Kapitel 10

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• Z A C H A R Y •

Ich sehe sie, als ich meinen besten Freunden hinterher schaue. Sie geht mit ihren Freundinnen über den Hof Richtung Schultor. Und mich scheint sie auch bemerkt zu haben. Mit zusammengepressten Lippen wendet sich Lexie von mir ab und senkt den Kopf.

Ihr ist es womöglich peinlich, was sie gestern gesagt hat. Beschämter ist sie wahrscheinlich aber über meinen späteren Ausbruch. Deshalb kann sie mir nämlich nicht mehr in die Augen schauen.

Wobei ich nicht beurteilen kann, ob sie es zuvor jemals getan hätte. Mich interessiert sie auch nicht so sehr. Aber gestern wollten sie und diese Kira unbedingt, dass ich auf deren Party komme.

Ob sie ihre Worte bereut?

Diese Frage stelle ich mir oft genug, nur um mir dann selbst einzugestehen, dass ich die Antwort bereits kenne. Menschen, die solche Bemerkungen machen, wissen meist nicht, wovon sie reden. Ich sollte mich also gar nicht darum scheren, was sie sagen. Aber da ich es tue, gehen mir diese Gedanken immer wieder durch den Kopf herum.

"Alter, nur weil er behindert ist, kann er auch ein wenig Spaß haben."

Es könnten nur bedeutungslose Worte sein. Mich interessiert sonst nicht, was andere über mich sagen. Wie gesagt, sie haben sowieso keine Ahnung.

Sie wissen nicht, was in einer Person wie mir vorgeht. Woher denn auch?

Einmal wurde ich gefragt, wie sich dieses 'Ding' in meiner Brust anfühlen würde. Das neue Herz.

Nein, für mich ist dieses Herz kein 'Ding'. Dieses Herz gehörte einmal einer anderen Person, die Familie und Freunde hatte. Mit ihnen gelacht und von ihren Eltern getröstet wurde, wenn sie traurig war.

Dieses Herz ist ein Geschenk, das mit keinem Geld der Welt zu bezahlen ist. Ein Geschenk, das ich von fremden Eltern bekommen habe, für die es untrennbar mit dem schlimmsten aller Verluste im Leben eines Menschen verbunden ist. Ein großartiges Geschenk.

Jemand ging in die Ewigkeit und ließ ein Stück seiner Ewigkeit für mich zurück. Deswegen darf ich weiterleben. Niemals werde ich das vergessen. Ich werde die Familie nie kennenlernen.

Und doch haben sie mir dadurch so vieles gegeben. Und ich bin ihnen unendlich dankbar.

Ich setze mich auf den Boden vor dem leeren Parkplatz, der für meine Eltern reserviert ist. Elijah holt mich ab, um mich zur Therapie zu fahren. Nach dem Zwischenfall gestern kann ich damit rechnen, nun doch öfters in die Praxis zu müssen.

"Simon, bist du schon zuhause?"

Mein Kopf schnellt nach oben. Mr. Campbell läuft über die Parkplätze, scheint aber nicht zu einem Auto zuzusteuern. Kann er sich kein Auto leisten? Es muss spaßig sein, mit seinem Lehrer Bus zu fahren. Man beachte den Sarkasmus.

Der dunkelhaarige bleibt ein paar Meter vor mir stehen und kramt in seiner Ledertasche nach etwas, während sein Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt ist.

"Du hast gekocht?", fragt er überrascht und strahlt von einem Ohr zum anderen. Der junge Lehrer hat ein schönes Lächeln. Nicht, dass es mich interessiert. Ist nur eine Beobachtung.

Und er scheint mit jemandem zusammenzuleben. Ein gewisser Simon.

Was man so alles erfährt. Erstaunlich.

"Du musst nicht auf mich warten, es dauert noch, bis ich zuhause bin."

Es klingt nicht danach, als wären sie ein Paar.

"Hör auf, Simon. Da werde ich ja gleich ganz rot", lacht er und stellt seine Tasche ab, um sich durch die Haare zu streichen. Er scheint nervös. Wenn nicht sogar verlegen.

Broken Heart [boyxman] | ✔Where stories live. Discover now