Kapitel 11

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• J O N A H •

"Jonah, was machst du da?", fragt Simon, während er eine Schüssel Popcorn auf den Tisch stellt. Ich sitze über den Plan zur Lektüre, die ich mit den unterschiedlichen Kursen durchgehen werde.

"Hey!"

Genervt sehe ich meinem besten Freund zu, wie er meine Unterlagen durchguckt. "Kannst du nicht mal zuhause abschalten?", bemerkt er schmunzelnd und legt die Blätter weg, sodass ich nicht rankomme. "Das wäre der letzte Plan gewesen." "Den kannst du auch noch morgen zuende machen, Jonah. Du hast Feierabend, also entspann dich ein wenig."

Er klopft mir aufs Knie, bevor er aufsteht und wahrscheinlich Bier aus der Küche holt. Seufzend lehne ich mich zurück und schließe die Augen. Denke über den heutigen Tag nach. In meinem Kopf schwirrt nur eine Person herum. Dieser verschlossene Junge. Er hat etwas an sich, das mich auf eine gewisse Art fasziniert.

Womöglich sollte ich mich von ihm fernhalten. Zachary scheint ein vollkommen verzehrtes Bild von seiner Umgebung zu haben und sieht in jedem einen Feind. Also auch in mir.

Ein Kribbeln breitet sich in mir aus, als Bilder von heute Nachmittag vor meinen Augen erscheinen. Wie ich meinem Schüler aufgeholfen habe und wir nahe aneinander standen. Unsere Blicke haben sich für ein paar Sekunden getroffen. Es war - ich kann es nicht einordnen. Dieser junge Mann löst etwas in mir aus.

"Hier."

Ich öffne meine Augen und sehe auf eine Bierflasche, die Simon mir hinhält. Schweigend nehme ich sie und nippe daran. Er setzt sich wieder neben mich und legt einen Arm auf die Lehne hinter mir. Sein Blick ruht auf mir.

"Was ist los? Wo warst du mit deinen Gedanken?"

"Ich habe über einen meiner Schüler nachgedacht", antworte ich ehrlich und höre ihn daraufhin nach Luft holen. "Du kannst echt nicht abschalten, Jonah." "Hattest du schon einmal etwas mit einer kranken Person zu tun?", übergehe ich seinen Kommentar und drehe meinen Kopf zu ihm. "Definiere krank." "Schwerkrank. Der Junge hat Herzprobleme. Ein angeborener Herzfehler." "Scheiße."

"Gestern habe ich mich um ihn gekümmert. Den halben Schultag saß ich bei ihm am Bett im Krankenzimmer. Du hättest ihn sehen sollen, Simon. So blass und kalt, dass seine Lippen bläulich waren."

Seine Worte fallen mir wieder ein: "Es gibt immer mal solche Momente, wie gestern. Daran sollte man sich gewöhnen, wenn man so ein Leben führt, wie ich es tue."

Er nimmt es mit einer solchen Leichtigkeit hin. So kommt es einem als Außenstehender zumindest vor. Aber er leidet.

"Wir haben heute Mittag nochmal miteinander geredet", erzähle ich weiter, "Und ich hatte wirklich das Gefühl, er hat sich ein wenig mir anvertraut. Meine Kollegen sind nie wirklich an ihn herangekommen. Aber es war", ich überlege kurz, wie ich es ausdrücken kann, "Zach hat mich ein wenig in seine Seele reinschauen lassen. Er ist wahnsinnig einsam, Simon. Mit all seinen düsteren Gedanken."

Simon schüttelt benommen den Kopf. "Dass dieser Junge in seinen jungen Jahren so etwas durchmachen muss...Das ist wirklich grausam. Aber gleichzeitig-" "Was?" "Er ist auch so stark, finde ich", meint er, woraufhin ich ihn fragend ansehe. "Überlege doch mal, er muss sich in seinem Alter mit sowas auseinandersetzen, wobei andere beispielsweise nur Sorgen darum haben, wie viele Follower sie auf Instagram haben. Er ist denen hier", er tippt sich gegen die Stirn, "so viel weiter voraus."

Ein winziges Lächeln schleicht sich um meinen Mund. "Das stimmt. Zachary ist besonders."

Mein Mitbewohner mustert mich eindringlich, studiert regelrecht mein Gesicht. "Du scheinst ihn zu mögen", stellt er schließlich fest und trinkt von seinem eigenen Bier. Ich wende den Blick ab und spiele am Etikett der Flasche in meiner Hand herum.

"Ich denke, ich könnte an ihn herankommen, verstehst du? Vielleicht öffnet er sich mir noch ein wenig, sodass er eine Vertrauensperson hat. Selbst gegenüber seinen Freunden und ich würde auch behaupten, gegenüber seinen Eltern, scheint er manchmal zurückgezogen. Als würde er nicht einmal ihnen vertrauen."

"Jonah, du weißt, wie sehr ich dich dafür liebe, dass du so ein toller Mensch bist..."

Diesen Tonfall in seiner Stimme kenne ich nur zu gut. Er wird mich belehren.

Auf der Lippe kauend schaue ich ihn von der Seite an.

"...Aber ich denke, du solltest dich nicht so sehr in all das mit diesem Schüler hineinsteigern. Du hast so ein großes Herz! Aber das bringt oft auch deine sensible Seite zum Vorschein. Und, naja, irgendwann könnte sich dein Verstand abschalten und du würdest nur noch auf dein Herz hören. Das kann gefährlich werden in solchen Situationen."

"Ich möchte ihm doch aber nur helfen." "Wobei?" "Naja, i-ich habe, ähm, ihm angeboten, der Theatergruppe beizutreten", murmle ich und spüre, wie sich meine Wangen rot färben. "Sowas kann Spaß machen", sage ich, als ich seinen kritischen Blick bemerke, "In andere Rollen zu schlüpfen und-" "Ein anderer Mensch ohne seine eigenen Probleme zu sein?", schlussfolgert Simon, das ich nickend bestätige.

"War das so falsch?"

Es ist sowieso egal. Zachary würde niemals in die Schauspielgruppe kommen, das hat er mir heute deutlich gemacht. Ihn interessiert sowas nicht.

"Du hast dir dabei garantiert nur Gutes gedacht, Jonah", er legt seinen Arm um mich, "Aber ich kann mir auch vorstellen, dass Zachary dachte, du würdest das alles aus Mitleid tun. Menschen wie er sind sicherlich besonders verletzlich und er könnte es so aufgenommen haben, dass du ihn nur für seine Krankheit bedauerst. Es kommt auf Fingerspitzengefühl an, Kumpel."

"Da könntest du Recht haben", gebe ich frustriert zurück und trinke einen großen Schluck Bier.



















Jonah kriegt Zach nicht aus dem Kopf und versucht diese Gefühle, die er in ihm auslöst, einzuordnen. Gleichzeitig rät ihm sein bester Freund, sich zurückzuhalten.

Hat er eine Vorahnung, dass Jonah sich in Zachary verlieben könnte?

Broken Heart [boyxman] | ✔Where stories live. Discover now