•SURFEN FÜR DIE SEELE•

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Ich bleibe für den Rest des Unterrichts für mich. Ich wärme mich allein im Sportunterricht auf. Ich laufe allein. Ich werfe allein ein paar Körbe. Meide jeden Blick, der in meine Richtung fällt. Dann ist der Unterricht vorbei. Die restlichen Schüler verlassen die Turnhalle. Nur ich bleibe noch da. Vom Cheerleader Training melde ich mich ebenfalls ab. Es hat keinen Zweck mehr einer Gemeinschaft anzugehören, die einen, wenn man sich ihnen nicht beugt, schikaniert.

Die Cheerleader Zeit war klasse und bewegend. Ich habe mich als etwas Besonderes gefühlt. Uns "Unsichtbaren" wurden sämtliche Türen zu Partys geöffnet. Man hat uns wahrgenommen. Mit uns wurde geredet. Wir wurden zu Partys eingeladen. Haben mit den coolsten Leuten der gesamten Schule unsere Freizeit verbracht. Mit Quarterbacks leidenschaftliche Küsse getauscht. Uns wohl gefühlt. Wir hatten einfach alles. Ruhm. Ansehen. Dates. Macht.

Doch dieses Streben nach Aufmerksamkeit ist wie eine Droge. Kommt man einmal in den Genuss ist es nur schwer davon loszukommen. Man muss aufpassen, dass man sich nicht zu sehr verleiten lässt und abhängig wird. Ansonsten ist es noch schwerer davon loszuwerden. Der harte Entzug ist schwer und schmerzvoll. Doch es gibt etwas, was eine Hoffnung gibt. Die Entscheidung das Richtige zu machen. Das was das Herz dir sagt.

Ich nehme den Schulbus nach Hause und setzte mich, wie heute Morgen, in die letzte Reihe. Zuhause packe ich meine Schulsachen aus und setze mich an die Hausaufgaben. Ich möchte schließlich den versäumten Stoff der vergangenen Woche nachholen. Das ist das mindeste, was ich tun kann.

Nachdem ich alles abgeschrieben habe und für den morgigen Tag alles zusammengesucht habe, beschließe ich die restliche Zeit des Tages effektiv zu nutzen. Ich gehe ins Badezimmer und schminke mich ab. Dann ziehe ich mir meinen Bikini an und nehme noch ein Handtuch mit.

Bevor ich das Zimmer verlasse, schaue ich noch einmal in den Spiegel. Ich habe in der kurzen Zeit in Australien Sommersprossen im Gesicht bekommen. Mein Blick fällt auf meine Kette. Ich nehme sie vorsichtig in die Hand. Meine Freunde hatten Recht. Sie soll mir zeigen wer ich wirklich bin. Eine Surferin. Keine Puppe.

Mit meinem Surfboard unter meinem Arm und dem Handtuch unter dem anderen spaziere ich über die Dünen zum Meer. Es ist ein schöner Nachmittag. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und die leichte Meeresbrise spielt mit den Strähnen meines Zopfes. Ich lächle zur Sonne hinauf. Es wird Zeit etwas für meine Seele zu machen. Surfen. Befreit den Kopf und lässt dich frei atmen. Mit dieser Einstellung sprinte ich in das Wasser und lege mich auf mein Brett. Mit ein paar kräftigen Zügen paddle ich weiter raus. Dort wo die schönsten Wellen miteinander konkurrieren.

Ich muss ein paar Minuten warten, bis sich die erste Welle zeigt. Zügig tauche ich ab und tauche kurze Zeit später wieder auf. Mit etwas Kraft steige ich auf mein Brett und bezwinge die Welle. Es macht mir großen Spaß mit ihr zu tanzen. Ich beuge mich leicht vor und fahre mit meinen Fingerspitzen durch die steigende Welle. Das Wasser sieht hier klarer aus. Mann durch sie durchschauen. Nach ein paar Augenblicken ist dieser Moment vorbei. Ich habe ihn in vollen Zügen genossen.

Ich lasse mich von der leichten Strömung tragen und halte nach weiteren Surfern Ausschau, die wie ich auf die nächste Welle warten. Ich habe die Hoffnung Noah, April und Alyssa zu sehen. Ich bin ihnen eine Erklärung schuldig.

Mit zusammen gekniffenen Augen erkenne ich von weiten drei Menschen, die miteinander herzlich lachen. Eine schwarzhaarige, eine mit Honig-blonden Haaren sowie ein Junge mit rabenschwarzen Haaren. Das müssen sie sein. Ich atme noch einmal tief ein, ehe ich mich auf die Wasseroberfläche lege und auf sie zu paddle. Mit jedem Zug, den ich mache, bekomme ich mehr Angst. Angst davor, dass sie meine Entschuldigung nicht akzeptieren und sich weiterhin von mir abwenden. Doch schlimmer kann es nicht werden, nicht wahr?

Kurz bevor ich bei ihnen bin, räuspere ich mich, um auf mich aufmerksam zu machen. Das Lachen von ihnen hört schlagartig auf und sie schauen in meine Richtung. Sie alle sehen nicht gerade begeistert, von meiner Anwesenheit, aus. Ich schaue sie alle an. Dann senkt sich mein Blick wieder auf meine Hände, welche ich vor meinen Bauch verschränke.

„Hallo Leute, ich weiß ihr wollt mich wahrscheinlich gar nicht sehen. Ich weiß auch nicht, wie ich jetzt so richtig anfangen soll."

Sie sehen mich immer noch skeptisch an.

"Ich will mich bei euch allen für mein schreckliches Verhalten die letzten Monate über entschuldigen. Ich weiß auch nicht warum ich mich von denen so einspinnen lassen habe. Es ist einfach passiert. Sie hatten ziemlich gute Argumente und Vorteile. Man konnte sich in der Schule frei bewegen und wurde dafür nicht bestraft. Doch populär zu sein, hat auch seine Schattenseiten, wie ich bemerkt habe. Ihr wart immer für mich da, egal wie schlimm ich euch behandelt habe. Selbst als ich im Krankenhaus war, habt ihr euch Sorgen um mich gemacht. Doch ich habe euch weggestoßen. Es tut mir leid."

Alle drei scheinen ziemlich perplex von dieser Ansprache zu sein. "Was ist mit deinem Freund Lucas? Bist du noch mit ihm zusammen?", fragt Noah nach.

Ich schüttle den Kopf. "Nein, wir sind getrennt. Er hat mich schon über längerer Zeit mit Olivia betrogen. Erst als ich in Sydney war, habe ich es herausgefunden. Ich habe alle zur Rede gestellt. Ich möchte nichts mehr mit denen zu tun haben."

Sie schauen sich gegenseitig an. Dann sehen sie mich wieder an und lächeln.

"Das wollten wir nur hören, nichts weiter. Komm her." Sie paddeln auf mich zu und umarmen mich. Es tut so gut wieder mit ihnen zu harmonieren. Mir kommen die Tränen.

"Ich habe euch so sehr vermisst", flüstere ich zu ihnen.

"Wir dich auch. Es ist schön, dass du wieder die alte bist."




The Cheer SurferWhere stories live. Discover now