•NOAH•

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Am nächsten Morgen stehe ich etwas später auf als gewöhnt. Meine Haare fühlen sich verfilzt an und allgemein sehe ich nicht besonders gut aus. Ich sollte lernen eher ins Bett zu gehen. Am Ende machst du es doch nicht. Auch wenn ich es mir jeden einzelnen Tag vornehme.

Es gab einen Grund, warum ich bis spät in die Nacht gearbeitet habe. Die Mathe Aufgaben. Auch wenn ich keine Probleme mit dem Fach habe, kam auch noch ein paar Bücher dazwischen und wenn ich einmal ein Buch in der Hand habe, dann kann ich es nicht weglegen. Ich kann auch nicht mitten in einem Kapitel aufhören. Wenn, dann lese ich das Kapitel zu Ende, ehe ich das Buch beiseite lege. Eine komische Angewohnheit, ich weiß.

Es dauert eine viertel Stunde, bis sich meine Haare entfilzen lassen. Sie stehen zwar etwas von meinem Kopf ab, doch das ignoriere ich jetzt. Die Zeit drängt, also beschließe ich meinen Rucksack zu packen, meine Schuhe anzuziehen und mir mein Essen zu schnappen, ehe ich die Tür hinter mir zufallen lasse.

Ich laufe auf die Bushaltestelle gegenüber von mir zu, als mir ein weißer Range Rover die Vorfahrt nimmt. Erschrocken springe ich einen Meter zurück. Welcher Idiot macht das?

Ich schaue mir das Auto genauer an. Die Fensterscheibe wird heruntergefahren und das Gesicht von Noah kommt zum Vorschein. „Du hättest mich fast überfahren!", keife ich ihn an. „Denkst du auch nach, bevor du fährst?!"

Er hebt unschuldig die Hände. „Tut mir echt leid. Das war nicht so geplant. Ich wollte dich eigentlich abholen. Zudem dachte ich, dass du an der Bordsteinkante stehen bleiben würdest."

„Nein! Ich wollte gerade zur Bushaltestelle gehen, welche sich auf der anderen Straßenseite befindet!" Ich zeige auf die gegenüberliegende Straßenseite.

Noah verzieht die Mundwinkel zu einem Grinsen. „Also was ist nun. Willst du einsteigen?" Er deutet zur Tür.

Ich befürchte, dass er ebenso wie jetzt sich im Straßenverkehr verhält. Er merkt, dass ich mir sein Angebot überlege. „Wir wären schneller an der Schule und du hättest eine glänzende Begleitung", sagt er.

Ohne auf seinen Kommentar einzugehen, öffne ich die Autotür und steige ein. Nachdem ich mich angeschnallt habe und meinen Rucksack zwischen meinen Beinen verstaut habe, fährt Noah schon los.

Während wir den Highway entlangfahren, sagt keiner von uns beiden etwas. „Und was hast du noch gestern so gemacht?", fragt er und schaut kurz zu mir.

„Hausaufgaben und gelesen", antworte ich knapp. Ich vermeide sein Starren. „Könntest du dich bitte auf den Straßenverkehr konzentrieren? Ich will keinen Autounfall beiwohnen."

Er schüttelt kurz den Kopf, ehe er wieder seinen Blick auf die Straße richtet. "Dasselbe, nur mit dem Unterschied, dass ich es irgendwann aufgegeben habe. Mathe ist nicht so meine Stärke. Ebenso wenig wie Chemie. Fächer, die man meiner Meinung nach nicht in der Oberstufe braucht."

Ich muss unfreiwillig grinsen. „Warum grinst du so?", fragt er, während er an einer Ampel hält.

„Ein Junge der Probleme in Mathe hat. Das gibt es selten. Chemie ist aber auch nicht so meine Stärke, weshalb ich es auch nicht gewählt habe."

Noah scheint auf meine Antwort hin zu überlegen. „Du könntest mir ja Nachhilfe geben. So von Freund zu Freund."

„Freunde?", frage ich nach.

„Ja, ich meine wir sind ja auch Nachbarn. So als kleiner Gefallen."

„Ich gebe keinen Gefallen bei Personen, die ich kaum kenne."

Er lässt eine Hand vom Lenkrad los. "Lass deine Hände beim Lenkrad!" Ermahne ich ihn.

Genervt rollt er mit den Augen. "Du klingst schon wie meine Mutter."

Nun bin ich diejenige, welche die Augen verdreht. "Womöglich hat sie auch Recht!"

Nach ein paar weiteren Minuten sind wir an der Schule angekommen. „Danke." Ich steige aus laufe mit dem Stundenplan ins Gebäude. Dieses Mal funktioniert mein Orientierungssinn besser als gestern, kann auch daran liegen, dass ich mir einen Plan gemalt habe und meine Klassenräume eingekreist habe.

Die ersten Stunden vergehen wie im Flug. Auch Biologie und die Vorbereitung auf die Gruppenarbeit verlaufen relativ schnell, ausgenommen von dem Video von Kühen und ihren Organen. In Mathematik will die Zeit irgendwie nicht vergehen. Der Zeiger der Uhr bleibt gefühlt ewig an der Stelle stehen. Während ich meine Aufgaben schon gelöst habe, schaue ich mich um. Noah sitzt verzweifelt da. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände. Die Stirn ist in Falten gelegt, der Blick klebt konzentriert auf dem Blatt. Er scheint wirklich Probleme damit zu haben. Vielleicht wäre es sinnvoller, wenn ich ihm wirklich Nachhilfe geben würde. Wenn er dann immer noch schlechte Noten schreibt, habe ich es wenigstens versucht.

Nach der Stunde gehe ich in die Richtung der Turnhalle. Eine Stimme lässt mich innehalten. Ich drehe mich um und sehe Noah.

„Du sahst ziemlich hilflos aus", sage ich und gehe weiter.

„War das so deutlich?", fragt er und joggt neben mir her.

Ich nicke. „Dein ganzes Gesicht hat danach geschrienen erlöst zu werden."

„Willst du etwas über die diversen Gruppen an der Schule wissen?"

„Gott bewahre mich mit der Information. Ich habe kein Interesse daran wer mit wem was hat und wer die größte Klatschtante der Schule ist. Ich habe besseres zu tun, als meine Zeit damit zu verschwenden." Blocke ich ab und laufe weiter.

„Was machst du denn in deiner so kostbaren Zeit?"

„Das geht dich nichts an."

„So schlimm kann es doch nicht sein? Außer natürlich du hast ein paar Leichen im Keller", sagt er und lacht über seinen eigenen Witz.

„Wir haben nicht einmal einen Keller. Selbst wenn es so wäre, wärst du bei deiner Fragerei womöglich der nächste der da unten liegen würde", gebe ich ihm als Antwort, worauf der die Sprache verloren hat.

„Ich erzähle dir trotzdem über die beliebte Gruppe der Schule. Du arbeitest bald mit ihnen zusammen, da wäre es nur zum Vorteil, wenn ich dich über sie warne."

„Wenn es denn sein muss." Ich seufze auf.

Er ignoriert meinen Seufzer. „Ihre Eltern haben alle viel Geld und Einfluss. Das nutzen sie aus. Sie provozieren, wo sie nur können. So wurden sie wahrscheinlich erzogen. Olivia und ihr Freund haben das Kommando. Er ist der Quarterback. Der Star der Schule. Logisch das die beiden sich gefunden haben. Die anderen werden automatisch beliebt."

Ich schaue kurz zu ihm. „Danke für die Warnung und den Kurzvortrag."

„Immer wieder gern." Er grinst mich an.

„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich mich jetzt umziehen wollen. Die Stunde beginnt bald."

Damit kehre ich ihm den Rücken zu und öffne die Tür zu den Mädchenumkleiden.

The Cheer SurferWhere stories live. Discover now