Kapitel 28

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• J O N A H •

"Jonah?"

Ich hebe den Kopf und sehe in Evas Gesicht. Sie mustert mich lächelnd, doch sie scheint auch ein wenig misstrauisch zu sein. "Alles in Ordnung mit dir?"

"Entschuldige, ich war gerade in Gedanken", erwidere ich und krame meine Gruppenmappe hervor. "Wolltest du etwas von mir?"

"Reichst du mir bitte eines der Manuskripte?"

Sofort gebe ich es ihr und versuche dann, mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren. Doch so sehr ich mich auch dagegen wäre, meine Gedanken schweifen ständig ab. Immer wieder habe ich den Kuss im Kopf.

Wie kam ich nur darauf, Zach zu küssen?

Anstatt meinen Gefühlen nachzugeben, sollte ich sie unterdrücken. Oder noch besser vergessen. Es gäbe doch keine Zukunft für uns, verdammt.

Ich würde am liebsten meine ganzen Gefühle aus meiner Seele schreien. Damit endlich dieser Schmerz, nein, Druck verfliegt.

Sie scheinen mir von Tag zu Tag gefährlicher werden. Es macht mir Angst, wenn ich daran denke, wie der Tag morgen werden könnte. Mir kommt es so vor, je mehr ich mich dagegen zu wehren versuche, desto stärker werden meine Gefühle. Es ist alles so kompliziert.

Wir hätten vorhin erwischt werden können. Hätte jemand uns in dieser Situation gesehen, gäbe es keine plausible Erklärung. Ein Schüler und ein Lehrer haben sich geküsst. Da ist es egal, wie es dazu gekommen ist. Man würde es nicht verstehen, was das zwischen uns ist. Nicht einmal ich möchte, dass es existiert, weil es nur Probleme schafft.

Seufzend stütze ich meinen Kopf auf meiner Handfläche ab und kaue auf dem Ende eines Bleistiftes herum. Es wäre wohl sinnvoller, meine Notizen nochmal durchzugehen, anstatt über eine mögliche Liebesbeziehung mit meinem Schüler nachzudenken. Aber die Worte verschwimmen vor meinen Augen. Es macht alles keinen Sinn. Wie auch meine Gedanken, die in mir spuken.

Womöglich würde es helfen, mit jemanden darüber zu reden. Aber mit wem denn? Nein, Anvertrauen kann man sich keinem. Man ist allein mit sich selbst und den Gedanken, die einen kaputt machen. Sie zerreißen regelrecht meinen Verstand.

Als die Tür hinter mir aufgerissen wird, zucke ich leicht zusammen, entspanne mich aber, als ich eine Gruppe von Mädchen kichern höre. Ich hoffe einfach, dass Zach nicht kommen wird.

Nach dem Kuss würde ich ihm am liebsten auf ewig aus dem Weg gehen. Ihn womöglich gleich sehen zu müssen würde mich wahnsinnig machen.

Ich weiß in letzter Zeit einfach nicht, was richtig oder falsch ist.

Man sollte seinen Gefühlen nachgeben und auch dass er ein Junge ist, bereitet mir kein Kopfzerbrechen. Aber es ist falsch, dass er einer meiner Schüler ist und ich für ihn etwas empfinde, was so nicht sein sollte.

Und auch dass er dasselbe offenbar fühlt, ändert nichts an der Tatsache, dass wir das nicht dürfen.

"Weiß jemand, wo Zachary ist?", höre ich Eva in die Runde fragen. Ich schaue auf und entdecke einige Schüler, die den Kopf schütteln oder mit den Achseln zucken.

Ein Blick auf die Uhr verrät, dass wir gleich beginnen würden. Und er ist noch nicht hier.

Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich ein wenig enttäuscht darüber bin. Immerhin habe ich es ihm gesagt, dass er die AG meiden sollte. Und das scheint er zu tun.

Meine Kollegin sieht wenig begeistert darüber aus, dass er anscheinend nicht kommen wird. Ich stehe auf und gehe auf sie zu. Als sie mich bemerkt, seufzt sie. "Denkst du, Zach hat es sich nun doch anders überlegt? Das wäre wirklich schade."

"Nun, also..."

Die Tür wird aufgerissen und augenblicklich erfasst mich ein mir bekanntes Gefühl. Nein, es ist eher eine Energie, die ich spüre. Und sie kann nur von einem ausgehen.

"Zachary!", ruft Eva lächelnd aus. "Schön, dass du gekommen bist."

Der Lockenkopf winkt ihr kurz zu, bevor er sich zu seinen Freunden gesellt, die ihn gleich in ihre Unterhaltung einbinden. Als würde er spüren, dass ich ihn anschaue, dreht er seinen Kopf in meine Richtung. Erwartungsvoll hebt er eine Augenbraue, was mich zum Schlucken bringt. Doch meinen warnenden Blick ignoriert er dann, indem er sich schließlich wieder abwendet und einem der Jungs etwas ins Ohr flüstert. Dieser lacht daraufhin.

Für einen kurzen Moment beschleicht mich tatsächlich der Gedanke, dass er ihm von uns erzählt, sodass mein Herz schneller zu schlagen beginnt. Genauso schnell schiebe ich diesen Verdacht aber auch schon wieder beiseite, als Landon aufsteht und zu einer Gruppe aus Mädchen, die vor ihnen sitzt, geht. Zach bleibt mit Henry zurück und die beiden scheinen sich köstlich über ihren Kumpel zu amüsieren, der anscheinend versucht, mit den Mädels zu flirten.

Als Eva neben mir auftaucht, löse ich mich von den Teenagern und sehe sie stattdessen an. Meine Kollegin wirkt total versunken in den Unterlagen in ihren Händen.

"Was hast du da?", frage ich sie und werfe auch einen Blick darauf. Sie scheint einen Zeitplan für die nächsten Wochen erstellt zu haben, wie weit wir in einer bestimmten Probe sein sollten.

"Habe ich dir schon eine Kopie hiervon gegeben?" Sie seufzt, als ich den Kopf schüttle. "Entschuldige, ich bin mit meinen Gedanken schon wieder viel weiter, als wir eigentlich sind. Aber egal." Eva hebt den Kopf und sucht in der Menge nach einer bestimmten Person. "Zachary!"

Ich beiße mir auf die Zunge, als er aufschaut und zu uns guckt. Ihm ist seine Verwunderung anzusehen, nachdem sie ihn zu uns gerufen hat. Dennoch macht er sich auf den Weg auf die Bühne und behält mich dabei im Auge. Es kommt mir vor, als würde ich unter seinen durchdringenden Blick immer kleiner werden.

Mist, ich kann mir schon vorstellen, warum Eva ihn jetzt zu sich zitiert hat. Sie möchte ihm doch unbedingt die erste Hauptrolle geben.

"Was gibt es?", fragt er schließlich, als er vor uns steht.

Eva reibt begeistert ihre Hände aneinander und schaut von mir zu ihm. "Also, du musst wissen, Zachary. Wir waren wirklich sehr beeindruckt davon, wie du die Spiegelübung dargestellt hast und, naja." Sie lächelt mich von der Seite an. "Und da haben wir uns überlegt, es wäre doch eine wundervolle Idee, dir die männliche Hauptrolle für unsere erste Aufführung zu geben."

Mich wundert es nicht, dass er deutlich überrascht darüber ist. Seine Aufmerksamkeit liegt schließlich wieder auf mir. Dass auch ich von diesem Vorhaben überzeugt sein sollte, scheint für ihn überaus verwirrend zu sein. Natürlich. Immerhin liege ich ihm im Ohr damit, dass er diesen Kurs verlassen soll. Und jetzt biete ich ihm die Hauptrolle an?

"Das...ist nett von Ihnen, denke ich. Aber ich glaube nicht, dass ich die beste Wa..."

"Keine Sorge, wir werden natürlich viel proben", meint sie schnell und legt ihre Hand auf seinen Arm. Eva scheint es nicht zu bemerken, aber ich beobachte, wie er unter dieser Berührung zusammenzuckt.

"Dann sollte ich wohl...Ihnen danken für das Vertrauen", sagt er dann. Unsere Blicke treffen sich und wegen dieses unergründlichen Ausdrucks in seinen Augen läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken.

Für seine Wirkung auf mich verfluche ich diesen Jungen.







Das ist ein reines Kopfzerbrechen wegen den beiden.

Sie wissen, was sie wollen. Und während Zach sich seinen Gefühlen hingeben möchte, versucht Jonah alles, um diese zu unterdrücken.

Nur weiß er selbst, dass das wohl nicht möglich ist.

Broken Heart [boyxman] | ✔Where stories live. Discover now