Kapitel 20

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* Vorsicht - das Kapitel könnte an einigen Stellen triggernd wirken *

• Z A C H A R Y •

"Du hast meine Frage vorhin nicht beantwortet."

Mit fragendem Blick schaue ich auf und sehe meinen Lehrer an, der allerdings etwas schreibt.

Seit etwa einer halben Stunde suchen wir die Bibliothek nach der Lektüre durch, die er mit seinen einzelnen Kursen durchgehen möchte. Mittlerweile haben wir uns auch immer weiter von den anderen Besuchern entfernt und scheinen hier nun unsere Ruhe gefunden zu haben.

Ich weiß nicht, ob er darauf geachtet hat. Mir ist es allerdings nicht entgangen, dass wir hier recht ungestört sind. Ich kann auch nicht ganz zuordnen, warum ich mich so in seiner Nähe wohl fühle und sie vor allem nur für mich alleine haben möchte.

Würde gleich jemand vorbeikommen, würde ich nicht sonderlich lange zögern, diese Person wegzuscheuchen.

"Was meinen Sie?"

"Du bist hier, anstatt bei deinen Freunden. Nicht, dass ich etwas dagegen habe. Aber ich frage mich bloß, warum?", erwidert er, scheint aber nicht die Absicht zu haben, mich anzuschauen.

Seufzend drücke ich mich vom Boden ab, wo ich vorher gekniet habe, und richte mich auf. Langsam lasse ich meine Finger über die Bücherrücken wandern. "Nach anstrengenden Therapiesitzungen ziehe ich mich oft zurück, um für mich zu bleiben. Das wissen die Jungs und glücklicherweise akzeptieren sie es auch." "Und du warst gestern bei deinem-" "Genau."

Es kehrt kurz Stille ein. Als ich ihn aus dem Augenwinkel mustere, sehe ich ihm an, dass ihm etwas auf der Zunge liegt. "Fragen Sie, Jonah."

"Worüber habt ihr geredet?", kommt es schließlich leise von ihm. Ein kleines Schmunzeln umspielt meine Lippen. Ihm ist seine Neugier unangenehm.

Und schon wieder ist es erstaunlich, dass ich ihm nicht wütend bin, dass er darüber etwas wissen möchte. Sonst würde ich es für mich behalten - es in mich hineinfressen, bis es mich von Innen nach Außen langsam zerstört -, aber bei ihm ist so vieles anders.

"Ich kann niemanden erklären, was in mir vorgeht, weil ich es selbst nicht verstehe", beginne ich. "Ist es nicht seltsam, dass wir am wenigsten über die Dinge reden, über die wir am meisten nachdenken?"

Mr. Campbell hat sich zu mir gewandt. Nun spüre ich seinen Blick ganz genau auf mir. Und auf einmal habe ich das Gefühl, von den Bücherregalen zerquetscht zu werden. Aber ich fasse den Mut, weiterzureden:

"Fürchten Sie sich vor dem Tod, Jonah?", frage ich ihn, warte aber nicht auf seine Antwort. "Das werde ich oft gefragt, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie oft. Dann werde ich komisch angesehen, wenn ich sage, dass ich mehr Angst davor habe, zu leben. Würde mein Tod Leben zerstören? Für mich, da bin ich mir sicher, würde er nichts Schlimmes bedeuten. Ich würde nichts mehr fühlen und könnte endlich...leben. Obwohl ich tot wäre, denke ich, ich könnte dann endlich richtig leben. Verstehen Sie?"

"Du verbindest dein jetziges Leben damit, irgendwann zu sterben. Aber Zachary, solltest du nicht die Zeit, die du hast, mit deinen Liebenden genießen?"

"Das tue ich. Sie sind das Wichtigste für mich. Ich wünsche mir sogar, dass meine Familie, die ich so sehr liebe, in den letzten Minuten bei mir sein würde. Damit ich loslassen kann. Doch es ist nicht so einfach. Sie leiden noch mehr, als ich es tue."

Ich lehne mich mit den Rücken an eines der Regale und schließe die Augen. In meinem Inneren herrscht wieder ein komplettes Chaos, das ich nicht einordnen kann.

Broken Heart [boyxman] | ✔Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin