Kapitel 2

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• Z A C H A R Y •

"Zach, du hättest dich in den Ferien ruhig mal melden können!"

Augenverdrehend mache ich es mir neben Henry bequem, während Landon sich zu uns umdreht. "Seit wann seit ihr denn so sentimental?", brumme ich und lege meinen Kopf auf dem Tisch ab.

Die beiden sind sozusagen meine einzigen Freunde in der Schule. Das liegt daran, dass sie mich nicht mitleidig anstarren, sobald ich irgendwelche Probleme mit meinem Herzen habe.

Ich kann diese Blicke absolut nicht leiden. Deshalb halte ich auch so viele von mir fern.

Die meisten sind doch nur freundlich mir gegenüber, weil sie mein Leben so bedauern - ein Typ, der seit seiner Geburt mit einem kaputten Herzen zu kämpfen hat. Wirklich traurig.

Die Jungs habe ich gerne um mich herum. Sie erinnern mich nicht ständig daran, dass etwas mit mir nicht stimmt.

"Und was hast du so gemacht?" "Wir sind an die Küste gefahren", murmle ich gähnend.

Schlimmer als Montage im Allgemeinen ist der Montag nach den Ferien. Definitiv!

Man ist unmotiviert, total verschlafen und hofft, dass bald die nächsten Feiertage sind.

Und ich habe gerade diesen Moment.

Und was ich zu Tode nicht ausstehen kann, ist unsere gut gelaunte Klassenlehrerin. Mrs. Graham, eine Blondine mittleren Alters, betritt das Zimmer mit einem breiten Grinsen.

Ein junger Typ mit dunklem Haar folgt ihr nach vorne. Er sieht aus wie ein Student und scheint ziemlich schüchtern zu sein. Sein Blick ist nach unten gerichtet und ich kann aber von hier aus erkennen, wie er nervös auf der Lippe kaut.

"Meine Lieben, ich begrüße euch ganz herzlich im neuen Schuljahr! Dieses Jahr wird es besonders stressig, da es auch euer letztes sein wird. Aber ich bin optimistisch, dass ihr alles schafft, wenn ihr nur daran glaubt."

Versteht ihr jetzt, was ich meine? Das ist so verdammt nervig. Niemand ist so gut drauf und läuft mit einem Lächeln durchs Leben, ohne täglich etwas einzunehmen.

"Mrs. Graham, es ist toll, dass Sie so an uns glauben, aber sehen Sie sich doch einmal um. Hier sind nur Idioten, die nichts von all dem begreifen, was Sie oder Ihre allzeit charmanten Kollegen unterrichten", werfe ich ein und lehne mich mit verschränkten Armen vor der Brust im Stuhl zurück.

"Zachary", erfreut lächelt sie mich an, "es gibt keine Zeit ohne Kummer und Leid. Es gibt aber auch Ecken, wo Freude und Glück sich verstecken."

Habe ich schon erwähnt, dass sie gerne Philosophen und Schriftsteller zitiert?

"Schön, dass Sie noch genauso durchgeknallt sind wie Ende des letzten Schuljahres", erwidere ich mit einem aufgesetzten Lächeln und verdrehe die Augen.

Das Schöne an einer unheilbaren Krankheit ist, dass man so gut wie alles tun kann, ohne mit wirklich schweren Konsequenzen rechnen zu müssen. Es ist nicht so, dass ich das ausnutze.

Hätte ich die Wahl, würde ich den gesunden Lebensstil wählen. Damit würde ich meinen Vätern schon einiges an Sorgen abnehmen.

In meinen Augen tun sie viel zu viel für mich. Auch wenn ich ihr Sohn bin. Wegen mir haben sie so viel Kummer bereits gehabt.

Und das möchte ich nicht mehr mitansehen müssen. Dafür sind sie mir zu wichtig.

Henry rempelt mich von der Seite an und deutet nach vorne. "Wer ist dieser Typ neben Mrs. Graham?" "Woher soll ich das denn wissen? Bin ich die Auskunft oder was?", erwidere ich pampig und schaue aus dem Fenster. Betrachte die von uns bemalte Schulmauer.

Teilweise sind sogar echte Kunstwerke zwischen den ganzen Kreaturen, was meine Mitschüler drangepinselt haben. Mein Blick schweift über die Mauer zu der Stelle, die ich gestaltet habe. Eine dunkle Regenwolke.

Ich habe einmal gelesen, dass einige Menschen einer bestimmten Kultur in Wolken etwas Positives sehen. Sie blicken in den Himmel, um etwas Hoffnungsvolles zu entdecken.

Doch oft vergessen sie die Realität. Dass es auch stürmen kann. Und es wirkt, als würde die Welt im nächsten Moment untergehen.

Mein Therapeut geht mit mir jede Woche denselben sinnlosen Quatsch durch. Mein Lieblingsspruch von ihm ist: "Mit jedem Atemzug atmest du das Leben ein und den Tod aus".

Wenn er das jedem selbstmordgefährdeten Teenager aufbinden will, wundert mich die Sterberate wirklich nicht. Ich würde mir auch die Kugel geben, wenn es meine Familie nicht gebe.

Es ist doch so, dass die Menschen den Tod fürchten. Natürlich widerspricht jeder dieser Aussage, aber in ihrem Inneren wissen sie, dass es die Wahrheit ist.

Oft haben sie mehr Angst vor dem Tod als vor Schmerzen.

Es ist komisch. Das Leben schmerzt viel mehr als der Tod. Im Moment des Todes ist der Schmerz vorbei und man hat endlich seine Ruhe.

"Ich würde euch nun gerne Mr. Campbell vorstellen", Mrs. Graham deutet auf den Schüchternen neben ihr, der es nun geschafft hat, aufzusehen, "Er ist frisch von der Universität zu uns gestoßen und unterstützt uns nun tatkräftig."

Durch ihr Schweigen fühlen sich meine Klassenkameraden gezwungen, die Neuigkeit zu applaudieren. Seufzend klatsche ich ebenfalls, schenke der Handlung vorne aber keine große Beachtung.

"Geht es nur mir so oder findet ihr auch, dass er merkwürdig ist?", flüstert Landon nach hinten. Henry stimmt ihm mit einem Nicken zu und wartet offenbar auf meine Zustimmung.

"Braucht ihr so unbedingt Bestätigung?", frage ich genervt, "Sucht euch dafür bitte irgendwelche Weiber. Bei mir seid ihr falsch." "Du bist so charmant", entgegnet er augenverdrehend.

"A-also, ähm, mein Name ist Jonah Campbell. Ich unterrichte Englische Literatur in Verbindung mit kreatives Schreiben, und Spanisch. E-es würde mich, ähm, freuen, wenn wir ein angenehmes Klima in der Klasse aufbauen könnten. Dass wir uns alle gut verstehen."

Ich gebe ihm maximal eine Woche, bis er hier weg will.

Er hält es doch nicht mit chaotischen Teenagern aus, die immer noch nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen.

Unsere Klassenlehrerin klatscht begeistert in die Hände und wendet sich wieder an uns. "Ich würde euch bitten, ihn mit offenen Armen zu begrüßen und ihm eine Chance zu geben, sich zu behaupten."

"Sollen wir ihm noch Kekse backen?", murmle ich vor mich hin, allerdings wohl so laut, dass es einige gehört haben und kichern.

Das erweckt Mrs. Grahams Aufmerksamkeit. "Was ist so witzig?" "Diese Lachnummer neben Ihnen", meint Silas, der tolle Sportler in unserer Klasse.

So ziemlich jedes Mädchen himmelt ihn an, nur weil er mit Bällen umgehen kann.

Herzlichen Glückwunsch, das kann ich auch. Und es interessiert hier auch niemanden.








Das scheint ja ein guter Einstieg für Jonah zu sein 😬

Wenn er als Lehrer respektiert werden will, sollte er wohl noch ein bisschen an seinem Auftreten arbeiten. Bisher können die Schüler - vor allem Zach - ihn nämlich gar nicht ernst nehmen... 😅

Mich würde es mal interessieren: Wie findet ihr die Idee hinter dieser Geschichte? Dass Krankheit und der Tod neben der Liebesgeschichte unserer Protagonisten eine größere Rolle spielen wird? Und die baldige kontroverse Beziehung zwischen einem Lehrer und einem Schüler?

Broken Heart [boyxman] | ✔Where stories live. Discover now