29. Gestochen

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„Und das erzählt ihr mir jetzt?! Nach vier Monaten?!" Ben stand vor uns, die Hände zu Fäusten geballt und rot vor Wut und Enttäuschung.
„Ben, Kumpel...", begann Minho, aber weiter kam er nicht.
„Wir rennen jeden verdammten Tag in dieses Labyrinth, wir suchen nach einem Ausgang und jetzt zeigt ihr mir das hier und erzählt mir, dass ihr euch sicher seid, dass da gar kein Ausgang ist?!"
Er deutete auf das Modell des Labyrinths, das wir ihm vor ein paar Minuten zum ersten Mal gezeigt hatten. Er war der Einzige unserer Läufer, der es zu sehen bekam und jetzt wusste ich auch, warum wir uns damals dazu entschieden hatten.
„Ihr wollt mir also sagen, dass wir hier niemals rauskommen?" Ich konnte hören, wie seine Stimme brach und sah, wie die ersten Tränen der Verzweiflung sich ihren Weg über sein Gesicht bahnten.
„Ben... Es tut mir so leid." Ich machte einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu, denn ich wollte bei einem eventuellen Ausbruch nicht getroffen werden.
„Hör zu, wir wurden von Nick angewiesen das hier niemandem zu zeigen. Und er und Alby wissen selber nicht, dass wir eigentlich gar nicht mehr daran glauben, dass es einen Ausgang gibt."
„Und wann habt ihr vor, es ihnen zu sagen?!" Seine Hände zitterten.
„Das werden wir... bald. Wir wollten einfach ganz sicher sein."
Ich streckte eine Hand aus und ergriff eine von seinen.
„Seit wann versucht ihr nochmal einen Ausgang zu finden?"
„Seit 2 Jahren und 3 Monaten."
Ich hörte, dass Minho bei dieser Zeitspanne selber schlucken musste.
„So ein Klonk", fluchte Ben und wischte sich die Tränen weg, bevor ich auch seine andere Hand nahm.
„Ich weiß, das klingt verrückt. Aber wir konnten es ihnen nicht sagen, bevor wir nicht hundert prozentig sicher waren. Du kannst dir bestimmt vorstellen, was solch eine Information mit vielen hier machen könnte."
Langsam nickte er, die Augen geschlossen.
„Aber wir werden es den beiden jetzt sagen. Heute noch. Richtig, Anna?"
Ich sah Minho an und konnte in seinen Augen nichts als Verzweiflung sehen. Und dann traf ich eine Entscheidung - und nickte ihm zu.
„Ja, das werden wir. Und wenn du möchtest kannst du mit uns kommen Ben. Du weißt jetzt ja auch Bescheid. Aber bitte versprich uns, dass du es sonst niemandem sagst, nicht einmal Newt. Nick soll entscheiden, ob wir es den Anderen sagen und wenn ja, wann."
Ich spürte, wie Bens Hände sich in meinen lockerten und meine Finger umschlossen. Jetzt wagte ich es, ihm näher zu kommen und umarmte ihn. Zuerst verkrampfte er sich noch, doch dann entspannte er sich langsam und erwiderte die Umarmung. Behutsam strich ich ihm über den Rücken.
„Wir werden hier schon rauskommen, irgendwann. Ich glaube einfach nicht, dass die uns für immer einsperren."
„Die Schöpfer."
Minho sagte das wie ein Schimpfwort. Und das war es auch. Wer auch immer uns das hier antat, wer auch immer Nick, Alby und George vor mittlerweile schon 3 Jahren hier her geschickt hatte, konnte kein Mensch sein.
Als Ben sich wieder beruhigt hatte, verließen wir die Hütte und machten uns auf den Weg zum Mittagessen. Gerade, als wir uns setzen wollten, waren auf einmal Schreie zu hören. - Und sie kamen aus dem Labyrinth.
Minho und ich wechselten einen Blick und rannten gleichzeitig los. Anscheinend hatte außer uns niemand wirklich Notiz davon genommen, denn Ben blieb einfach stehen und sah uns verwirrt nach. Erst, als die Schreie lauter wurden setzten sich mehrere Lichter in Bewegung, da waren wir allerdings schon durch das geöffnete Tor gesprintet und versuchten auszumachen, woher die Schreie kamen.
Wieder schrie jemand und dieses Mal konnte ich meinen uns Minhos Namen verstehen. Ich schlitterte rechts um die Ecke, dann nach links, wieder nach rechts und zwei Mal nach links, bevor ich wieder rechts abbog und beinahe in Jacksons Rücken rannte, Minho direkt hinter mir. Der konnte, anders als ich, nicht mehr bremsen und knallte mit voller Wucht in meinen Rücken, weshalb ich ins Straucheln kam und fast hingefallen wäre, wenn er mich nicht am Kragen gepackt und festgehalten hätte.
Der Anblick, der sich uns jetzt bot, holte beinahe mein Frühstück wieder hoch und ich schlug die Hände vor den Mund, um nicht laut zu schreien.
Jackson hielt Alfreds Schultern, während Alex seine Beine trug. Alfred selber war bewusstlos und voll mit einem Gemisch aus Blut und einem schleimigen Zeug, das wir schon unzählige Male an Wänden und auf dem Boden gefunden hatten.
Griever-Speichel.
Er hatte so viel Blut verloren, dass ich fast erstaunt war, dass er überhaupt noch lebte. Aber er atmete, das konnte man genau sehen.
„Scheiße, was ist passiert?", fragte Minho, während er sich neben Alfred kniete, den die anderen beiden jetzt abgelegt hatten, völlig außer Atem.
„Er war ein Stück vor uns, wir wollten eine Pause machen und er meinte, er schaut nur noch einmal kurz um ein paar Ecken. Dann haben wir ihn schreien hören, wir sind zu ihm gerannt und er kam uns entgegen, voll mit diesem Zeug. Er schrie nur immer wieder 'Griever' und rannte vor etwas weg, obwohl er so viel Blut verlor." Alex musste Luft holen.
„Dann ist er zusammengebrochen und bewusstlos geworden. Seitdem tragen wir ihn. Wir hatten solche Angst, dass der Griever uns folgt." Auch Jackson keuchte.
„Okay Jungs, wir müssen ihn hier wegschaffen. Wo ist das genau passiert?" Minho nickte mir zu und ich nahm nun Alfreds Schultern und er die Beine, damit die anderen beiden zu Atem kommen konnten.
Wir liefen los, Richtung Lichtung und ich lauschte immer wieder, ob ich einen Griever hören konnte.
„Kurz vor Abschnitt 4, weit draußen."
Minho und ich wechselten einen Blick. Wir dachten dasselbe.
„Er wird bald wieder aufwachen. Bis dahin müssen wir ihn bei Clint haben, sonst haben wir ein Problem."
„Ich weiß", bestätigte Minho meinen Verdacht.
So schnell wir konnten liefen wir den Weg zurück, wobei ich immer wieder stolperte, weil ich ja rückwärts lief. Als wir endlich die Lichtung erreichten, standen die Lichter vorm Tor, während Ben im Eingang stand, der Einzige, der sich hier rein traute - oder durfte.
Sobald wir um die Ecke bogen, kam er zu uns und wollte mir Alfred abnehmen, aber ich schüttelte den Kopf. Er war mein Läufer und jetzt brauchte er mich genauso wie Minho.
„Clint, Jeff!", rief ich und suchte sie in der Gruppe Lichter. „Wir brauchen euch!"
„Ey, lasst uns durch!"
Ich erkannte Clints Stimme, bevor ich ihn sah. Doch dann hatten er und Jeff sich einen Weg durch die Menge gebahnt und waren sofort bei uns.
„Was ist passiert?", fragte Jeff, als er neben mir ankam.
„Griever", stieß ich hervor und sah, wie die beiden Sanitäter einen Blick wechselten.
„Okay, Anna, Minho, los kommt. Wir dürfen keine Zeit verlieren, bevor er wieder zu sich kommt. Schaffen wir ihn hier weg."
Im Laufschritt folgten wir, Alfred immer noch tragend, den beiden zur Sanihütte, während unsere Läufer in der Menge zurück blieben. Im Vorbeilaufen entdeckte ich Nick zwischen den Lichtern und unsere Blicke trafen sich. Ich wusste, was er dachte - wir würden Alfred verbannen.
Bei der Hütte angekommen hielt Jeff uns die Tür auf, wir brachten Alfred hinein und legten ihn auf eine Liege. Sofort begannen Clint und Jeff ihn mit Seilen zu fixieren.
„Du weißt, dass das nicht reichen wird."
Ich sah Clint durchdringend an. Mir war klar, dass er ganz genau wusste, an was ich dachte. Stan.
Es war über zwei Jahre her, dass er gestorben war und seitdem war niemand mehr von einem Griever gestochen worden, doch trotzdem wusste ich noch ganz genau, was damals passiert war und das Gefühl der Angst und Verzweiflung würde wahrscheinlich niemals weggehen, wenn ich daran zurück dachte.
„Ich weiß. Aber wir müssen erst mit Nick sprechen. Jeff, bleib bei ihm und zieh ihm wenn nötig eins über. Du weißt, was ich dir über die erzählt habe, die gestochen wurden."
Jeff nickte und ließ sich auf einem Stuhl nieder, während wir uns auf den Weg zum Versammlungsraum machten.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang