17. Der Morgen danach

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich in meiner Hängematte, aber war nicht alleine. Newt schlief noch und hatte seine Arme um mich gelegt, genau so, wie wir eingeschlafen waren.
Es hatte nicht lange gedauert, bis ich gemerkt hatte, wie müde ich war, nachdem Gally uns allein gelassen hatte. So gerne, wie ich Newt die ganze Nacht geküsst hätte, meine Beine hatten versagt und er hatte auch festgestellt, dass es das Beste wäre, wenn ich jetzt schlafen würde. Daraufhin hatte er mich zu meiner Hängematte geschoben und ich hatte mich vollkommen erschöpft hinein fallen lassen.
Als er mir einen letzten Gute-Nacht-Kuss gegeben hatte, wollte er sich umdrehen und zu seinem eigenen Schlafplatz gehen, aber ich hielt ihn am Handgelenk fest.
„Kannst du bei mir bleiben?", hatte ich leise gefragt und er genickt. Vorsichtig hatte er sich neben mich gelegt, was auf einer Hängematte gar nicht so einfach war, und mich fest in den Arm genommen. Seine Wärme hatte mich umgeben und mir den letzten kleinen Schubser in Richtung des Schlafs versetzt. Das letzte, das ich gespürt hatte, bevor ich gänzlich eingeschlafen war, waren seine Lippen, die mir überall im Gesicht kleine Küsse gaben. Mit einem Lächeln war ich eingeschlafen.
Jetzt lag ich da und musterte ihn, fuhr vorsichtig die Konturen seines Gesichts nach und musste schon wieder lächeln. Es machte mich glücklich, dass er mich festhielt und ich wollte, dass er mich nie wieder losließ, soviel wusste ich.
Nach ein paar Minuten sah ich mich unter der Überdachung um. Es musste bereits um die 8 Uhr sein, denn die Sonne war längst aufgegangen, aber alle Lichter lagen noch in ihren Hängematten, sogar Nick und Alby schienen noch in ihren Hütten zu sein. Es musste heute Nacht wirklich spät geworden sein. Ich wunderte mich, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie sie ins Bett gegangen waren, aber ich hatte vermutlich so tief geschlafen, dass neben mir eine Bombe hätte einschlagen können.
Weil ich Newt nicht wecken wollte, blieb ich liegen und wartete, dass einer der Anderen wach wurde und kuschelte mich noch einmal an ihn. Ich wusste nicht, wann ich das nächste Mal so nah bei ihm sein würde, deshalb sog ich seinen Geruch förmlich ein.
Irgendwann – es musste schon halb 9 durch sein – hörte ich, wie jemand aufstand und erkannte Fry Pan, der leise in Richtung Küche ging, um das Frühstück für uns vorzubereiten. Nach und nach erwachten auch die anderen Lichter langsam und es wurde immer lauter auf der Lichtung, was dazu führte, dass Newt sich streckte und die Augen öffnete. Als er sah, dass ich ihn anschaute, breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus und er zog mich zu sich heran.
„Guten Morgen", flüsterte er mir ins Ohr und ignorierte dabei die Blicke, die man uns zuwarf, denn mittlerweile war es den Anderen aufgefallen, dass wir zusammen in einer Hängematte lagen.
„Guten Morgen", erwiderte ich.
Er gab mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund und ich spürte es wieder in mir Kribbeln.
„Wie geht es dir?" Jetzt klang er wieder besorgt. „Tut dir noch was weh?"
„Nein, alles in Ordnung. Klar, die Wunde pocht manchmal noch ein bisschen, aber ich bin echt gut dabei weg gekommen, würde ich sagen. Morgen kann ich bestimmt wieder ins Labyrinth."
Bei meinen letzten Worten änderte sich sein Gesichtsausdruck.
„Du willst da also wirklich wieder rausgehen? Nachdem, was euch gestern passiert ist und was du wegen Stan erlebt hast? Er war so, weil ihn eins von diesen Dingern gestochen hat, das ist dir klar, oder?" Er sah mich verständnislos an.
„Newt... Ich muss es einfach tun. Ich hatte gestern das Gefühl, dass Minho und ich wirklich gut darin sind und ich denke, wenn wir ein wenig mehr Ruhe bewahrt hätten und nicht wie die Bekloppten weggerannt wären, auch als dieser Griever schon gar nicht mehr hinter uns war, dann wäre das alles nicht passiert. Ich hätte nicht in die Sanihütte gemusst und Stan wäre nicht -" Aber weiter konnte ich nicht sprechen, denn meine Stimme versagte.
„Hey, jetzt hör endlich auf, dir die Schuld zu geben! Wenn du zu mir sagst, ich solle das nicht tun, dann verlange ich aber auch von dir, dass du damit aufhörst. Denn das ist völlig beklonkter Mist, den du da redest!"
Ich schwieg eine Weile. Dann sagte ich: „Okay, du hast Recht, es war nicht meine Schuld. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich wieder da raus gehen werde. Glaub mir, es ist ganz egal, was du mir sagst, du kannst mich nicht umstimmen. Es fühlt sich einfach richtig an und wer soll es denn auch sonst machen? Bitte, mach es nicht schlimmer, als es ist."
Bei diesen Worten sah ich ihm fest in die Augen, ganz ohne, dass mir dabei schwindelig wurde. Er musste es einfach akzeptieren.
Und das tat er. Er sah zwar nicht glücklich dabei aus, aber er nickte und damit war das Thema für mich beendet. Ich stand auf und streckte mich, wobei ich ganz genau beobachtete, ob mir wirklich nichts weiter wehtat, und atmete erleichtert auf, als ich nichts feststellen konnte.
Newt stand ebenfalls auf und machte sich auf den Weg zu Fry Pan, während ich Richtung See ging, um mich frisch zu machen. Es nervte mich, dass ich immer noch die gleichen Sachen an hatte, wie an meinem ersten Tag hier, auch als ich sie wusch. Ich hoffte, dass ich spätestens mit der nächsten Box ein paar mehr Klamotten bekam, denn Gally hatte mir erzählt, dass es bei den Anderen so gewesen war.
Als ich frisch gewaschen zur Küche kam, waren die meisten bereits an der Arbeit und auch Newt war nicht mehr da. Ich holte mir einen Teller mit Frühstück und erblickte Minho, der alleine an einem Tisch saß, und ging zu ihm herüber.
„Morgen", grüßte ich ihn und er entgegnete das Gleiche, wobei er mich mit großen Augen von oben bis unten musterte.
„Dir geht es gut?", fragte er überrascht.
„Ja, wie es aussieht stimmt das. Hattest du mit was anderem gerechnet?"
„Na ja, du hast gestern ganz schön was durchgemacht. Aber Scheiße, kannst du schnell laufen. Das war der Hammer. Wenn du nicht verletzt gewesen wärst, hättest du das auch garantiert besser durchgehalten. Ich war echt beeindruckt."
Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte aber nicht durchgehalten, zumindest nicht, ohne am Ende zusammenzubrechen. Und das ärgerte mich irgendwie.
„Jetzt hör aber auf! Du warst unglaublich. Und ich bin so froh, dass es dir gut geht! Denkst du, du kommst morgen wieder mit?", fragte er vorsichtig.
Ich nickte. „Ja, auf jeden Fall. Gehst du denn heute alleine da raus?"
„Nein, Nick wollte nicht, dass heute jemand raus geht. Die Versammlung ist heute nach dem Mittagsessen und alle sollen dabei sein. Aber vielleicht können wir ja schon einmal aufzeichnen, was wir gestern erkundet haben?"
Das war eine gute Idee. Ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht, dass es ja unser Ziel war, das gesamte Labyrinth zu kartografieren. Da kam mir plötzlich eine Idee.
„Was hältst du davon, wenn wir es nicht nur aufzeichnen, sondern nachbauen? Das würde das ganze doch noch leichter machen, oder?"
Minho nickte energisch. „Das sollten wir Nick vorschlagen. Lass uns gleich zu ihm gehen, ja?"
Und das taten wir. Nachdem wir aufgegessen hatten brachten wir unsere Teller Fry Pan und machten uns dann auf die Suche nach Nick. Es dauerte nicht lange und wir fanden ihn zusammen mit Alby an der Wand, in die unsere Namen geschrieben waren. Sie waren gerade dabei Stans Namen durchzustreichen. Ich musste schlucken.
Wir stellten uns stumm ein Stück entfernt und warteten, bis die beiden zu uns kamen.
„Stan war einer der ersten, die hoch kamen, nachdem Alby, George und ich hier zusammen aufgewacht waren. Nur Pan kam vor ihm. Wir kannten ihn also seit fast einem Jahr, das ist fast so lange, wie wir uns überhaupt erinnern können. Vielleicht ist sein Verlust nicht ganz so schrecklich wie der von George, aber es ist trotzdem schlimm." Nick blieb bei uns stehen und sah mich an. „Trotzdem sollst du nicht denken, dass wir dir die Schuld hieran geben, ganz im Gegenteil, ich bin sehr froh, dass dir nichts passiert ist. Stan hätte es nicht geschafft, das wussten wir schon, bevor der Zwischenfall passiert ist. Wir hätten ihn bald verbannt."
Ich musste wieder schlucken, nickte aber. Wenn Nick das so sagte, hatte es irgendwie mehr Nachdruck als bei Newt. Nick war der Anführer und ich hatte ihn als jemanden kennengelernt, der das sagte, was er meinte.
„Kann ich euch helfen?", fragte er dann und damit war das Thema beendet. Zumindest bis nach dem Mittag.
„Ja, wir – also Anna – hatten eine ganz tolle Idee, was das Labyrinth angeht. Wir dachten uns, es wäre doch vielleicht gut, wenn wir es nicht nur aufzeichnen, sondern nachbauen würden, in klein. Wisst ihr, was ich meine?"
Minho sah die beiden erwartungsvoll an.
Nick überlegte eine kurze Zeit lang, nickte dann aber. „Ihr habt Recht, die Idee ist gut. Aber ich möchte nicht, dass alle davon erfahren. Ich werde Gally sagen, dass er, wenn er mit seinem aktuellen Projekt fertig ist, im Wald eine kleine Hütte bauen soll. Dort könnt ihr so ein Modell bauen, aber die übrigen Lichter bekommen dort keinen Zutritt. Das muss erst einmal unser Geheimnis bleiben, wie viel wir wissen, bis wir einen Ausgang gefunden haben." Bei seinen Worten musste ich innerlich ein wenig schmunzeln – es würde Gally gar nicht gefallen, dass er als nächstes nicht seine Hütte bauen durfte.
Wir nickten. Das erschien irgendwie logisch.
Minho und ich wollten schon wieder gehen und anfangen, das, was wir bereits erkundet hatten, aufzuzeichnen, als Nick mich zurück rief. Ich drehte mich verwirrt um und wusste nicht, was er noch von mir wollen könnte, lief dann aber zu ihm zurück, während Minho und Alby gingen.
„Ich wollte dich noch etwas fragen", begann er. „Du scheinst Gally und Newt zu kennen, als würdest du dich an sie erinnern. Ich habe gesehen, wie Gally auf dich reagiert hat und mir ist auch nicht entgangen, was da zwischen dir und Newt abgelaufen ist."
Mein Herz machte einen Hüpfer. Konnte ich ihm vertrauen?
Ich entschied, dass ich das musste. Er war nicht umsonst der Anführer, richtig?
„Na ja... Ich hätte mich nicht an Gally erinnert, wenn er mich nicht damit konfrontiert hätte, denke ich. Zumindest nicht sofort. Und Newt... Ja, an ihn habe ich mich sofort erinnert, zwar wusste ich nicht, was das zu bedeuten hatte, aber als ich ihn gesehen habe, hatte ich so ein komisches Gefühl. Und ich kann mich mittlerweile an beide erinnern, ich weiß wieder einiges, was wir zusammen erlebt haben – aber ich habe keine Ahnung wo, wann und wer noch dabei war. Es ist, als wären diese Erinnerungen von einem dunklen Schleier umhüllt, durch den ich nicht durchgucken kann, egal wie sehr ich mich anstrenge."
Als ich geendet hatte, schwieg Nick zuerst eine Weile. Er schien herausfinden zu wollen, ob ich die Wahrheit sagte. Ich hielt seinem Blick die ganze Zeit stand und ließ zu, dass er in meinen Augen nach einer Lüge suchte.
Aber er fand keine. „Ich glaube dir. Und ich werde den Anderen ebenfalls sagen, dass wir dir vertrauen können. Alles, was ich möchte, ist, dass wir hier Ruhe und Einstimmigkeit haben. Wenn so etwas passiert wie mit Newt und dir, erwarte ich, dass ihr alles was damit zu tun hat, unter euch klärt, ohne uns mit darein zu ziehen, klar?"
Ich nickte. „Klar, wir werden ganz bestimmt keine Unruhe reinbringen."
„Gut. Dann komm, du solltest Minho helfen."

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now