Kapitel 4

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* Vorsicht - das Kapitel könnte an einigen Stellen triggernd wirken *

• Z A C H A R Y •

"Zachary, die Zeit wird nicht schneller vergehen, wenn du nur auf die Uhr schaust."

Die Stimme meines Therapeuten hallt in meinem Kopf wieder und zwingt mich dazu, in die Realität zurückzukehren.

Mit einem Stift in der Hand bewaffnet, bedenkt mich der grauhaarige Mann mit einem abwartenden Blick. Bereit, meine Worte auf ein Blatt Papier festzuhalten.

Ich kratze am Leder des Sessels, auf dem ich mich Anfang der Stunde gesetzt habe, herum.

Am liebsten wäre ich jetzt ganz weit weg. Diese Therapiesitzungen haben meine Eltern mir aufgebrummt, da sie Angst um mich hatten. Dass ich mir womöglich etwas antun könnte.

Nun, nach Jahren der endlosen Gespräche fühle ich mich genauso leer.

"Wir haben noch ein paar Minuten. Möchtest du mir etwas über den ersten Schultag erzählen?" Dr. Huxley lässt mich nicht aus den Augen.

Auch nicht, als ich den Blick abwende und aus dem Fenster schaue. Beobachte einzelne Wolken, die vor sich hin schweben.

"Es gibt nichts, das sich zu erzählen lohnt. Sie wissen, dass es mein letztes Schuljahr ist." Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie sein Stift über das Papier tanzt.

Es gibt Tage, da wüsste ich gerne, was er aufschreibt. Und andere, in denen ich das Büro abfackeln würde.

"Wie gehst du damit um? Immerhin geht damit ein entscheidender Lebensabschnitt zuende. Du wirst danach auf eigenen Beinen stehen und deiner Zukunft einen Schritt näher kommen."

"Hören Sie, ich hätte nie gedacht, dass ich heute noch atmen würde. Wahrscheinlich sollte ich jeden Tag genießen. Selbst die Stunden, die ich in der Schule verbringe. Schließlich ist mein Leben so unglaublich kostbar. Aber das, was in mir vorgeht, sieht ganz anders aus."

Es ist das erste Mal in der heutigen Sitzung, dass Dr. Huxley seine Unterlagen beiseite legt. Somit baut er die Barriere zwischen uns ab. Seine Hände zusammengefaltet, versuchen seine grünen Augen mich zu durchdringen.

"Man kann etwas nicht vergessen, was einen tagtäglich zerreißt. Deine Gedanken sind vollkommen normal, Zach. Wenn du in den Spiegel schaust, siehst du nichts anderes als deine Krankheit. Sie scheint dich in deinen Augen zu definieren."

Ich schüttle den Kopf, zupfe an einen Hautfetzen an meinem Finger herum. "Wenn all die Menschen um dich herum in dir nur den kranken Jungen sehen, denkst du irgendwann auch so", meine ich lediglich und sehne mich jetzt noch mehr danach, dass der Zeiger der Uhr das Ende vorgibt.

"Wie würdest du dich selbst beschreiben?", fragt mein Therapeut. Ich lache bitter auf und lege meinen Kopf in den Nacken. "Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, sehe ich Schmerz, Fehler und viele Probleme." "Danach habe ich nicht gefragt, Zachary."

Ich setze mich aufrecht hin, fange seinen Blick auf und sehe ihn abwartend an, während ich spreche: "Sie wollen also die unschöne Wahrheit des Zachary Walsh's? Na gut. Wir haben alle eine Seite, von der niemand weiß. Ich denke, mein Leben wurde für mich selbst zum schlimmsten Albtraum, aus dem ich einfach nicht mehr aufwachen kann. Ich schlafe nachts nicht sehr viel, weil ich oft wach liege und mich frage, wo meine Lebensfreude hin ist. Bis mir einfällt, dass ich sowas nie besaß. Sie sind sich sicher, etwas Gutes in meiner pechschwarzen Seele zu sehen. Aber da ist kein Anzeichen von Glück, erst recht keines, das Hoffnung verspricht."

"Wenn ich es also richtig verstanden habe, bist du müde, willst einfach nur schlafen, kannst es aber nicht, weil dein Kopf keine Ruhe gibt. Wenn man ständig müde ist und Schlaf nicht hilft, dann plagt nicht der Körper über Müdigkeit. Sondern die Seele. Du trägst eine große Last mit dir herum, Zach."

Broken Heart [boyxman] | ✔Kde žijí příběhy. Začni objevovat