65. Der schwerste aller Abschiede

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„Es geht los."
Minho deutete auf die drei Baumeister, die sich auf den Weg zum Loch machten, um Thomas und Teresa zu holen.
Wir beobachteten, wie sie Thomas trugen, der sich immer noch bewusstlos stellte und Teresa vor sich herschoben. Gally, der gerade die Namen der Toten durchgestrichen hatte, kam zu uns herüber, die schon alle vor dem geöffneten Tor warteten, in der Mitte von uns zwei Pfeiler, an die sie die beiden binden wollten. Mittlerweile hatten wir erfahren, dass er sie nicht verbannen, sondern opfern wollte, weil er dachte, die Griever würden uns dann in Ruhe lassen.
Minho und ich standen ein wenig Abseits, während Newt nur wenige Meter von den Pfeilern entfernt stand. Ich sah mich unauffällig um und konnte Chuck sehen, wie er, mit vielen Taschen bepackt, langsam auf uns zugelaufen kam. Eigentlich hatte er noch warten sollen, damit niemand Verdacht schöpfte, aber ich konnte es nicht riskieren, ihn darauf aufmerksam zu machen.
Die beiden Jungen, die Thomas getragen hatten, ließen ihn vor dem Tor zu Boden fallen, sodass er auf dem Gesicht landete. Ich zischte leise, als ich mir vorstellte, wie weh das getan haben musste. Aber er blieb regungslos liegen und ich bewunderte seine Selbstbeherrschung.
„Das ist so 'ne Verschwendung", murmelte Gally, als er zu ihm herunter sah.
Jetzt begannen Minho und ich, langsam näher zu treten und ich wechselte einen Blick mit Fry Pan, der kaum merklich nickte und ebenfalls langsam vorrückte. Außer ihm hatten wir sonst keinem von unserem Plan erzählt. Dafür hatte ganz einfach die Zeit gefehlt.
„Gally...", begann Winston und Gally drehte sich zu ihm um. „Ich find' das nicht richtig, Mann."
„Ja, was wenn Thomas Recht hat? Vielleicht kann er uns wirklich nach Hause führen." Auch Jeff hatte seinen ganzen Mut zusammen genommen, um zu sprechen, das sah man ihm an.
„Wir sind zu Hause, verstanden? Okay? Ich will nicht noch mehr Namen da auf der Mauer durchstreichen müssen." Gally deutete in Richtung der Wand mit den Namen.
Niemand bemerkte, wie wir immer näher kamen. Fry Pan stand jetzt neben Jeff und Minho und ich rückten immer weiter vor.
„Denkst du wirklich, uns zu verbannen, bringt irgendwas?", fragte Teresa.
„Nein. Aber das ist auch keine Verbannung. Das ist 'ne Opfergabe."
Jetzt standen wir fast bei Gally.
„Was? Warte, Gally, was hast du vor?!", rief Teresa entsetzt, als der Baumeister, begann, sie an den linken Pfahl zu binden.
Gally, der sich gerade weggedreht und auf uns zugelaufen war, wirbelte herum. „Denkst du wirklich, ich lasse Thomas noch mal ins Labyrinth, nach allem, was er getan hat? Sieh dich doch um! Sieh dir unsere Lichtung an!"
Newt drehte sich zu uns um und Minho und ich nickten ihm zu. Er nickte ebenfalls. Ich sah mich um und erkannte, dass Chuck jetzt ganz nah war. Es konnte losgehen.
„Das ist die einzige Möglichkeit. Und wenn die Griever haben, weswegen sie gekommen sind, wird alles wieder so, wie es vorher war."
Bei den letzten Worten sah er mich an und ich konnte kurz wieder den alten Gally sehen, meinen besten Freund.
Teresa lenkte ihn weiter ab. „Hey, hört ihr, was er sagt? Wieso tut ihr denn nichts? Er ist verrückt!"
„Hältst du die Klappe?", fragte er und machte einen Schritt auf sie zu.
„Wenn ihr nicht versucht zu fliehen, werden die Griever wieder kommen." Einige Lichter wechselten verängstigte Blicke. „Sie kommen wieder. Sie kommen so lange wieder, bis ihr alle tot seid!"
„Halt den Mund!", brüllte Gally jetzt. „Bindet ihn fest!"
Mit dieser Anweisung an die beiden, die Thomas getragen hatten, drehte er sich um und wollte gehen.
Als sie nicht reagierten, drehte er sich wieder um und schrie: „Habt ihr nicht gehört? Ich sagte, ihr sollt ihn festbinden!"
Die beiden gehorchten und hoben Thomas hoch, als dieser mit den Ellenbogen ausholte, sich losriss und einen der beiden bewusstlos schlug. Das war unser Stichwort.
Wir zogen unsere Waffen und Newt stürzte los und schlug den anderen k.o., während Teresa ihrem Aufpasser zwischen die Beine trat und Fry Pan sie im nächsten Moment von den Fesseln befreite. Gally wollte Thomas packen, aber Minho hielt ihm eine Machete an den Rücken, sodass er stehen blieb.
Chuck kam angerannt, ich schnappte mir eine der Taschen, die ihm beinahe herunter fiel und richtete mein Messer ebenfalls auf die Gruppe aus Lichtern, die uns jetzt gegenüber stand, während wir mit dem Rücken zum Tor – unserem Fluchtweg – standen. Fry Pan reichte Teresa ebenfalls ein Messer und so standen wir da, in der Unterzahl, aber durch unseren Überraschungsangriff im Vorteil.
Gally hob resigniert die Arme, als er jetzt Thomas ansah. „Du steckst voller Überraschungen, hm?"
„Ihr müsst nicht mitkommen, aber wir gehen jetzt. Wenn noch jemand mitkommen will, jetzt ist eure letzte Chance!"
„Hört nicht auf ihn, er will euch bloß Angst einjagen", versuchte Gally die Lichter zu beruhigen. Ich konnte an Tims Blick sehen, mit dem er mich ansah, dass er nichts mehr wollte, als mit uns mitzukommen. Alex sah unschlüssig von Gally zu uns.
„Ich will euch keine Angst einjagen. Ihr habt schon Angst, okay, ich hab Angst! Aber ich riskier lieber mein Leben da draußen, als den Rest hier drinnen zu verbringen." Winston und Jeff wechselten einen vielsagenden Blick. „Wir gehören nicht hierher. Das Labyrinth ist nicht unser zu Hause. Wir wurden hergebracht, wir wurden hier eingesperrt. Da draußen haben wir wenigstens eine Wahl. Aber wir können hier raus kommen. Das weiß ich."
Kurz standen alle unschlüssig da, dann sah Winston sich um und kam mit schnellen Schritten auf unsere Seite. Jeff folgte ihm und sagte: „Tut mir leid, Mann", als er an Gally vorbei lief. Tim und Alex wechselten einen Blick und liefen zu uns herüber und immer mehr Lichter folgten ihnen, bis nur noch wenige hinter Gally standen.
Dieser drehte sich um und betrachtete die, die bei ihm bleiben wollten, bevor er resigniert nickte.
„Gally, es ist vorbei", sagte Thomas ruhig. „Komm einfach mit uns."
Lange sah er uns an, bis sein Blick auf mir ruhte. „Viel Glück gegen die Griever." Seine Stimme war jetzt ebenfalls ruhig.
Ich konnte nicht anders, ließ mein Messer sinken, gab es Newt, der neben mir stand und war mit wenigen Schritten bei ihm. Ohne ein Wort schlang ich meine Arme um ihn und spürte, wie er mich fest an sich drückte.
„Bitte bleib bei mir...", flüsterte er an meinem Ohr, aber ich schüttelte den Kopf.
„Ich kann nicht, Gally. Ich kann nicht hier bleiben", schniefte ich.
„Dann trennen sich unsere Wege hier wohl..."
Er löste sich ein wenig von mir uns hielt mich so weit von sich entfernt, dass er mir in die Augen sehen konnte. Ich erkannte tiefe Trauer in seinen und mir wurde schwindelig, als ein Bild von einem ebenso traurigen, drei Jahre jüngeren Gally vor meinem inneren Auge auftauchte. Mir lief eine Träne die Wange herunter und er wischte sie weg.
„Pass auf dich auf, Kleine."
„Du auch." Wieder schniefte ich.
Jetzt ließ er mich los und nachdem ich ihm einen letzten Kuss auf die Wange gegeben hatte, sah ich, wie er Newt einen vielsagenden Blick zuwarf und dieser stumm nickte.
Dann drehten sich die, mit denen ich flüchten würde, um und liefen hinaus in das Labyrinth. Newt reichte mir mein Messer und ich steckte es in meinen Hosenbund, bevor ich mich ein letztes Mal umdrehte um dann den Anderen zu folgen.
Das letzte was ich sah, war Gallys schmerzverzerrtes Gesicht.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now