hinüber. „Dir ist bewusst, dass es peinlich ist, vom eigenen Dad in die Schule gefahren zu werden. Besonders am ersten Tag. Ich bin nicht mehr 10 Jahre alt.", gebe ich mürrisch von mir.

„Das weiß ich doch, mein Schatz. Ich will nur, dass du gut ankommst. Nicht das du noch den falschen Bus nimmst und ganz woanders rauskommst.", sagt er während er an einer Ampel hält.

„Es gibt in unserem Distrikt nur einen Schulbus. Die Haltestelle befindet sich quasi vor unserer Haustür!"

Er seufzt auf. „Ich weiß sehr wohl, wo der Bus abfährt. Nur wir hatten lange nicht mehr eine Dad-Tochter Zeit. Es ist dein Abschlussjahr. Lass dich doch von deinem alten Herrn einmal zur Schule chauffieren."

Mein Dad versucht sich herauszureden. Ich kann den traurigen Unterton nicht ignorieren. Er muss akzeptieren, dass ich langsam erwachsen werde. Daran kann er nichts ändern. Auch wenn er es noch so versucht. „Du weißt, dass ich dich im Herzen trage, aber zum Erwachsen werden gehört auch dazu, dass man den Weg zur Schule im Alleingang bewältigt."

Sein Blick findet den meinen. Tränen bilden sich in seinen Augen. „Ich weiß doch, die Zeit wird so schnell herum gehen und ehe du dich versiehst, ziehst du aus, studierst und bist nicht mehr bei mir. Wen habe ich denn außer dich?"

Ich kaue auf meiner Wange. „Zukünftige Freunde, wie unsere Nachbarn oder du kaufst dir einen Hund.", schlage ich ihm vor. „Du weißt, was ich meine." Er fährt weiter.

Die restliche Fahrt verbringen wir schweigend. Vor einem großen, roten Gebäude hält er an. „Violet, wir sind da. Deine neue Schule. Versuch etwas Spaß zu haben und sei offen."

Ich steige aus und schließe die Tür hinter mir. Mit einem letzten Blick verabschiede ich mich von ihm. Mit wackligen Beinen schaue ich auf ein großes, rotes Schild.

"GOODWIN HIGH – High School for Sciences and Sport"

Ich hoffe, dass es kein Desaster wird.

The Cheer SurferKde žijí příběhy. Začni objevovat