10. Eifersucht

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„Anna?! Anna!"
Ich schreckte hoch, als jemand aus voller Kehle meinen Namen rief. Zuerst wusste ich überhaupt nicht, wo ich war. Doch dann spürte ich eine Bewegung neben mir und als ich mich umsah, erkannte ich, dass ich in Newts Armen gegen den Baumstamm gelehnt saß und eingeschlafen sein musste.
„Verdammt, wo ist sie?!" Gally. „Minho, such sie! Sie muss hier doch irgendwo sein!"
„Ich suche ja schon!"
Ich hörte Schritte, die näher kamen und schüttelte den Kopf, um einen klaren Gedanken zu fassen. Ich war immer noch auf der Lichtung, wusste immer noch nicht, wie ich hergekommen war und hatte keine Ahnung, warum mir all das passierte und wer ich früher gewesen war.
Da durchfloss mich wieder dieses wunderschöne Gefühl der Wärme, als Newt, der aufgestanden war, mir seine Hand hinhielt und unsere Haut sich berührte, als er mich hoch zog. Ja, ich hatte keine Ahnung von all dem, aber ich hatte immerhin ihn. Das war so viel mehr wert.
„Sie kann doch nicht verschwunden sein, sie war doch vor zwei Stunden noch am Feuer!" Gally schien innerlich zu toben vor Panik. „Anna! Verdammt noch mal, wo steckst du?!"
Endlich hatte ich meine Stimme wieder gefunden und antwortete: „Gally? Ich bin hier!"
Im nächsten Moment stürzte Gally durch ein Gebüsch und fiel mir beinahe vor die Füße.
„Scheiße, ich hab mir solche Sorgen gemacht! Was machst du denn hier?"
Er zog mich an sich und schien Newt zuerst gar nicht zu bemerken. Kurz war ich erstaunt über seine Reaktion, erwiderte die Umarmung aber dann.
„Wir...", begann ich, aber weiter kam ich nicht. Mal abgesehen davon, dass ich gar nicht wusste, was ich ihm sagen sollte.
Gally hatte Newt gesehen. „Was...?", begann er und ließ mich los, nur um mir sofort einen Arm um die Schultern zu legen und mich an sich zu drücken.
Die beiden sahen sich sekundenlang schweigend an und die Stimmung war angespannt. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, um den Moment aufzulockern, aber da kam Minho mir zur Hilfe. Er schlug sich einen Weg durch das Gestrüpp und kam bei uns an.
„Da bist du ja. Gally hat uns über die gesamte Lichtung gejagt."
Er ließ sich auf den Baumstamm neben uns sinken und schien die Spannung, die in der Luft lag, überhaupt nicht zu bemerken.
Was heißt uns? Hat er etwa alle verrückt gemacht?
Der Gedanke war mir unangenehm. Gleich am ersten Tag so negativ aufzufallen war nicht mein Ding, zumindest glaubte ich das.
Noch immer hatten Gally und Newt sich nicht gerührt und so langsam fand ich es etwas ungemütlich, wie Gally mich an sich drückte. Der starrte Newt mit zu Schlitzen zusammen gekniffenen Augen an und hatte jeden Muskel gespannt. So fühlte es sich auf jeden Fall an.
„Was hat das hier zu bedeuten? Was machst du hier mit ihr im Wald?", zischte er.
Newt öffnete den Mund und wollte etwas antworten, aber Gally ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Ich schwöre dir, wenn du sie auch nur angefasst hast, bringe ich dich um."
Damit machte er einen Schritt auf ihn zu und ich nutzte die Gelegenheit um mich aus seinem Arm zu winden, was er gar nicht zu bemerken schien. Er machte nur noch einen Schritt nach vorne und baute sich bedrohlich vor Newt auf.
Minho war aufgesprungen und hielt einen Arm zwischen die beiden. „Okay, jetzt beruhigen wir uns erst einmal wieder, ja, Gally?"
Aber es half nichts, Gally stieß seinen Arm einfach weg und kam Newt nur noch näher.
„Stop! Gally, es reicht!" Jetzt schob ich mich zwischen die beiden und stellte mich vor Newt.
„Was soll das? Warum benimmst du dich so kindisch? Du weißt doch gar nicht, was passiert ist, warum fragst du nicht einfach, bevor du hier irgendwen bedrohst?" Ich war ziemlich wütend.
„Na schön. Dann erzähl es mir."
Er verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch.
„Gally... Du bist nicht der Einzige, an den ich mich erinnert habe. Newt, er... Er war mein Freund und... ich habe ihn geliebt – und das tue ich immer noch, wie es aussieht. Das scheinen die nicht gelöscht zu haben. So etwas scheint zu bleiben."
Es herrschte absolute Stille. Ich hörte, wie Minho ein leises Pfeifen durch die Zähne ausstieß, aber ich wandte meinen Blick nicht von Gally. Er starrte mich zuerst an, ohne eine Regung zu zeigen. Dann sah er zwischen Newt und mir hin und her, als müsse er diese Konstellation erst begreifen. Langsam begann er, den Kopf hin und her zu schütteln.
Noch immer sagte niemand etwas. Die Stille war erdrückend und ich wusste, dass ich verrückt werden würde, wenn nicht bald jemand etwas sagte. Aber das passierte nicht, denn Gally drehte sich einfach ohne ein Wort um und ging. Er verschwand durch das Gebüsch, durch das er gekommen war und ließ uns stehen.
Perplex sah ich ihm nach, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte.
„Hey, der kriegt sich schon wieder ein. Er ist wahrscheinlich einfach nur überfordert mit der Situation. Ich meine, es ist ja auch nicht gerade unspektakulär, richtig?", fragte Newt.
Ich nickte langsam. Ja, da hatte er Recht. Irgendetwas sagte mir, dass es Gallys Art gewesen war, mich nicht wirklich teilen zu wollen. Anscheinend war das so geblieben.
„Was ein erster Tag hier...", murmelte Minho kopfschüttelnd und machte sich ebenfalls auf den Weg zurück zur Lichtung. Ich wollte ihm folgen, als Newt meine Hand griff und mich festhielt.
„Es tut mir leid, dass du meinetwegen Stress mit ihm hast. Ihr müsst euch sehr nahegestanden haben, früher."
Ich nickte langsam. „Ja, das tun wir immer noch, denke ich. Es hat sich ja schließlich nichts verändert."
„Wie es scheint, ändern sich unsere Gefühle nicht, wenn wir uns erst einmal an sie erinnert haben."
Mit diesen Worten küsste er mich ohne Vorwarnung und sofort explodierten die Schmetterlinge in mir wieder. Ich drückte meine Lippen auf seine und legte meine Arme um seinen Nacken.
Als wir uns wieder voneinander lösten, musste ich nach Luft schnappen, da ich völlig vergessen hatte, zu atmen. Er grinste mich breit an und dieses Lächeln kannte ich. Ich hatte es schon so oft gesehen.
Ich grinste zurück und vergaß, dass Gally wütend auf mich und wir auf einer Lichtung in einem Labyrinth waren, das ich morgen – oder heute? – zum ersten Mal betreten sollte. Ich vergaß, dass ich mich an so gut wie nichts erinnern konnte und hier eingesperrt war. Alles, an was ich dachte, waren Newts Augen und meine überwältigenden Gefühle ihm gegenüber.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und doch viel zu früh flüsterte er: „Na komm, ich bringe dich zu deiner Hängematte. Du solltest genug schlafen, bevor du da raus gehst."
Ich nickte und ließ zu, dass er meine Hand nahm und mich durch den Wald zurück zur Lichtung führte. Als wir am mittlerweile nur noch glühenden Lagerfeuer vorbei liefen, sah ich jemanden dort sitzen und stutzte, denn ich war sicher gewesen, dass bereits alle schliefen. Aber da war mir auch sofort klar, wer es war.
Gally saß auf einem Baumstamm und hatte ein Glas mit diesem merkwürdigen Zeug in der Hand, das am Abend alle getrunken hatten. Ich wusste noch immer nicht, was es war, aber so wie er da saß, musste es irgendetwas sein, was einen benebelte. Alkohol? Ich hatte keine Ahnung von so etwas.
Ich wollte zu ihm gehen und ihn einfach in den Arm nehmen, aber mein Gefühl sagte mir, dass er Zeit brauchte und dass er nicht der Typ dafür war, sich gleich wieder zu beruhigen, wenn ihn etwas aufgeregt hatte. Also ließ ich mich von Newt weiter führen, bis wir bei den Schlafplätzen ankamen.
Alles, was man hören konnte, war der ruhige Atem der schlafenden Jungen und im Mondlicht konnte ich sie alle sehen, nur Nick und Alby waren nicht da, sie hatten ja auch ihre eigene Hütte, fiel mir ein. Und natürlich Gally, der ja beleidigt am Feuer saß und sich betrank.
Als wir meine Hängematte erreicht hatten, blieben wir stehen und sahen uns an. In mir kribbelte es wieder, als Newt sich zu mir herunter beugte und mir einen sanften Kuss gab, bevor er sich zu seiner Hängematte aufmachte.
„Ich liebe dich", flüsterte ich.
„Und ich liebe dich."

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt