11. Der große Tag

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Ich schreckte hoch und schnappte nach Luft, als der Albtraum mich aufwachen ließ. Ich hatte sie gesehen, diese Frau in Weiß, die immer wieder gesagt hatte „WICKED ist gut". Was hatte das zu bedeuten? War das nur ein Traum gewesen, oder hatte ich mich an etwas aus der Vergangenheit erinnert?
Dann war da noch ein Mann gewesen, dessen Grinsen ich so abscheulich gefunden hatte, dass ich noch immer bei dem Gedanken daran fast würgen musste. Und ein anderer Typ, der mich immer wieder geschlagen hatte.
Was hatten sie mit mir gemacht?
Ich stand langsam auf und versuchte, möglichst wenig Krach zu machen, während die Gesichter aus meinem Traum immer mehr verschwammen. Alles, was in meinem Kopf widerhallte war die Stimme der Frau.
„WICKED ist gut."
Was war Wicked? Und warum hielt sie es für so wichtig, dass ich mir das einprägte?
Ich wusste nicht, wie spät es war, aber die Sonne schien bald aufzugehen. Während ich mich auf den Weg zu dem See im Wald machte, wo ich mich waschen wollte, da ich ziemlich verschwitzt war nach diesem merkwürdigen Traum, sah ich mich kurz zwischen den Hängematten um. Gally schien es doch ins Bett geschafft zu haben, denn er lag zusammen gerollt auf seiner Hängematte und schlief tief und fest. Etwas weiter rechts konnte ich Newt erkennen, der ebenfalls noch schlief. Ich sah mich nach Minho um, der eigentlich neben mir liegen musste, aber konnte nichts als eine leere Hängematte entdecken. Hatte er etwa auch nicht mehr schlafen können?
Als ich den See erreichte, wusste ich, wo er abgeblieben war. Er hockte nur in Unterhose im seichten Wasser und war gerade dabei sich das Gesicht zu waschen.
„Morgen", sagte ich und begann, mich ebenfalls bis auf die Unterwäsche auszuziehen und zuerst mich und dann meine Sachen zu waschen. Dabei passte ich ganz genau auf, dass Minho nicht sah, dass ich einen kleinen Zettel unter einen Stein schob, damit er nicht nass wurde.
„Guten Morgen."
Er musterte mich kurz und war wohl überrascht, dass ich mich einfach so ausgezogen hatte, schien dann aber genau wie ich eben zu entscheiden, dass wir damit klar kommen mussten, in der Situation in der wir hier waren.
„Hast du gestern noch mit Gally gesprochen?", fragte er nach ein paar Minuten, in denen auch er seine Klamotten gewaschen hatte.
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein, er schien gestern Nacht betrunken gewesen zu sein oder so, als wir uns schlafen gelegt haben. Ich werde später versuchen, mit ihm zu reden."
„Bevor wir da raus gehen?"
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich wäre es besser, ich würde es davor machen, falls doch etwas passiert, hm?"
„Es passiert schon nichts. Wir sind schnell, schon vergessen? Und du scheinst ganz clever zu sein. Wir packen das." Mit diesen Worten stand er auf und wrang seine Sachen aus. „Hm, wie sollen wir die jetzt wieder trocken bekommen?", fragte er und sah mich Hilfe suchend an.
„Zieh sie wieder an. Die trocknen, wenn die Sonne raus kommt schneller als du gucken kannst."
Er tat, was ich ihm gesagt hatte, und auch ich war fertig und zog mir meine Sachen wieder über.
„Na dann, schauen wir doch mal, ob es schon was zu essen gibt." Damit ging er los und ich folgte ihm.
Und tatsächlich, Fry Pan war ebenfalls schon auf den Beinen und stand in seiner Küche.
„Morgen, ihr zwei, ihr seid aber früh wach. Wohl aufgeregt an eurem ersten Tag als Läufer?", begrüßte er uns und reichte uns zwei volle Teller. „Ihr braucht Energie, wenn ihr ins Labyrinth geht. Ich hab euch schon etwas zum Mitnehmen vorbereitet." Er deutete auf die Theke, auf der zwei kleine Rucksack ähnliche Taschen standen. „Füllt euch die Flaschen gleich noch am See auf, damit ihr genug zu Trinken habt."
„Okay, Mama", entgegnete Minho lachend und wir stimmten mit ein.
Ich sah zu den Mauern und konnte die ersten Sonnenstrahlen erkennen, die darüber fielen. Dann ging es ganz schnell und die Lichtung wurde in ein herrliches Licht getaucht.
Wow. Das war wirklich wunderschön. Ich starrte fasziniert hin, als ein lautes Geräusch den Moment zerstörte – eins der Tore ging auf. Minho und ich zuckten zusammen, auch wenn wir ein ähnliches Geräusch schon gestern gehört hatten, als ein anderes sich geschlossen hatte.
Es war wirklich beeindruckend. Die riesige Mauer teilte sich und offenbarte einen breiten Gang, der sich nach gut 20 Metern teilte.
„Oh shit, jetzt geht's los."
Minho stand auf und ich tat es ihm gleich, als ich sah, dass Nick auf uns zukam. Wie es aussah, hatte Minho doch mehr Respekt vor der ganzen Sache, als er anfangs gezeigt hatte.
Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Fry Pan erklärte sich bereit, die Flaschen für uns zu füllen, damit wir mit Nick sprechen konnten und verschwand in den Wald.
„Guten Morgen, Läufer." Er nickte uns zu und es kam mir fremd vor, so genannt zu werden. Irgendwie komisch.
Wir nickten zurück und keiner von uns beiden wusste, was er sagen sollte.
„Na dann, es geht los. Geht nicht zu weit rein beim ersten Mal. Merkt euch den Weg. Und vor allem – lasst euch nicht von 'nem Griever erwischen. Ich möchte nicht schon wieder jemanden verlieren, klar?"
Wieder nickten wir zur Bestätigung und Nick fuhr fort: „Also gut. Newt wird euch bis zum Tor begleiten. Er sollte gleich hier sein. Ab dann seid ihr auf euch gestellt. Ich verlass mich auf euch."
Mit diesen Worten nickte er uns noch einmal zum Abschied zu und ging in Richtung der Felder.
Es dauerte nicht lange und Fry Pan kam mit dem Wasser zurück und auch Newt stieß zu uns. Als er uns einen Guten Morgen wünschte, sah ich verlegen zur Seite und mied es, ihm in die Augen zu schauen. Ich wusste, dass mich das nur wieder aus der Fassung bringen würde und irgendwie war mir das, was gestern Abend passiert war, ein wenig peinlich. Es war alles so schnell gegangen, seit ich hier war.
Wir machten uns auf den Weg zum Tor, das in der Nähe der Wand mit den Namen lag. Während wir die Lichtung überquerten sprach keiner von uns und ich konnte mir vorstellen, was gerade in Newt vorgehen musste. Auch wenn wir darüber gesprochen hatten, es gefiel im garantiert nicht, dass wir da rein gingen.
Ich sah mich verstohlen um und bemerkte, dass die meisten Jungen mittlerweile wach und anscheinend auf dem Weg zum See oder zu Fry Pan waren, aber alle inne gehalten hatten, um uns zu beobachten. Ob sie dachten, wir kämen zurück?
Ich zählte die Personen und alle waren da – nur Gally nicht.
Newt schien zu bemerken, dass ich etwas suchte, denn er sagte: „Er ist sofort an die Arbeit gegangen, nachdem er aufgestanden war. Hat mich nicht einmal angeguckt."
Oh Mann, ich hätte mich wirklich gerne verabschiedet.
Und ich war auch ein wenig enttäuscht, dass es ihm anscheinend nicht wichtig war, sich von mir zu verabschieden, bevor ich in das Labyrinth ging. Eigentlich hatte ich nach dem gestrigen Tag gedacht, dass ich ihm wirklich etwas bedeutete.
Ich versuchte, den Gedanken an ihn wegzuwischen und mich stattdessen auf unsere Aufgabe zu konzentrieren. Erst jetzt wurde mir endgültig klar, was wir da gerade machten. Wir liefen in ein Labyrinth, von dem es keine Karte gab und in dessen Inneren irgendwelche Viecher lebten, die uns umbringen wollten, falls sie uns zu packen bekämen. Ein Schauer lief mir über den Rücken, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
An dem Tor angekommen blieben wir stehen, kontrollierten noch einmal, ob wir das Wasser und den Proviant hatten und waren dann bereit.
Ich wusste nicht, wie ich mich von Newt verabschieden sollte und hatte Angst vor noch so einer blöden Situation wie eben, aber er nahm mir die Entscheidung ab, indem er mich kurz zu sich zog und küsste. Mein Herz machte wilde Hüpfer und ich war erleichtert, mich wenigstens richtig von ihm zu verabschieden.
Als wir uns wieder voneinander lösten bemerkte ich, dass Minho sich bereits warm hüpfte und dehnte. Anscheinend wollte er gleich loslaufen. Ich tat es ihm gleich und nach kurzer Zeit warf ich noch einen letzten Blick über die Lichtung, um zu schauen, ob Gally nicht vielleicht doch noch kommen würde. Aber ich machte mir falsche Hoffnungen – er war nirgends zu sehen.
„Also dann, auf geht's. Bereit?", fragte Minho mich und ich nickte.
Mehr oder weniger.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryKde žijí příběhy. Začni objevovat