33. Noch ein Opfer

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Ich rannte so schnell mich meine Füße trugen durch die Gänge des Labyrinths. Die entfernten Schreie meines Läufers wurden immer verzweifelter, weshalb ich noch einen Zahn zulegte.
Als ich an einer Abzweigung ankam blieb ich schlitternd stehen und versuchte, mich zu orientieren. Wo war Minho? Er musste auch irgendwo hier in der Gegend sein, aber ich konnte ihn nicht sehen.
Wer war überhaupt auf die Idee gekommen, dass wir uns trennen sollten? Nachdem Mike vor einem Monat gestochen und verbannt worden war, nachdem er gerade einmal zwei Wochen ein Läufer gewesen und zusammen mit Ben und Jackson unterwegs gewesen war, hatte Nick keine bessere Idee gehabt, als uns getrennt ins Labyrinth zu schicken, damit wir noch intensiver nach einem Ausgang suchen konnten.
Ich bog links ab und dann wieder rechts. Die Schreie wurden immer lauter. Ich wusste, dass Ben, Jackson und Alex im äußeren Abschnitt waren, weshalb keiner von ihnen es sein konnte. Allein Minho und Steve, der seit drei Monaten ein Läufer war, waren in meiner Nähe. Auch wenn ich es niemals laut sagen würde, so wünschte ich mir doch, dass es Steve war, der da um sein Leben schrie und nicht Minho.
Als ich um eine weitere Ecke bog und mir sicher war, dass ich nur noch wenige Meter von dem Schreienden entfernt war, wurde ich plötzlich hart zur Seite gerissen und landete auf meinem Hintern, wobei ich mir den Kopf an einer Mauer anschlug. Ich wollte mich gerade lautstark beschweren, als jemand mir den Mund zuhielt.
„Sei still, sonst sind wir die Nächsten!", zischte Minho.
Ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, aber ich gehorchte und hielt den Mund. So verharrten wir auf dem Boden, ich auf meinem Hintern sitzend, Minho über mir hockend, die Hand immer noch auf meinem Mund.
Erst jetzt hörte ich das Klicken und Klackern im Gang neben uns. Mein Herz begann, doppelt so schnell zu schlagen wie normal und mein Atem unter Minhos Hand ging stoßweise und unregelmäßig. Ich krallte mich zitternd an sein Oberteil und kniff die Augen zusammen.
Ich wusste, dass ich kurz vor einem hysterischen Anfall war und spürte, wie mir die Tränen die Wangen herunter liefen, ohne, dass ich die kleinste Kontrolle über meinen Körper hatte. Die Angst überrollte jedes andere Gefühl und jeden klaren Gedanken.
Erst, als der Griever sich entfernt hatte und aus dem Gang neben uns nur noch ein Wimmern zu hören war, öffnete ich die Augen wieder und sah in Minhos, die mich entsetzt anstarrten. Ich konnte nicht anders und schluchzte unkontrolliert auf, wobei ich meine Arme um seinen Hals schlang und mein Gesicht an seiner Kehle vergrub.
„Das war so knapp, ich wäre fast in ihn reingelaufen", schluchzte ich.
Minho schien es die Sprache verschlagen zu haben, wie knapp er mich gerade vor dem Tod bewahrt hatte, denn er strich mir nur unaufhörlich über den Rücken, während er mich an sich drückte.
Es dauerte noch einige Minuten, bis wir wieder im Stande waren, uns zu bewegen. Langsam lösten wir uns voneinander und ich wischte mir die Tränen weg, während wir aufstanden.
Bevor wir uns trauten, um die Ecke zu schauen, an der ich eben fast dem Griever direkt in die Arme oder Greifer oder was auch immer er hatte – niemand, der einen gesehen hatte war in der Lage dazu gewesen, ihn danach noch zu beschreiben – gelaufen war, hielt ich noch einmal an und sah Minho an.
„Du hast mir eben das Leben gerettet. Ich danke dir, Minho." Meine Stimme brach.
„Keine Ursache", meinte er und ich sah, wie ein schwaches Lächeln seine Mundwinkel umspielte.
Noch immer zitternd lugte ich vorsichtig um die Ecke. Und natürlich bot sich mir der Anblick, den ich erwartet hatte.
Steve lag bewusstlos in einer Lache von Schleim und Blut, die Arme über das Gesicht gelegt, als hätte er versucht, es zu schützen. Wortlos kniete ich mich neben ihn, kontrollierte seinen Puls, nickte, als ich ihn fand und nahm dann seine Beine, während Minho ihn unter den Achseln griff und hochhob.
Schweigend trugen wir ihn durch die Gänge, zwischen den haushohen Mauern durch, bis wir Schritte hinter uns hörten und Ben, Alex und Jackson außer Atem auftauchten. Auch sie sagten kein Wort, als sie Steve sahen, sondern trotteten einfach mit hängenden Köpfen hinter uns her.
Als wir die Lichtung erreichten, hatte sich bereits eine Traube aus Lichtern um das geöffnete Tor gebildet, aufgescheucht durch die Schreie, die aus dem Labyrinth gekommen waren. Ich sah niemandem ins Gesicht, als wir Steves schlaffen Körper hindurch trugen, aber ich spürte Newts Anwesenheit, als jemand einen Meter entfernt neben mir herzulaufen begann. Wir brachten den Jungen, der nicht älter als 15 sein konnte, zum Loch, wo Jeff uns bereits die Tür aufhielt.
Er ist nicht älter als Stan damals, dachte ich, als wir ihn vorsichtig auf dem Boden des Lochs ablegten.
Jedes Mal, wenn jemand gestochen worden war, hatte ich an ihn gedacht. An das Gefühl seines schlaffen Körpers auf mir, nachdem ich ihn getötet hatte. Wieder einmal lief mir ein Schauer bei dem Gedanken daran über den Rücken. Würde das jemals aufhören?
Schweigend verließen wir das Loch, Jeff schloss das Gitter und gemeinsam mit ihm und Minho entfernte ich mich schweigend, wobei unsere drei übrigen Läufer bei Steve blieben. Ich fragte mich insgeheim, ob es heute soweit war und sie uns sagen würden, dass sie den Job wechseln wollten. Ich könnte es ihnen nicht einmal verdenken. Jetzt er, vor einem Monat Mike und nur zwei Monate davor Liam, der ebenfalls nur Wochen nach seiner Ankunft auf der Lichtung und seiner Ernennung zum Läufer gestochen und verbannt worden war. Ben würde wahrscheinlich trotz allem weiter machen wollen, allein schon für Minho, aber Alex und Jackson? Ich wusste nicht, wie lange die beiden das noch mitmachen würden.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt