Kapitel 43

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• J O N A H •

Ich schließe leise die Tür hinter mir.

Es ist schon etwas später und Zach ist gerade eingeschlafen. Er ist auf einmal sehr müde geworden und konnte kaum die Augen noch aufhalten.

Im Flur ist es ziemlich still, seine Geschwister liegen wahrscheinlich auch schon im Bett. Nur von unten hört man jemanden sprechen, wahrscheinlich sind es die Väter, die sich noch unterhalten.

Ich sammle all meinen Mut zusammen und gehe mach unten. Die Stimmen scheinen aus der Küche zu kommen und tatsächlich finde ich die beiden. Sie räumen gemeinsam das schmutzige Geschirr in den Geschirrspüler.

Benjamin, der mich wohl aus dem Augenwinkel gesehen hat, dreht sich zu mir um. Er wirkt gut gelaunt. "Zach?"

"Er ist eingeschlafen", sage ich und gehe auf die beiden zu. "Kann ich euch behilflich sein?"

"Wir sind schon fast fertig. Danke, Jonah", lehnt Elijah meine Hilfe lächelnd ab. "Es war ein schöner Abend, findest du nicht?"

Nickend setze ich mich an den Tisch und sehe ihnen zu, wie sie die letzten Gläser einsortieren. "Ich bin ehrlich gesagt ziemlich erleichtert, dass es so gut aufgenommen wurde."

"In unserer Familie wird das Glück aller am größten geschrieben. Unsere Kinder haben einfach bemerkt, dass du Zach guttust", erklärt der Blondhaarige achselzuckend und wendet sich dann mir zu, während sein Mann die Maschine anstellt.

Ein Schmunzeln umspielt meine Lippen. "Ist euch eigentlich bewusst, dass ihr alle aus einer Bilderbuchfamilie entstammen könntet?"

"Ist das so?"

"Ich finde es schön, wie es bei euch zugeht. Wie wichtig ihr einander seid. Mein Vater war auch die wichtigste Person in meinem Leben bis zu seinem Tod. Uns konnte keiner auseinanderbringen."

Elijah gesellt sich zu mir. Ben geht zum Kühlschrank und holt drei Flaschen Bier heraus. Etwas überrascht nehme ich ihm eine davon ab, bedanke mich aber.

"Nichts ist wertvoller als eine gute Eltern-Kind-Beziehung", stimmt mir Elijah lächelnd zu und nippt an seinem Bier. "Ich könnte niemals eines meiner Kinder loslassen. Dafür liebe ich sie zu sehr."

Mein Herz zieht sich schmerzlich zusammen, als ich seine Worte höre.

Ihm ist genauso bewusst wie jedem anderen, dass er irgendwann Zach gehen lassen muss, wenn der Moment gekommen ist.

Das Problem ist nur, dass er mir immer mehr ans Herz wächst. Und der Gedanke, dass er nicht mehr da sein könnte, tut wahnsinnig weh. Er ist mir in der kurzen Zeit so wichtig geworden.

"Ich möchte ihn nicht verlieren", spreche ich laut aus. Als ich die Blicke der Männer auf mir spüre, hebe ich kurz den Kopf, sehe dann die Traurigkeit in ihren Augen.

Sie möchten ihren Sohn auch nicht verlieren.

"E-es tut mir leid", sage ich mit gebrochener Stimme und konzentriere mich auf das Etikett der Bierflasche. "Ich möchte nichts anderes als dass Zachary glücklich ist. Er bedeutet mir so viel. Und deshalb...kann ich den Gedanken, dass er...stirbt...nicht ertragen."

Die beiden wissen nur zu gut, wie es mir geht. Immerhin haben sie mit denselben Sorgen zu tun. Und es ist ihr Kind, um das es hier geht.

Ich höre Benjamin neben mir seufzen. Überrascht sehe ich ihn an, als seine Hand auf meiner liegt. "Weißt du, welcher Verlust der schlimmste ist? Wenn du etwas verlierst, das du mehr liebst als dich selbst. Aber, Jonah, so schwer es dir auch fällt. Du musst diese Tatsache akzeptieren. Sein Tod wird ein Teil eurer Beziehung sein, ihr seid es aber, die bestimmen, wie viel er einnehmen soll."

Tränen füllen meine Augen und ich schlucke schwer.

Könnte ich das? Diesen einen bedeutsamen Teil beinahe vergesslich für mich zu machen? Wenn er mir doch so viel Angst macht?

"Wie schafft ihr es, damit umzugehen?", frage ich die beiden und drücke die Hand des Dunkelhaarigen. Er presst die Lippen aufeinander und schaut zu seinem Ehemann, der nochmals einen Schluck Bier trinkt.

Ein mitgenommenes Lächeln umspielt dann seine Lippen. "Es ist nicht einfach. Ehrlich gesagt...es zerreißt uns jeden Tag. Wir machen uns andauernd Sorgen um ihn. Sogar mehr als um unsere Kleinen, obwohl sie unsere meiste Aufmerksamkeit bekommen sollten."

"Als er kleiner war, wollten wir ihn kaum aus den Augen lassen. Aus Angst, dass ihm irgendwas passieren könnte. Nein, sogar Ezra haben wir nicht genug vertraut, auf seinen Bruder aufzupassen", erzählt Ben weiter. Kurz scheint er in Gedanken versunken zu sein, als er auf einmal lächelt. "Als Zach älter wurde, wuchs seine Genervtheit gegenüber unserer Vorsicht. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, wie oft er uns versichern wollte, dass es ihm gut ginge und wir uns nicht sorgen müssten. Aber das taten wir. Und tun es bis heute durchgehend."

"Hör mal, Jonah. Du weißt doch, dass Zachary in Therapie ist", meint Elijah und ich nicke. "Dr. Huxley begleitet ihn, aber auch uns seit Jahren auf unserem Weg. Er wird durch uns immer auf den neusten Stand gebracht, um mit Zach arbeiten zu können. Und mit ihm zu reden, hat uns in all den Jahren schon sehr viel geholfen. Ich glaube, wir wären schon längst zusammengebrochen, wenn wir nicht diese Sitzungen bei ihm hätten."

Wieder nicke ich und verarbeite die neuen Informationen. "Glaubt ihr, dass ich...auch mal mit ihm reden könnte?", frage ich anschließend. Mein Körper schmerzt beinahe vor Anspannung.

Wahrscheinlich würde mir all das leichter fallen, wenn ich mich früher damit beschäftigt hätte. Ich sollte darauf mehr achten, wenn mir etwas an Zach auffällt. Heute Abend wirkte er teilweise sehr abwesend. Und mir ist auch nicht entgangen, wie blass seine Haut war.

Keiner hat ihn aber darauf angesprochen. Seine Familie kennt ihn besser als ich und weiß, wie sie mit ihm umzugehen haben. Ich muss noch lernen, wie weit ich gehen kann, mit ihm darüber zu sprechen.

Zumindest wenn er es möchte. Wenn Zach nicht mit mir über sein Herz spricht, werde ich das auch akzeptieren müssen. Und womöglich würde er sich mir nach und nach diesbezüglich öffnen.

Wir können dem auf jeden Fall nicht aus dem Weg gehen. Irgendwann müssen wir darüber reden. Auch wenn ich selbst furchtbare Angst davor habe.







Es ist schön zu sehen, wie sehr die Familie Jonah schon miteinbeziehen und ihn als Teil ihrer ansehen.

Für ihn ist all das nicht sehr einfach. Ihn macht der Gedanke zu schaffen, Zach verlieren zu können. Vor allem nach all dem, was passiert ist, damit sie endlich zusammen sein können 🙁

Broken Heart [boyxman] | ✔Where stories live. Discover now