51. Die Nacht im Labyrinth

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„Das ist Thomas!", stieß ich hervor und versuchte mich zu orientieren. „Komm schon, wir müssen ihm helfen!" Mit diesen Worten rannte ich los in die Richtung, aus der die Schreie kamen.
Sie wurden immer lauter und mit ihnen das schnelle Klicken und Klacken eines Grievers. Wir rannten gerade einen Gang entlang, als Thomas direkt vor uns aus einem Seitengang gestürzt kam, ohne uns zu bemerken. Er war definitiv vor etwas auf der Flucht.
Minho, der ein paar Meter vor mir lief, rannte fast in ihn herein, packte ihn und erschreckte ihn damit offensichtlich fast zu Tode.
„Hey!", rief er, als Thomas nach ihm ausholen wollte. Der schrie nur entsetzt auf und es dauerte ein paar Sekunden, bis er realisierte, dass wir es waren.
„Du bist echt 'nen verrückter Mistkerl", sagte Minho, als wieder ein Schrei, dieses Mal der des Grievers ertönte. Erst jetzt sahen wir in den Gang, aus dem Thomas gekommen war.
Und zum ersten Mal nach drei Jahren, die ich jeden Tag in dieses Labyrinth lief, sah ich einen Griever. Mir stockte der Atem und ein Schauer durchlief mich, als ich in die Augen dieses Dings sah, das aussah wie eine riesige Spinne auf Beinen aus Metall. Wieder schrie es und nahm Anlauf, um uns anzuspringen.
„Wir müssen hier weg!", stieß ich hervor und packte Minho am Arm, der Thomas mit sich zog.
„Okay, komm mit. Komm schon!", rief Minho und wir liefen in die Richtung, aus der wir gerade eben gekommen waren, der Griever dicht hinter uns.
Ich konnte es einfach nicht glauben, dass ich gerade wirklich Auge in Auge mit einem Griever gestanden hatte und jetzt gerade vor einem weglief. Es hatte immer geheißen, niemand, der einen von ihnen gesehen hatte, überlebte dies. Sollte das auch für uns gelten?
Wir beschleunigten unsere Schritte und es war, als würden wir fliegen. Ich konnte mich nur an ein Mal erinnern, an dem ich so schnell gelaufen war und das war damals gewesen, als ich gegen Ben angetreten war, nachdem er Minho besiegt hatte. Ben, der wahrscheinlich längst selber von einem Griever umgebracht worden war...
Wir bogen um mehrere Ecken und hängten das Ding hinter uns ein wenig ab, als Minho langsamer wurde und rief: „Es verändert sich. Es verändert sich, kommt, kommt!"
Er hatte Recht, ich konnte es auch hören. Ganz in unserer Nähe war eine Mauer gerade dabei, sich zu bewegen. Wir bogen um eine weitere Ecke und jetzt sahen wir, dass sich nur wenige Meter von uns entfernt ein Gang schloss.
„Der Abschnitt schließt sich! Kommt, da vorne können wir ihn abhängen!" Wieder packte Minho meine Hand und zog mich mit sich, geradewegs auf die sich schließende Mauer zu.
Wir erreichten das breite Tor und liefen hindurch. Erst als wir auf der anderen Seite angekommen waren, drehten wir uns um und bemerkten, dass Thomas stehen geblieben war und sich immer wieder umschaute.
„Thomas!", rief ich entsetzt. „Komm schon!"
Aber er reagierte nicht.
„Thomas!", schrie jetzt auch Minho. „Worauf wartest du?! Lauf endlich!"
Wieder drehte Thomas sich um, denn hinter ihm war der Schrei des Grievers zu hören, der nur noch einen Gang entfernt sein konnte.
„Was macht er?!", fragte ich entsetzt.
„Was für ein Strunk", keuchte Minho und hüpfte auf und ab.
Jetzt schien Thomas den Griever sehen zu können, denn ich hörte zu meinem Entsetzen, dass er ihn anschrie. „Na komm schon!"
Ich schlug mir eine Hand vor den Mund und beobachtete, wie der Griever ihn beinahe packte, als er um die Ecke schoss und ihn jetzt durch das sich immer weiter schließende Tor verfolgte. Genau genommen schloss sich der komplette Gang, weshalb Thomas noch eine viel zu weite Strecke vor sich hatte, bevor er uns und somit seine Sicherheit erreicht hätte.
„Komm schon!", schrie er wieder und drehte sich immer wieder zu dem Ding hinter sich um.
Neben mir brüllte Minho ihn weiter an: „Komm schon, jetzt dreh dich nicht um! LAUF!"
Kurz sah es so aus, als würde er hinfallen, aber er ruderte wild mit den Armen und schaffte es, sein Gleichgewicht zu halten. Plötzlich verstand ich, was er vorhatte – er wollte, dass der Griever von den Mauern zerquetscht wurde. Ich nahm die Hand vor meinem Mund weg und begann ebenfalls, ihn anzufeuern.
„Los, Thomas, lauf!", schrie ich.
„Bewegung, Thomas, na los! Beweg deinen Arsch, los geht's, mach schon!" Minho schrie immer lauter.
„Gib alles, du schaffst das!", brüllte ich, während er näher kam.
„Los, Frischling, los geht's!"
Er hatte es fast geschafft, aber der Griever war ihm so dicht auf den Fersen, dass ich glaubte, er würde ihn gleich umreißen und die beiden würden zusammen zerquetscht werden.
„THOMAS!", brüllten Minho und ich ein letztes Mal aus vollem Hals und der Junge stürzte uns entgegen und riss uns mit sich zu Boden. Mit einem dumpfen Knall schloss sich die Mauer und der Griever gab einen letzten, erstickten Schrei von sich.
Ich stöhnte auf, weil ich mit voller Wucht auf dem harten Boden aufgekommen war, und setzte mich langsam auf, wobei ich mir an den Hinterkopf fasste, der schmerzhaft pochte. Minho und Thomas rieben sich beide ebenfalls Kopf und Arme, als ich realisierte, was gerade passiert war.
„Du hast ihn umgebracht", stieß ich hervor und sah den Neuen mit großen Augen an.
„Ich hab noch nie jemanden gesehen, der so mutig und so verrückt zu gleich ist." Minho stand langsam auf und half dann mir hoch, während er Thomas ungläubig musterte.
„Und schnell", flüsterte ich und sah ehrfürchtig zu ihm herunter, wie er immer noch auf dem Boden saß.
„Ich dachte, so könnten wir ihn vielleicht ein für alle Mal ausschalten..."
„Das hast du auf jeden Fall geschafft", sagte Minho und hockte sich vor den zerquetschten Griever, dessen Kopf und Metallzangen zwischen den Mauern hervor lugten.
Wir brauchten eine Weile, bis wir uns wieder gefangen hatten und zurück zu Alby liefen. Da wir einen Umweg machen mussten, erreichten wir ihn erst, als es fast schon dämmerte und hievten ihn dann herunter. Thomas erzählte uns, dass er sich im Efeu versteckt und dann die Ranke festgebunden hatte, nachdem der Griever an ihm vorbei gelaufen war, ohne ihn oder Alby entdeckt zu haben und er ihn erst später gefunden hatte, als er sich schon einige Gänge von Alby entfernt hatte. Minho und ich wechselten immer wieder Blicke und er sah mich schuldbewusst an, auch wenn ich wusste, dass er immer noch der Meinung war, dass es das Richtige gewesen war, mich in Sicherheit zu bringen.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now