Kapitel 3

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• J O N A H •

Es ist mein erster Tag an der River Heights Highschool. Und bereits in der ersten Stunde bin ich als Lachnummer dargestellt worden. Das kann doch nur schief gehen.

Mein Vater pflegte immer zu sagen: "Versagen ist keine Option. Jeder muss erfolgreich sein."

Er wäre sehr enttäuscht von mir, wenn ich meinen Job gleich in der ersten Woche hinschmeißen würde.

Vor allem, weil er sich lange dagegen sträubte, zu akzeptieren, dass ich Lehrer werden wollte.

Aber es war seit einiger Zeit für mich entschieden, dass ich diesen Weg gehen würde.

Und nun bin ich froh, hier zu sein. Außerdem ist jeder Anfang schwer.

Erschrocken schnappe ich nach Luft, als ich von hinten angerempelt werde. Meine Unterlagen, die ich durchgehen wollte, liegen nun verteilt auf dem Boden.

Während ich mich bücke, schaue ich auf, um nach den Übeltäter Ausschau zu halten.

Dieser steht grinsend an der Wand gelehnt und sieht mir zu. Neben ihm lachen seine Freunde. "Das tut mir jetzt aber schrecklich leid", meint er, aber ich sehe es ihm schon an, dass es nicht aufrichtig ist.

Bei näherer Betrachtung kommt mir sein Gesicht bekannt vor. Er saß heute Morgen in der Klasse, der ich vorgestellt wurde. Die von Eva Graham. Ich habe mir seinen Namen nicht gemerkt.

Als zwei weitere Hände auf einmal vor meinem Sichtfeld auftauchen, schaue ich auf dem Kopf eines dunkelhaarigen Schülers, sein Gesicht kann ich allerdings nicht wirklich erkennen.

"Alter, Zach. Was machst du da auf dem Boden?", fragt der Teenager abseits, dem ich dieses Chaos zu verdanken habe.

"Du solltest womöglich mal zum Optiker, Silas", höre ich den Jungen antworten, "Anscheinend funktionieren deine Augen nicht mehr so gut, wenn du schon andere Leute nicht siehst."

Auch wenn ich es nicht sollte, kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Zurückhaltend bedanke ich mich für seine Hilfe, als dieser Zach mir die Blätter zurückgibt. "Brechen Sie nicht gleich in Tränen aus. Das ist ja wohl keine große Sache, ein paar Seiten Papier aufzuheben", erwidert er gelangweilt.

Mir fällt auf, dass auch er vorhin in der Klasse saß. Er war einer derjenigen, die sich einen Spruch über mich nicht verkneifen konnte.

Abwartend sieht er mich an, bevor er augenverdrehend seinen Rucksack schultert. "Hören Sie, wenn Sie eine Chance haben wollen, hier zu überleben, sollten Sie sich eine harte Schale zulegen. Das hier", er deutet auf mich herunter, "ist einfach nur erbärmlich."

Seine Worte versetzen mir einen Stich. Als er an mir vorbeigeht, zucke ich unmerklich zusammen.

Irgendwas hat dieser Junge an sich, dass er einem unter die Haut geht. Bei ihm sollte ich aufpassen.

Kein Schüler sollte so gegenüber einer Lehrerkraft reden. Er könnte jede Menge Ärger machen.

Mit schnellen Schritten gehe ich weiter, blende alle um mich herum aus. Mein Weg führt mich ins Lehrerzimmer, wo einige Kollegen sind und Kaffee trinken, sich unterhalten oder den Unterricht vorbereiten.

Erleichtert atme ich auf, als ich Eva Graham an der Kaffeemaschine entdecke. Sie lächelt, als sie mich sieht.

"Wie läuft bisher dein erster Tag?" "Nun", ich suche in der kleinen Küche nach Tassen, finde sie schließlich im Schrank über der Spüle, "jeder Anfang ist schwer, würde ich sagen. Ich muss noch ein wenig auftauen."

Wir setzen uns an einen der Tische, der noch unbesetzt ist. "Das wird schon. Glaube mir, die Kinder sind eigentlich ganz zauberhaft. Sie müssen sich halt mal vor den anderen aufspielen, aber sie haben doch alle ein gutes Herz."

Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll, also nicke ich nur.

Zu uns gesellt sich ein um die 40-jähriger Mann. Seinen Klamotten nach zu urteilen, scheint er der Coach dieser Schule zu sein. Freundlich hält er mir die Hand hin. "Coach Miller. Englisch und Sport." "Jonah Campbell. Englische Literatur und Spanisch", stelle ich mich vor und nippe dann an meinem Kaffee.

"Dann haben wir sicherlich öfters miteinander das Vergnügen", erwidert er, "Sicherlich können wir kursübergreifende Projekte planen." "Das klingt gut."

Ich bin wirklich nicht sehr gut darin, Unterhaltungen zu führen.

Der Coach wendet sich Eva zu. "Hat dir Walsh sein Attest gegeben?" Sie beugt sich zu ihrer Tasche hinunter und kramt eine Mappe heraus. Daraus fischt sie ein Zettel heraus und überreicht es ihm. "Der Junge kann einem wirklich leidtun", sagt sie dabei unglücklich.

Miller nickt zustimmend und überfliegt das Attest nur kurz. "Er scheint trotzdem einigermaßen in Form zu sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, sich als junger Mann nicht allzu sehr auslassen zu dürfen."

Fragend sehe ich zwischen den beiden hin und her. "Von wem sprechen Sie?" "Erinnerst du dich an den Jungen heute Morgen in meiner Klasse? Er saß relativ weit hinten und schaut oftmals nur aus dem Fenster-" "Was ihn nicht davon abhält, den einen oder anderen Spruch rauszuhauen", fügt Coach Miller schmunzelnd hinzu. "Zachary Walsh, heißt er."

Etwa der Zach, der mir gerade eben auf dem Flur geholfen hat? Die Beschreibung passt.

"Was ist mit ihm?", frage ich interessiert. "Er hat von Geburt an einen Herzfehler." Meine Augen weiten sich. "So ein junger Mensch?"

Bedrückt nickt meine Kollegin. "Das Leben ist manchmal wirklich unfair. Er sieht darin auch nicht wirklich einen Sinn und hat sich, glaube ich, schon fast aufgegeben", meint sie.

"Er darf sich deshalb natürlich nicht belasten und", der Coach hält das Attest hoch, "gibt es mir jedes Jahr schriftlich. Was meiner Meinung vollkommener Schwachsinn ist. Ihm geht das sicherlich total auf den Sack, das hier abzugeben. Er wird doch so oder so immer wieder an seine Krankheit erinnert. Aber so ist leider dieses verdammte Schulsystem, sie brauchen alles schriftlich." Miller schüttelt aufgebracht den Kopf.

Diese Information schockiert mich tatsächlich und nimmt mich mehr mit, als es womöglich normal ist. Offiziell hatte ich Zachary noch nicht einmal im Unterricht.

Aber er muss so etwas mit sich herumtragen und dabei ist er noch so jung!

Die Schulklingel ertönt und macht uns darauf aufmerksam, dass der Unterricht in einigen Minuten weitergeht.

Wir erheben uns und stellen die Tassen in die Spüle. Miller verabschiedet sich von uns und stürmt aus der Hintertür heraus. Allen Anschein erreicht er so die Turnhalle schneller.

Eva begleitet mich zum Klassenzimmer, da sie in dieselbe Richtung muss. "Hör mal, Jonah", sagt sie, "Es fällt uns allen nicht sehr einfach, aber wir wollen Zach wie jeden anderen behandeln. Zumindest so gut wie es geht." "Natürlich. Das liegt wahrscheinlich auch in seinem Interesse", erwidere ich.







Der arme Jonah hat es wirklich nicht sehr einfach...Aber niedlich ist er ja schon 🙈

Nun ist nur zu hoffen, dass er sich gegenüber Zach wirklich nichts anmerken lässt.

Dieser kann es bekanntlich nicht leiden, wenn man ihn auf seine Krankheit reduziert 😬

Broken Heart [boyxman] | ✔Where stories live. Discover now