2. Die Lichtung

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„Was ist mit ihnen passiert?" Der dunkelblonde Junge, den Gally Nick genannt hatte, kam herein.
Clint schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber die Verletzungen sind schon etwas älter. Irgendjemand hat ihnen das angetan und er hatte es ganz klar auf das Mädchen abgesehen."
„Die Schöpfer scheinen nicht gerade positiv zu sein..." Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Nick ein schwarzer Junge gefolgt war. Die beiden mussten ungefähr 17 oder 18 sein, während ich die anderen eher auf 16 schätzte.
Wie alt war ich eigentlich? Ich wusste es ja nicht.
„Ich bin Alby", stellte er sich vor. „Und wenn ihr versorgt seid, zeige ich euch die Lichtung, einverstanden?"
Wir nickten und Alby und der Junge, mit dem ich hergekommen war, warteten, bis Clint mit mir fertig war. Er entschied, dass die Wunde auf meiner Stirn nachträglich genäht werden müsste, andernfalls würde die Haut nicht wieder richtig zusammen wachsen. Also wusch er das getrocknete Blut ab, desinfizierte die Wunde und begann, sie mit einigen Stichen zu nähen. Ich kniff die Augen zusammen, da es ziemlich schmerzte, aber versuchte nicht allzu oft zusammen zu zucken um nicht schwach zu wirken.
Endlich war er fertig und gab das Okay, dass wir gehen konnten. Gally half mir hoch und ging dann selber wieder an die Arbeit, wie er sagte. Ich war also alleine mit den beiden Jungen.
Als erstes führte Alby uns zu einer Hütte, in der es nach Essen roch. Ein ebenfalls schwarzer Junge stand in einer Art Küche und briet etwas an.
„Fry Pan, das sind unsere neuen Frischlinge. Leute, das ist Fry Pan, unser Koch." Fry Pan verbeugte sich vor uns und ich fand, dass er sehr nett aussah. Ich lächelte ihn an und er erwiderte das Lachen sofort.
„Ihr habt bestimmt großen Hunger, so abgemagert wie ihr ausseht. Das Mittagessen dauert aber noch ein wenig. Wollt ihr einen Apfel haben?" Er hielt uns zwei Äpfel hin und wir nahmen sie dankbar an. Ich hatte das Gefühl seit Tagen nichts mehr gegessen zu haben.
„Dankeschön, Fry Pan. Ich bin Anna." Alby und der Koch wechselten einen Blick und sahen mich mit hochgezogener Augenbraue an.
„Es ist neu, dass jemand sich so schnell an seinen Namen erinnert", erklärte Alby.
Ich sah ihn verwirrt an. „Ist das etwas Schlechtes?"
Aber er schüttelte den Kopf. „Nein, das ist gut, denke ich."
Trotzdem entgingen mir die Blicke, die sich die beiden noch zuwarfen nicht. Mir war ein wenig unbehaglich zumute, aber ich redete mir ein, dass sie mir nichts tun würden, nur weil ich mich an meinen Namen erinnerte.
Wir verabschiedeten uns von Fry Pan und liefen in Richtung einer Art Felder, auf denen ein paar der Lichter arbeiteten, darunter auch der Junge mit den braunen Augen, die mich so verwirrt hatten. Aus irgendeinem Grund machte mein Herz einen Hüpfer, als er zu uns kam, nachdem er uns entdeckt hatte.
„Also - das ist Newt, mein Stellvertreter. Er hilft hier und da, heute ist er anscheinend bei den Hackenhauern."
Newt hielt mir eine Hand hin, um mich zu begrüßen, und ich war zuerst wieder so fasziniert von seinen Augen, dass ich zu spät reagierte, was garantiert komisch aussah. Aber er lachte mich nur an und schüttelte meine Hand schwungvoll. Auch dem anderen Jungen gab er die Hand.
„Newt, das ist Anna. Und der hier weiß noch nicht, wie er heißt." Als Alby meinen Namen sagte sah es kurz so aus, als zuckte Newt leicht zusammen, aber ich war sicher, dass ich mir das nur eingebildet hatte. Warum sollte er das auch tun?
„Tja, das hier sind also die Gärten. Wir bauen Obst und Gemüse an und versuchen uns momentan auch an Getreide, aber das ist gar nicht so einfach. Irgendwann wird vielleicht auch einmal Mais mit der Box hochkommen, darauf warten wir noch. Bis dahin müssen wir uns mit dem begnügen, was wir haben."
„Sieht doch toll aus", meinte der Junge neben mir und ich nickte.
Alby zuckte mit den Schultern. „Wie man es nimmt. Also: Ihr könnt euch einen Job aussuchen, abgesehen von Pans, der macht das am besten, wenn er alleine ist. Option Nummer eins sind die Hackenhauer, oder wie man sie normalerweise nennen würde, die Gärtner. Hier haben wir noch keinen wirklichen Hüter erklärt, also wäre Newt wohl euer Ansprechpartner." Ich sah wieder in die braunen Augen und mein Bauch kribbelte ganz komisch.
Jetzt reiß dich mal zusammen!
Ohne ein weiteres Wort lief Alby weiter und wir folgten ihm. Newt blieb zurück und als ich mich noch einmal umdrehte, erwischte ich ihn dabei, wie er immer noch genauso da stand wie eben und mir hinterher schaute. Als unsere Blicke sich trafen, sah er schnell weg und drehte sich dann um.
Mittlerweile waren wir bei Gally angekommen, der sichtlich beschäftigt war, das Dach einer kleinen Hütte fertig zu stellen.
„Gally ist bisher unser einziger Baumeister, deshalb haben wir ihn zum Hüter ernannt. Er macht das wirklich gut. Das ist vielleicht nicht der geeignetste Beruf für ein Mädchen, aber wenn du Lust hast..." Er sah den anderen Jungen an. Ich fühlte mich ein wenig diskriminiert, weil er mich anhand meines Geschlechts verurteilte, sagte aber nichts.
„Wie weit bist du?", fragte er an Gally gewandt.
„Deine Hütte ist fast fertig. Dann fange ich mit Newts an, wahrscheinlich noch heute Abend. Und wenn ich damit dann irgendwann fertig bin und wir mehr Material bekommen, kann ich mit meiner eigenen anfangen." Er sprang zu uns herunter und grinste mich breit an. „Na, wie findest du's bis jetzt?"
Ich lächelte zurück. „Gut, ihr habt es hier wirklich nett. Ich hätte mir keinen besseren Ort vorstellen können, um ohne Erinnerungen aufzuwachen." Das stimmte nicht ganz, aber ich wusste nicht, ob ich Alby sagen sollte, dass ich Gally früher gekannt hatte.
Doch der kam mir zuvor. „Wie es scheint hast du sie endlich wieder." Ich sah ein Lächeln über sein Gesicht huschen, als er mit dem Kopf in meine Richtung deutete.
Er wusste davon?
„Ja, das habe ich." Gally nahm mich wieder in den Arm und ich genoss seine Nähe. Anscheinend hatte ich ihn wirklich sehr vermisst, ohne dass ich mich daran erinnern konnte.
Alby nickte wissend und bedeutete uns dann, ihm zu folgen. Während wir nun zu einem Verschlag liefen, der etwas abseits war, sagte er: „Vielleicht wäre es besser, wenn ihr das, was ihr eben gehört habt, für euch behaltet. Ich weiß nicht, wie Nick auf diese Geschichte mit dir und Gally reagieren würde." Er sah von mir zu dem Jungen und wir nickten beide.
„Von mir erfährt keiner was", meinte er.
„Außer Newt und mir weiß es sonst keiner. Also, schön dicht halten."
Wir erreichten den Verschlag und ich bemerkte sofort einen leichten Verwesungsgeruch. Ein Junge mit dunklem Teint kam uns entgegen und streckte mir eine blutige Hand entgegen. Ich sah ihn mit großen Augen an und er schien erst jetzt zu merken, wie seine Hand aussah.
„Oh, entschuldige, Berufskrankheit." Er lachte und ich lächelte ihn etwas verwundert an.
„Das ist Winston, Hüter der Schlitzer. Sie schlachten hier die Tiere, die wir nicht zur Milchproduktion oder für Wolle brauchen, sondern zum Essen. - Ist nicht für jeden was."
Da hatte er absolut Recht. So nett wie Winston auch aussah, zu diesem Beruf würde mich niemand überreden können.
Alby schien zu merken, dass ich mich nicht wohl fühlte und wir setzten unseren Rundgang fort, nachdem wir uns von Winston verabschiedet hatten.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryOnde histórias criam vida. Descubra agora