Kapitel 1

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2014

"Anna Maria!", riss mich die Stimme von Conrad aus meinen Gedanken. Oft dachte ich an die Nacht vor mittlerweile 268 Jahren zurück, in dieser Nacht wurden meine Brüder und ich verwandelt. Die letzten Erinnerungen an mein menschliches Leben sind die, wie ich schreiend durch den Wald rannte. Schrecklich ich weiß, aber ich sollte mich nicht mehr damit befassen.

Schnell lief ich zu meinem Bruder in sein Arbeitszimmer. Es war wie das gesammte Haus sehr modern. Jedesmal wenn ich durch das Haus lief, kam ich mir fehl am Platz vor.

"Ja? Was kann ich für dich tun?", fragte ich leise und ruhig.

Zu meiner Zeit hätte man meiner Mutter gesagt, das sie mich zu einer guten Tochter und späteren Ehefrau erzogen hätte. Doch die Menschen im Jahr 2014 hielten mich für unterwürfig, ohne eigene Meinung, ohne Selstbewusstsein, vielleicht auch einfach nur schüchtern. Meine Brüder und ich waren zwar was Aussehen von Häusern, von elektronischen Geräten und auch in Modesachen mit der Zeit gegangen, aber unsere Ansichten von den Aufgaben des Mannes und denen der Frau waren geblieben.

Conrad hielt einen Brief in meine Richtung.

"Lothar hat geschrieben. Er möchte uns besuchen und er bringt einen Gast mit."

Ja wir hatten immer noch Kontakt zu unserem Erschaffer. Er hatte die Vaterrolle für uns übernommen, auch wenn er genauso alt ist wie Conrad war. Lothar wurde am 9. Juni 1075 geboren. Verwandelt wurde er 1102 und sein offizelles Todesdatum ist 1137. Er war sogar eine Zeit lang Kaiser des römisch-deutschen Reiches. (Ja, Lothar von Supplinburg gab es wirklich)

"Weißt du wie viele Vampire er mitbringen will?", wollte ich wissen.

"Seine zwei Leibwächter Antonius und Paul plus den Gast. Hier in dem Brief steht alles was du zu dem Gast wissen musst."

Schnell laß ich den Brief, den Conrad mir hin hielt.

"Ihr werdet Blutkonserven mitbringen müssen. Unten sind nicht mehr genug", sagte ich und verschwand auch schon wieder. Lothar würde in zwei Tagen schon hier sein und ich musste noch viel machen.

Wie meine Brüder Blutkonserven mitbringen sollten? Na ja sie haben einen sehr ungewöhnlichen Beruf ausgewählt. Zu siebt haben sie ein riesiges Schönheitsimperium aufgebaut. Schönheitschirugie. Conrad leitete das Unternehmen. David, Jacob, Kasper und Philipp verschiedene Tochterunternehmen. Und Markus und Valentine waren auch im Unternehmen untergebracht. Allerdings nicht in Führungspositionen da die beiden ja erst 18 und 19 waren.

In Gedanken lief ich zur Eingangstür. Kurz bevor ich an der Tür ankam, kam ich an einem riesigen bodentiefen Spiegel vorbei und betrachtete mich.

Seit 268 Jahren hatte ich mich nicht mehr verändert. So viel Wissen zu haben, aber im körper einer sechzehn jährigen zu stecken, war nicht leicht. Ich meine wie würde es euch gehen, wenn ihr ein wandelndes Geschichtsbuch auf zwei Beinen wärt. Bei Kriegen in der ersten Reihe gesessen hättet oder mit Napoleon vor seiner Zeit als Kaiser getanzt hättet. Ich weiß sogar Dinge, die stehen noch nicht mal in Geschichtsbüchern!!! Außerdem bin ich ein Gewohnheitsmensch. Gerade hatte ich mich daran gewöhnt das es Computer gibt schon kommen Laptops! Das gleiche war es auch mit der Mode! Ich war damit aufgewachsen, das alle Frauen Kleider trugen mit Korsett und weitem Rock. Diese Kleider haben weder Dekolleté noch Beine zeigten. Und wehe man sah auch nur ein bischen den Fußknöchel! Das kam einer Aufforderung zum Rummachen gleich. Durch meine Erziehung lehnte ich es bis heute strikt ab jemals Hosen zu tragen. Oder besser gesagt meine Brüder und Lothar lehnten es ab, damit waren Hosen für mich gestrichen. Natürlich trug ich jetzt kürzere Kleider und Röcke so langsam gewöhnte ich mich sogar daran, aber die Röcke und Kleider waren trotzdem nie kürzer als bis zu meinen Knien. Mich daran zu gewöhnen Männern meine Knöchel zu zeigen, war wirklich schwer gewesen.

Seufzend schaute ich mein Spiegelbild an. Ich trug ein rotes Top, einen schwarzen Bleistiftrock, ein schwarzes Strickjäckchen und schwarze Lack Mary-Jane-Heels mit neun Zentimeter Stilletto Absätzen. Ich wusste das jedes 16 jährige Mädchen gerne so aussehen würde wie ich oder zumindest meine Schuhsammlung haben wollte, aber ich fühlte mich nicht gut. Es ist nicht das ich mir ordinär oder billig vorkam sondern das all diese Mädchen nicht wussten was für ein Monster sich hinter dieser süßen Fasade, des sechzehn jährigen Engels verbarg. Ich hatte schon Menschen und andere Kreaturen umgebracht. Ich brauchte Menschenblut um zu überleben und nur jemand der mir das Herz herausreißt oder mir den Kopf abschlägt kann mich töten!

Den Kopf schüttelnd nahm ich meine Handtasche und lief aus dem Haus. Als vor zwei Jahren dieser plötzliche Fanatismus für Vampire, ausgelöst durch die Twilight-Sage, war, ließ Lothar uns ein neues Haus bauen. Von der Art her war es genau wie das der Familie Cullen. Es stand auch mitten im Wald, allerdings war unseres noch viel größer. Und nur um eines klar zu stellen die Haut eines Vampirs glitzert nicht wie eine Discokugel, wenn Sonnenlicht darauffällt!

Um das Haus zu dekorieren, brauchte ich jetzt erst einmal Blumen. Danach musste ich noch jemanden anrufen, der alle Fenster putzt. Den Garten musste ich auch noch machen, das gesamte Haus putzen, die Gästezimmer vorbereiten und die teuren Kristallgläser musste ich auch noch polieren.

Während ich mir in Gedanken eine Liste anlegte, fuhr ich in die Stadt zu meinem Lieblingsblumenladen.

"Anna Maria!", rief Zara, die Besitzerin des Blumenladens freudig. Sie war eine Hexe und meine beste Freundin. Sie wusste was ich war, kam aber damit klar.

"Was kann ich für dich tun?"

"100 weiße Tulpen, 50 orange-gelbe Rosen, 50 weiße Rosen und ein Strauß rosane Rosen. Hm... Ein Tischgesteck aus weißen Callas und roten - Nein! Ein Tischgesteck aus gelben Rosen und japanischen Kirschblüten mit ein bischen was grünem darin", gab ich meine Bestellung ab.

"Das wird mal wieder teuer für dich."

"Wir bekommen Besuch und ich habe sieben Brüder, von denen fünf ihre eigenen Unternehmen habe. Wir müssen kein Geld für Lebensmittel ausgeben. Glaub mir da wird das bisschen für die Blumen nicht auffallen auf unserem Konto."

"Wie geht es euch allen?", lenkte Zara vom Thema ab. Ich sah, dass sie gerne noch etwas gesagt hätte, aber es kam eine neue Kundin herein, also ließ sie es bleiben.

Ich wollte ihr gerade antworten, als mein Handy anfing zu klingeln. Es war Philipp.

"Was gibt's?" Gott wie ich diesen ganzen Müll mit den Abkürzungen doch hasste! Als ob niemand mehr anständige Sätze sagen könnte!

"Komm schnell nach Hause. Es gibt Probleme!", murmelte mein Bruder und hatte auch schon aufgelegt, bevor ich überhaupt antworten konnte.

"Äh... ich muss nach Hause irgendetwas ist passiert", sagte ich Zara.

"Nur noch hier unterschreiben und übermorgen steht um halb fünf ein Bote mit den Blumen vor eurer Tür", sagte Zara noch schnell.

Bevor ich in mein Auto steigen konnte, wurde ich von zwei starken Armen in den Wald gezerrt.Ich hörte zwei Herzschläge, aber die Person die mich festhielt war stärker als ein Mensch. Die beiden Personen rochen auch nicht wie Menschen, irgendwie komisch. Irgendwie wie Wölfe .... wie WERWÖLFE!!!

268 Jahre 16Where stories live. Discover now