16. Ein schlafender Gally

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Ich lag in meiner Hängematte und starrte die Decke an. Es musste mittlerweile bestimmt 12 Uhr nachts durch sein, aber ich konnte nicht schlafen.
Wie denn auch? Außer mir war niemand hier, einmal abgesehen von dem schlafenden Gally, der zusammen gerollt auf dem Boden vor meiner Hängematte lag und leise schnarchte. Alle Anderen waren noch auf den Beinen, denn kurz nachdem Gally in die Hütte gestürmt war, hatte Nick für alle hörbar verkündet, dass Stan tot war und dass wir den Ablauf morgen bei einer Versammlung klären würden. Ein Raunen war durch die Menge gegangen und es hatte nicht lange gedauert, bis die ersten geahnt hatten, dass ich etwas damit zu tun haben musste. Keiner machte mir einen Vorwurf, aber als Gally mich nach wenigen Minuten zu meinem Schlafplatz getragen hatte und wir durch die Gruppe der Lichter mussten, hatten alle geschwiegen und mich mit großen Augen angesehen.
Nach dieser Aufregung dachte niemand ans Schlafen - bis auf Gally, wie es aussah. Newt war bei Nick und Alby geblieben um zu entscheiden, was sie mit Stan machen sollten, aber ich hatte bereits aufgeschnappt, dass Alby davon gesprochen hatte, ihn im Wald zu vergraben, direkt neben dem Denkmal für George. Gerade waren sie wahrscheinlich damit beschäftigt, seinen leblosen Körper dorthin zu schaffen und ich lag hier und konnte nicht dabei sein.
Wollte ich das denn überhaupt? Ich glaubte, es nicht ertragen zu können ihn noch einmal zu sehen und trotzdem schämte ich mich dafür, dass ich hier herumlag, obwohl ich doch dafür verantwortlich war, dass er tot war.
Bei dem Gedanken daran lief mir eine einzelne Träne die Wange herunter. Immer, wenn ich die Augen schloss, sah ich seinen leeren Blick, mit dem er mich angesehen hatte, als er versuchte, mich umzubringen. Und dann wieder die Augen dieses Jungen, der vollkommen erschüttert darüber war, was ihm gerade passierte. Als hätte das Sterben ihn noch einmal zu sich selbst werden lassen.
Ich zuckte zusammen, als Gally neben mir grunzte und dann leise vor sich hin schnarchte. Ich setzte mich ein wenig auf, wobei ich froh war, dass mir nicht mehr alles so unerträglich wehtat, und schaute zu ihm herunter. Sein Gesicht war entspannt und sein Mund stand einen Spalt weit offen. Bei diesem Anblick wurde mir warm ums Herz und ich vergaß kurz, was passiert war, und sah ihn einfach nur an, meinen besten Freund, bis ich Schritte hörte.
Ich sah auf und versuchte zu erkennen, wer da zu uns kam, und es dauerte nicht lange, bis ich Newt erkannte. Er versuchte wohl, möglichst leise zu sein und lächelte mich schwach an, als er sah, dass ich wach war.
„Ist alles okay?", fragte er besorgt.
Ich nickte. „Was habt ihr...?" Weiter konnte ich nicht sprechen.
„Sie sind gerade dabei das Grab zuzuschütten. Alle sind tief erschüttert, aber wir sind uns einig, dass dich keine Schuld trifft. Du hast dich nur gewehrt. Trotzdem möchte Nick, dass du uns morgen früh bei einer Versammlung genau erzählst, was passiert ist. So machen wir das hier."
Ich nickte wieder. Ich verstand, dass sie es so handhaben mussten, um die Gruppe zusammen zu halten.
„Es tut mir so leid", flüsterte Newt und seine Stimme brach am Ende etwas.
„Was...?", begann ich. Ich verstand nicht, was er meinte.
„Wenn ich nicht rausgelaufen wäre... Ich hätte dich beschützen können. Das wäre alles nicht passiert. Es ist meine Schuld. Du wärst nicht verletzt worden und Stan wäre nicht..." Weiter kam er nicht, denn ich war aufgestanden und hatte ihm sachte eine Hand auf den Mund gelegt.
„Hör auf, so etwas zu sagen! Du wolltest Hilfe holen und konntest doch nicht ahnen, dass er sich losreißen würde. Dich trifft absolut keine Schuld!"
Als er durch meine Hand etwas sagen wollte, schüttelte ich energisch den Kopf und sagte: „Ich will nichts mehr hören, Newt. Red dir nicht so einen Mist ein. Du hast alles richtig gemacht. Ich hätte nicht anders reagiert – so wie alle hier."
Mit diesen Worten stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Er war sichtlich überrumpelt, erwiderte den Kuss dann aber, wobei er mich näher an sich zog.
Kurz vergaß ich alles um mich herum, vergaß den völlig verrückten Tag mit seinem schrecklichen Ende, der hinter mir lag. Und vergaß, dass wir nicht alleine waren.
Ich hatte gerade meine Arme um Newts Nacken gelegt und war vollkommen in unseren Kuss vertieft, als jemand sich laut räusperte. Erschrocken löste ich mich von Newt und drehte mich um. Gally saß immer noch auf dem Boden und sah zu uns hoch. Wir mussten ihn geweckt haben.
„Würde es euch was ausmachen, das nicht zu machen, wenn ich daneben liege? Ist irgendwie ein bisschen unangenehm, wisst ihr", murmelte er verschlafen und ich musste tatsächlich lachen, was sich komisch anfühlte, nachdem ich so viel geweint hatte.
Er stand auf und fuhr sich über das Gesicht. „Keine Sorge, Newts Hütte ist ja bald fertig."
Ich sah ihn perplex an und gab ihm einen Klaps gegen die Brust für diese letzte Bemerkung.
„Was denn? Ich hab doch Recht." Er gähnte. Dann guckte er sofort wieder ernst und fragte an Newt gewandt: „Wie sieht's aus? Haben sie ihn..." Newt nickte zur Antwort und Gally schluckte einmal laut. „Na dann will ich mich wohl auch mal verabschieden gehen, was?" Seine Stimme klang anders als sonst.
Als er Richtung Wald ging sah ich ihm bedrückt nach, doch da drehte er sich noch einmal um. „Jetzt könnt ihr von mir aus weiter machen." Mit diesen Worten verschwand er in der Dunkelheit und ich konnte nicht anders, als ihm wieder perplex hinterher zu gucken.
„Manchmal ist er schon komisch", murmelte ich und schüttelte den Kopf.
„Ich finde er hat Recht. Ich will jetzt nicht mehr an Stan denken und du solltest das auch nicht." Mit diesen Worten zog Newt mich wieder ganz nah an sich heran und küsste mich.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now