Kapitel 21

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Auf den Wunsch einer Leserin hin, veranstalte ich heute einen kleinen Leseabend. Ich hoffe, ihr freut euch darüber 😄

Und an die beste Freundin der Leserin gehen beste Glückwünsche zum Geburtstag raus 🎉🎉


• J O N A H •

Seufzend kuschle ich mich in die Decke, die ich mir vorhin übergeworfen habe.

Seit ich aus der Schule gekommen bin, sitze ich auf der Couch im Wohnzimmer und lasse immer wieder die Geschehnisse Revue passieren. Ein Schüler hat mich geküsst und ich habe es zugelassen. Und es hat mir verdammt nochmal gefallen!

Meine letzte Beziehung ist schon einige Zeit her, allerdings sollte das nicht entschuldigen, dass ich mich strafbar gemacht habe. Es könnte mir nicht nur meinen Job kosten, tatsächlich könnte ich ins Gefängnis wandern, würde es herauskommen.

Warum also habe ich Zachary nicht sofort von mir gestoßen? Ich hätte klare Grenzen setzen sollen, schon als wir uns näher kamen.

Doch ich habe es nicht getan. Und das, weil ich seine Nähe genossen habe. Ich habe sie mir gewünscht. Nur dass ich sie nicht hätte zulassen dürfen.

Wie soll ich ihm jetzt unter die Augen treten? Aus dem Weg gehen, wird schwer. Immerhin habe ich ihn im Unterricht. Und montags treffen wir uns zusätzlich noch nach der Schule in der Theatergruppe.

Mein Blick fällt auf die Unterlagen, die ich auf dem Tisch vor mir ausgebreitet habe. Unter ihnen befindet sich die Teilnahmeliste, die Eva mir gegeben hatte. Eine Zusammenstellung von den Schülern, die sie unbedingt in der AG sehen möchte. Ganz oben steht Zachs Name.

Grundlos ist es nicht. Immerhin hat er am Montag bewiesen, dass in ihm durchaus ein Talent schlummert, das nur darauf wartet, sich zeigen zu dürfen.

Es würde schwer werden, ihn dort rauszuwerfen. Fragen würden aufkommen, warum es gerade ihn trifft. Immerhin war er durchaus der beste. Das ist jedem dort durchaus bewusst gewesen.

Frustriert lehne ich mich zurück und ziehe die Decke bis zum Kinn hoch, als die Wohnungstür zugeworfen wird. Simon taucht wenig später am Türrahmen auf.

"Küsse?"

"W-was?"

"Ich habe dich gefragt, ob du sich ein paar Nüsse möchtest." Er hält mir eine Packung Nüsse entgegen, ich schüttle aber den Kopf.

Mein bester Freund mustert mich neugierig. "Du scheinst durcheinander zu sein. Ist etwas passiert?" "Nein. Es war nur...stressig", entgegne ich, als er sich neben mich setzt. "Du nimmst dir ganz schön viel Arbeit mit nach Hause", bemerkt er und deutet auf die ganzen Papiere. "Was ist das?" "Nur ein paar Sachen zur Theatergruppe. Eva würde gerne nächste Woche schon mit dem ersten Stück beginnen. Ich bereite nur etwas vor."

Nickend lässt er seinen Blick über alles schweifen und bleibt schließlich bei der Namenliste hängen. Neugierig nimmt er sie und begutachtet sie. "Zachary Walsh. Das ist doch nicht etwa der Junge, von dem du mir erzählt hast?"

Schuldig weiche ich ihm aus und greife nun doch in die Packung und stecke mir eine Handvoll Nüsse in den Mund.

"Jonah?"

"Es ist nicht so, wie du denkst! Er ist von sich selbst aus gekommen. Ich habe ihn nicht weiter dazu gedrängt!", ergreife ich schnell Partei für mich selbst, während ich spüre, wie meine Hände beginnen zu schwitzen.

"Beruhige dich. Ich hatte nicht vor, dir irgendwelche Vorwürfe zu machen", erwidert er und legt das Blatt Papier zurück auf den Tisch. Nervös beginne ich auf der Lippe zu kauen, als er sich im Schneidersitz zu mir umdreht und mich kritisch mustert.

Simon würde mir niemals in den Rücken fallen, würde ich ihm von dem Kuss erzählen. Und auch verurteilen würde er mich. Aber trotzdem habe ich Angst davor, es ihm zu erzählen. Wie würde seine Reaktion ausfallen?

Er wäre doch sicherlich enttäuscht, dass ich meine Zukunft durch sowas gefährde. Vor allem, nachdem er mich letzte Woche noch gewarnt hatte, meine Gefühle herunterzuschrauben.

"Du weißt, dass du mit mir reden kannst, falls dich irgendwas bedrückt?"

"Wie gesagt, heute war es einfach ein bisschen anstrengend. Du weißt schon, nachdem die erste Woche nach den Ferien vorbei ist, beginnt der eigentliche Unterricht. Ich muss mich da ein wenig noch daran gewöhnen."

Kurz habe ich die Befürchtung, er würde es mir nicht abkaufen. Doch selbst wenn, würde er es sich nicht anmerken lassen. Stattdessen bietet der Rothaarige mir noch ein paar Snacks an. "Das Interesse scheint aber doch größer zu sein, als gedacht", meint er und deutet damit die AG an. "Meine Kollegin und ich hätten auch nicht damit gerechnet. Umso erfreuter waren wir aber, dass so viele angetan waren."

"Und wie hat sich dein Sorgenkind gemacht?" Fragend erwidere ich seinen Blick. "Immerhin steht sein Name ganz oben. Er muss also Eindruck gemacht haben." "E-er war wirklich gut. Dafür, dass er anfangs nicht mitmachen wollte, hat er uns wirklich beeindruckt. Eva möchte ihn unbedingt in der AG behalten."

"Du scheinst aber nicht mehr so begeistert davon zu sein, Jonah."

"Wie kommst du darauf?"

Simon zuckt mit den Achseln. "Ich weiß nicht. Irgendwas liegt in deinem Blick, das mich so vermuten lässt. Und das verwundert mich. Immerhin wolltest du doch, dass er teilnimmt, um seine Krankheit ein wenig vergessen zu können."

Seufzend lasse ich den Kopf hängen.

Ihn verfolgen dunkle Gedanken, von denen er schwer fliehen kann. Doch könnte es ihm nun noch schlimmer gehen nach diesem blöden Kuss.

Eine gewisse Spannung war deutlich zu spüren. Und die hätten wir beide als Warnung sehen müssen - vor allem ich. Als sein Lehrer hätte ich es bemerken sollen, dass sich da etwas anbahnt, was nicht geschehen sollte.

Stattdessen wurde es aber immer schwieriger, ihm auszuweichen. Weil der Wunsch, ihm aus der Finsternis zu helfen, größer wurde. Und Zach hat endlich jemanden an sich rangelassen, der nicht aus seiner Familie stammt oder bei dem er nicht das Gefühl hatte, er müsse sich ihm so aufdrängen.

Ich habe ihm zeigen wollen, für ihn da sein zu wollen, weil mir sein Wohl wichtig ist. Sein Glück.

Damit habe ich allerdings wahrscheinlich auch einige Grenzen überschritten, die zwischen einem Lehrer und seinen Schülern bestehen sollten. Daher war er auch verwirrt und so kam es dann zum...Kuss.

Eine Hand legt sich auf meine Schulter. "Jonah, du wirkst schon wieder so abwesend", höre ich Simon sagen und richte mich kopfschüttelnd auf. "I-ich sollte mich hinlegen, denke ich." Mein Freund verfolgt jede meiner Bewegungen. Ihm scheint etwas auf der Zunge zu liegen, ich bin froh darüber, dass er es aber nicht ausspricht.

"Schlaf gut, Kumpel", meint er nur und greift nach der Decke, die gerade noch mich wärmte. "Wir sehen uns dann morgen", murmle ich und verlasse dann das Wohnzimmer, um mich in meinem Zimmer zu verkriechen.



Wenn Jonah nicht schon längst durcheinander war, ist er es definitiv ab jetzt. Er weiß gar nicht, wo ihm der Kopf steht.

Meint ihr, er hätte Simon von dem Kuss mit Zach erzählen sollen?

Broken Heart [boyxman] | ✔Where stories live. Discover now