67. Überlebende

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Da öffnete sich hinter uns eine Tür und Licht strömte in die runde Kammer, in der wir standen. Teresa, die ihr zusammen mit Chuck am nächsten stand, stieß sie vorsichtig weiter auf und lugte heraus. Wir folgten ihr auf einen langen, schmalen Gang, dessen Wände mit Rohren gesäumt waren und in dem es nach Öl roch. Die Notfalllampen, die bis gerade die einzige Lichtquelle gewesen waren, wurden von den Deckenlampen abgelöst, die wie eine Dominoreihe angingen und den Gang in grelles, kaltes Licht tauchten.
Wir sahen uns stumm um und wechselten Blicke. Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte und wohin dieser Gang führte und ich konnte in den Augen der anderen lesen, dass sie es genauso wenig wussten.
Niemand sagte ein Wort, als wir uns auf den Weg in die Richtung machten, in die die Lampen angegangen waren. Stumm liefen wir nebeneinander her, lediglich Newt suchte meine Hand und hielt sie fest. Ich sah mich um uns zählte stumm auf, wer es geschafft hatte.
Newt, Minho, Chuck, Fry Pan, Winston, Thomas, Teresa, Jack, der Hackenhauer. Wir haben es wirklich geschafft.
Irgendwann erreichten wir eine Tür, die offen zu sein schien, denn eine grüne Lampe leuchtete vor ihr. Wir blieben davor stehen und betrachteten das Schild darüber, auf dem „Ausgang" stand.
„Echt jetzt?!", fragte Fry Pan ungläubig.
Thomas zögerte, bevor er einen Schritt auf die Tür zumachte und langsam nach der Klinke griff. Angespannt warteten wir, was uns dahinter erwarten würde. Als er sie aufdrückte, hörte ich, dass dahinter eine Sirene ertönte.
Die Tür schwang auf und der Blick auf einen weiteren Gang wurde frei. Entsetzt stellte ich fest, dass auf dem Boden drei regungslose Menschen in weißen Kitteln lagen, scheinbar tot. Orangene Lichter blinkten an den Wänden und der Decke.
Als wir den Gang langsam betraten, erkannte ich, dass um die Menschen herum Blut verteilt war, etwas klebte sogar an der Wand. Jetzt war ich sicher, dass sie tot waren und stellte mir die Frage, wer sie umgebracht hatte. Ein Schauder lief mir über den Rücken, als ich realisierte, dass derjenige möglicherweise noch immer irgendwo hier war.
Wie automatisch legte ich Chuck, der neben mir lief, eine Hand auf die Schulter um ihn im Ernstfall schützen zu können. Noch immer hielt ich Newts Hand und als ich zu ihm herüber sah, konnte ich eine Mischung aus Angst und Neugier in seinem Gesicht sehen, genauso wie in denen der Anderen.
Wir kamen an einer Glasscheibe vorbei, in der Einschusslöcher klafften und ich erkannte, dass dahinter zwei Menschen auf Liegen lagen, zugedeckt und reglos, als wären sie ebenfalls tot. Während wir weiter liefen, bekam ich mehr und mehr das Gefühl, dass ich hier schon einmal gewesen war und glaubte, den Gang wieder zu erkennen. Hatte ich hier gearbeitet?
Noch mehr Menschen lagen auf dem Boden, alle offensichtlich tot, aber Minho schob trotzdem vorsichtshalber eine Pistole weg, die ein Mann neben seiner reglosen Hand liegen hatte.
„Was ist hier passiert?", stellte Winston die Frage, die uns alle beschäftigte.
Da ihm niemand eine Antwort geben konnte, gingen wir weiter und Thomas öffnete eine weitere Tür, dieses Mal aus Glas. Wir betraten einen größeren Raum, in dem überall Monitore mit Stühlen davor standen.
Wieder wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier schon einmal gewesen war. Ich war sicher, dass es anders ausgesehen hatte, aber einige Dinge waren gleich geblieben. Thomas und Teresa schienen sich ebenfalls zu erinnern, denn sie wechselten merkwürdige Blicke.
Auch in diesem Raum lagen überall Leichen und eine Stromleitung war offen und sprühte immer wieder Funken, die in der Luft verglühten. Die meisten Bildschirme blinkten, zeigten Störsignale oder waren völlig ausgeschaltet, aber ein paar waren noch funktionstüchtig. Ich folgte Newt zu einem von ihnen und wir betrachteten ihn stumm. Der Querschnitt eines Gehirns war abgebildet und als ich den Bildschirm berührte und darüber wischte, weil ich mich an diese Bewegung erinnerte, öffnete sich ein Bild von Alby. Newt und ich wechselten einen Blick.
Über diesem Bildschirm hing ein weiterer, dessen Bild allerdings immer wieder verschwamm, weil er anscheinend beschädigt war. Trotzdem konnte ich eine Aufnahme der Lichtung erkennen. Ich hatte also Recht gehabt und wir waren beobachtet worden.
„Die haben uns also wirklich beobachtet", stellte Newt ebenfalls fest. „Die ganze Zeit."
Ich drehte mich um und sah jetzt, wie Thomas seinen Rucksack abnahm und ihn auf einen Stuhl legte. Dann trat er hinter einen anderen Stuhl und starrte den Bildschirm vor sich an. Teresa, die auf der anderen Seite stand, starrte ihn an und in ihren Augen konnte ich erkennen, dass sie sich gerade an etwas erinnerte. Ich fragte mich, ob sie mehr wusste als ich und ob ich jemals mit jemanden darüber sprechen würde.
Thomas drückte irgendetwas auf einem der Bildschirme und plötzlich ging der größte von allen an und zeigte ein leicht verzerrtes Bild einer blonden Frau im weißen Kittel, hinter der ebenfalls in weiß gekleidete Menschen hin und her liefen.
„Hallo", sagte sie. Alle drehten sich zu dem Bildschirm um und kamen langsam näher, während sie gebannt den Worten der Frau lauschten.
„Mein Name ist Dr. Ava Paige. Ich bin die Direktorin des 'Welt-Chaos-Katastrophen-Departments'."
„W.C.K.D.", stieß ich leise hervor.
„Wenn ihr dies seht, bedeutet das, ihr habt die Labyrinth-Experimente erfolgreich absolviert. Ich wünschte ich könnte euch persönlich gratulieren, aber die Umstände scheinen das wohl verhindert zu haben. Ich bin mir sicher, ihr seid allesamt außerordentlich verwirrt, wütend, verängstigt. Ich kann euch versichern, alles, was euch widerfahren ist, all das, was wir euch angetan haben, geschah nur aus einem einzigen Grund. Ihr werdet euch nicht daran erinnern, aber die Sonne hat unsere Welt verbrannt."
Ich sah entsetzt zu, als ein Bild von einer riesigen Sonne erschien, gefolgt von Bildern von Feuer und Tod.
„Milliarden Menschenleben wurden vom Feuer verschlungen. Hungersnöte und Leid auf der ganzen Welt. Der Fallout war unvorstellbar. Was danach kam, war noch schlimmer. Wir nannten es den Brand. Ein tödliches Virus, das das Gehirn befällt. Es ist aggressiv, unberechenbar, unheilbar."
Ich machte instinktiv einen Schritt zurück, als das Bild eines kranken Mannes auftauchte, der sich gegen mehrere Ärzte wehrte und alles andere als menschlich aussah, und stieß dabei gegen Newt, der mir einen Arm um die Taille legte.
„– Dachten wir zumindest. Dann entwickelte sich eine neue Generation, der es möglich war, das Virus zu überleben – und plötzlich gab es Grund zur Hoffnung auf ein Heilmittel. Es zu finden würde nicht einfach sein. Die Kinder mussten untersucht werden, sogar geopfert, in rauer Umgebung, wo ihre Hirnaktivität studiert werden konnte. Alles in dem Bemühen zu begreifen, was sie so anders macht. Was euch alle so anders macht."
Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und wir realisierten langsam, was sie uns da gerade erzählte. In meinem Kopf herrschte völliges Chaos und ich wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas faul war.
Die Menschen hinter der Frau liefen nun durcheinander und schienen schnelle Vorbereitungen zu treffen, als wüssten sie, dass sie gleich schnell gehen mussten – oder angegriffen wurden.
„Es ist euch vielleicht nicht bewusst, aber ihr seid sehr wichtig. Bedauerlicher Weise haben eure Experimente gerade erst begonnen. Wie ihr sicher bald erfahren werdet, sind nicht alle mit unseren Methoden einverstanden."
Jetzt ertönten Schüsse im Hintergrund und einer nach dem anderen fielen die Menschen hinter ihr um. Funken spritzten und Schreie waren zu hören. Dann tauchten maskierte Männer mit Maschinengewehren auf.
„Fortschritt geschieht langsam, Menschen haben Angst. Für uns mag es vielleicht zu spät sein - für mich - aber nicht für euch. Die Welt draußen wartet auf euch. Denkt immer daran –" Sie hob eine Pistole an ihren Kopf, als die Scheibe hinter hier durch eine Kugel zerstört wurde.
„– WICKED ist gut." Mit diesen Worten drückte sie ab und einige von uns drehten instinktiv den Kopf weg. Ich kniff die Augen zusammen und drehte Chucks Kopf ebenfalls schnell weg, um ihm diese Bilder zu ersparen.
Plötzlich drückte Thomas sich zwischen mir und Newt durch und ging auf einen Raum zu, dessen Scheibe zersplittert war. Wir folgten seinem Blick und ich erkannte die Frau, die dort reglos auf dem Boden lag, eine Pistole in der schlaffen Hand.
Langsam gingen wir auf sie zu, als plötzlich ein neues Geräusch, eine Art Brummen, ertönte und eine Tür sich öffnete, die zu einem weiteren Gang führte, an dessen Ende ein Tor sich zu öffnen begann. Tageslicht fiel hinein und ich fragte mich, was wohl dahinter war.
„Ist es vorbei?", fragte Chuck, auf dessen Schulter ich noch immer eine Hand ruhen hatte, jederzeit bereit, ihn zu beschützen.
„Sie hat gesagt, wir sind wichtig. Und was sollen wir jetzt machen?", stellte Newt die Frage, die mir schon die ganze Zeit durch den Kopf geisterte.
Wie würde es jetzt weiter gehen? Würden wir einfach aus der Tür spazieren und die zerstörte Welt erkunden? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es vorbei war.
„Keine Ahnung... Aber jetzt raus hier." Thomas klang verwirrt, aber auch überzeugt.
Wir wollten gerade in Richtung der Tür gehen, als uns jemand aufhielt.
„Nein."
Ich erkannte die Stimme noch bevor ich mich umgedreht hatte. Gally stand da, den Schlüssel in der einen, eine Pistole – vermutlich die, die Minho eben noch zur Seite geschossen hatte – in der anderen Hand.

Into The WICKED Maze | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now