54. Die Letzte für immer

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Was? Was hatte er da gerade gesagt? Ein Mädchen? Ein anderes Mädchen? Mein Herz setzte aus und ich drängte mich zusammen mit Thomas zwischen Zart und Winston durch.
Es stimmte. In der Box lag ein Mädchen, bewusstlos oder tot, zumindest bewegte sie sich nicht. Sie hatte braune Haare, so wie ich und ich fand, dass sie hübsch war, wie sie so dalag.
„Ich glaub, sie ist tot", stieß Newt hervor und sah verwirrt zu uns hoch.
„Was hat sie in der Hand?", fragte Gally und erst jetzt fiel mir auf, dass ein Stück Papier aus ihrer Hand hervorlugte. Newt hockte sich neben sie und zog ihr vorsichtig einen Zettel aus der Hand. Er faltete ihn auf und las ihn.
„Sie ist die Letzte. Für immer." Er sah wieder verwirrt zu uns hoch. „Was soll'n das bedeuten?", fragte er.
In diesem Moment erwachte das Mädchen plötzlich, riss die Augen auf und schnappte laut nach Luft, sodass er vor Schreck beinahe umfiel. Ein entsetztes Raunen ging durch die Menge, alle zuckten zusammen und Chuck griff nach meiner Hand.
„Thomas!", keuchte sie, bevor sie wieder bewusstlos wurde.
Jetzt waren aller Augen auf Thomas gerichtet, der sich völlig perplex umsah.
„Findet ihr immer noch, dass ich überreagiere?", fragte Gally sarkastisch und sah ausgesprochen zufrieden mit sich aus.
Ich sah wieder Thomas an und erkannte, dass er nachdenklich zu dem Mädchen herunter blickte, als fragte er sich, wer sie war. Wusste er es wirklich nicht, oder tat er nur so?
Endlich erwachte ich aus meiner Paralyse aufgrund der Tatsache, dass tatsächlich ein zweites Mädchen zu uns herauf gekommen war. Als niemand etwas sagte, durchbrach ich die Stille.
„Kommt schon, wir müssen sie da raus holen und in die Sanihütte bringen. Clint, Jeff, worauf wartet ihr?", fragte ich und sprang zu Newt und dem bewusstlosen Mädchen herunter. „Los, helft mir sie hier raus zu heben."
Gemeinsam mit Newt hob ich sie hoch und Clint und Jeff, die sich jetzt wieder in ihrer Rolle als Sanis eingefunden zu haben schienen, halfen uns, sie aus der Box zu heben. Dann brachten sie sie zur Sanihütte und wir blieben zurück.
Die anderen Lichter machten sich allesamt ziemlich durcheinander auf den Weg zurück an ihre Arbeit, auch wenn heute niemand mehr so wirklich etwas zustande bringen würde. Nur Newt, Minho, Thomas und ich blieben vor der Box stehen. Keiner wusste so recht, was er sagen sollte.
„Sie fährt nicht wieder runter", murmelte ich, als die Box nicht wie gewohnt, nachdem sie leer gemacht worden war, wieder herunter fuhr.
„Sie ist die Letzte..." Newt sah mich nachdenklich an. „Soll das bedeuten, wir bekommen auch keine Versorgung mehr, oder was?"
Minho, der bis gerade gedankenverloren beobachtet hatte, wie unsere Läufer sich mit Gally unterhielten und scheinbar gerade dabei waren, den Beruf zu wechseln, schüttelte jetzt verwirrt mit dem Kopf.
„Das kann doch nicht sein. Warum jetzt? Weil wir einen von diesen Dingern getötet haben?", fragte er und sah fragend vom einen zum anderen.
„Das ist meine Schuld. Ich hätte einfach das machen sollen, was ihr mir gesagt habt." Thomas sah stirnrunzelnd zu Boden und ich konnte an seiner Stimme hören, dass er es trotzdem nicht bereute. Und das war auch richtig so.
„Du hast Alby das Leben gerettet, Thomas. Du hast alles richtig gemacht." Ich sah ihn aufmunternd an und er lächelte zurück.
„Kommt, lasst uns gucken gehen, ob das Mädchen aufgewacht ist. Vielleicht erkennst du sie ja doch." Newt drehte sich um und lief in Richtung Sanihütte. Wir folgten ihm.
Als wir die Hütte betraten, sah ich, wie Alby sich, auf einer der Liegen festgebunden, wand und gegen die Fesseln wehrte. Er schien Schmerzen zu haben und ich musste wieder einmal an Stan denken, der ähnlich ausgesehen hatte.
Wir folgten Newt bis ans andere Ende der Hütte, wo Jeff neben dem Mädchen saß, das noch immer bewusstlos auf einer Liege lag. Ich betrachtete sie neugierig, schließlich hatte ich noch nie ein anderes Mädchen gesehen, so lange wie ich mich erinnern konnte. Als ich sie so ansah, hatte ich das merkwürdige Gefühl, dass ich sie schon einmal irgendwo gesehen hatte, genauso wie bei Thomas. Was hatte das zu bedeuten?
„Jeff? Wie sieht's aus? Was ist los mit ihr, warum wacht sie nicht auf?" Newt klang besorgt aber auch misstrauisch zugleich.
Jeff stand auf und sah uns der Reihe nach an, bis er bei Newt hängen blieb.
„Ey, Mann, ich bin genauso zu diesem Job gekommen wie du." Er zuckte mit den Schultern. Auch er wusste also nicht, was ihr fehlte. Ich sah zu Clint herüber, aber auch er hob nur ratlos die Hände und betrachtete das bewusstlose Mädchen.
Jetzt sah Newt Thomas aufmerksam an, der gedankenverloren zu ihr herunter sah.
„Und, erkennst du sie?", fragte er.
Thomas schüttelte mit dem Kopf. „Nein."
Jetzt waren aller Augen auf ihn gerichtet.
„Wirklich? Denn sie scheint dich zu erkennen."
Newt sah noch immer aufmerksam Thomas an, dann mich, als wollte er fragen, ob ich ihm glaubte. Aber ich konnte ihm darauf auch keine Antwort geben.
„Was ist mit der Nachricht?", griff Thomas das Thema von eben wieder auf, als wüssten wir jetzt mehr.
„Tja, damit beschäftigen wir uns später."
„Wir sollten uns sofort damit beschäftigen", meinte Thomas und sah uns abwechselnd an, als wartete er auf Zustimmung.
Newt sah von dem Mädchen wieder zu ihm und als er sprach, klang er wie ein ungeduldiger Vater, der seinem Kind etwas zum hundertsten Mal erklären musste.
„Im Moment haben wir genug zu tun."
Doch da mischte Jeff sich sein. „Er hat Recht, Newt. Wenn die Box nicht wieder zu uns rauf kommt, wie lange können wir dann noch durchhalten?"
Jetzt klang Newt nicht mehr ganz so überzeugt. „Das hat keiner gesagt. Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen, wir sollten... Wir warten einfach bis sie aufwacht, mal sehen, was sie weiß. Irgendjemand muss hier doch ein paar Antworten für uns haben."
„Okay", murmelte Thomas, drehte sich um und wollte die Hütte verlassen.
Wir drehten uns zu ihm um und sahen ihm verwirrt hinterher.
„Wo willst du denn jetzt hin?", fragte Newt.
„Zurück ins Labyrinth", antwortete Thomas, als wäre das das Offensichtlichste überhaupt.
Wir wechselten einen Blick und ich nickte Minho zu, um ihm klar zu machen, dass er ihn aufhalten sollte. Er nickte und lief ihm hinterher.
Newt sah mich vielsagend an. „Und? Glaubst du ihm?", fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Newt. Aber ich weiß, dass er verdammt noch mal mutig und clever ist. Ich denke, dass er vielleicht unsere Chance sein könnte, endlich mehr herauszufinden, als wir in den letzten drei Jahren geschafft haben. Schon möglich, dass er ein Läufer sein sollte. Wir sollten ihm eine Chance geben, ganz egal, was Gally meint."
Jeff nickte zustimmend und auch Clint, der sich bis jetzt aus der ganzen Sache herausgehalten hatte, murmelte jetzt etwas wie „Da hat sie Recht", bevor er wieder nach Alby sehen ging.
„Also schön. Du solltest mit Minho sprechen. Ich suche Gally, vielleicht schaffe ich es ja, ihn umzustimmen."
Er wollte die Hütte schon verlassen, als ich ihn festhielt.
„Hey, vergiss nicht, du hast hier jetzt das Sagen. Gally sollte sich dir anpassen. Wenn er frech wird, sag ihm, dass ich das gesagt hätte."
Ich zwinkerte ihm zu und er grinste. Dann verschwand er durch die Tür.
„Sag mir Bescheid, wenn sie wach ist, okay? Ist lange her, dass ich ein Mädchen getroffen habe – genau genommen erinnere ich mich nicht mehr." Jeff nickte und lächelte, als ich mich von ihm und Clint verabschiedete und ebenfalls aus der Hütte trat.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now