26 · 𝐁𝐚𝐮𝐦𝐛𝐞𝐬𝐭𝐢𝐞

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𝐌𝐄𝐈𝐍𝐄 Mutter hatte immer gesagt "Die impulsivsten Entscheidungen sind meist die besten Entscheidungen". Ob es die beste impulsive Entscheidung war, mir meinen Zauberstab zu schnappen, barfuß und nur mit Nachthemd bekleidet schnurstracks aus dem Schlafsaal, durch den Gemeinschaftsraum, die Kerker und die Große Halle zu rennen, daran zweifelte ich im Nachhinein.

Ich achtete nicht darauf, wie laut ich war und dachte auch nicht daran mich zu verstecken, falls mir Filch oder sonst jemand begegnen sollte. Alles woran ich dachte war Severus und die Frage, was er vorhatte. Und das drückende Gefühl in meinem Magen, da ich mir sicher war, dass er in unheimlichen Schwierigkeiten steckte. Ich wusste nicht, weshalb ich mir dabei so sicher war, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ihm helfen musste.

Keuchend drückte ich die schwere Eingangstür auf und blieb stehen, als ich in die eiskalte Nachtluft hinaustrat. Der Vollmond schien so strahlend und war ungewöhnlich groß, sodass er fast das ganze Gelände erhellte und alles in ein silbriges Licht tauchte. Suchend ließ ich meinen Blick über die Hügel und den Waldrand wandern, doch von Severus war keine Spur mehr zu sehen. Verzweiflung bohrte sich in meine Magengrube und ich drehte mich im Kreis, doch von hier aus konnte ich ihn nicht entdecken.

Kurzerhand rannte ich einfach die Stufen hinunter und über die Wiese Richtung Waldrand. Das Gras war nass und rutschig, die kühle Luft schmerzte in meinen Lungen, bei jedem keuchenden Atemzug, den ich tat. Doch ich blieb nicht stehen bis ich an der Stelle stand, wo ich ihn vom Fenster aus gesehen hatte. Nach Luft ringend stützte ich mich auf meinen Oberschenkeln ab und sah mich um. Mein Puls raste und ich konnte spüren, wie heftig mein Herz gegen meine Brust schlug. Von Severus war nichts zu sehen. Krächzend rief ich seinen Namen, doch nichts regte sich.

Mit den Augen suchte ich den Boden ab, um vielleicht seine Fußabdrücke zu finden. Und tatsächlich, einige Meter weiter war das Gras plattgedrückt worden. Ich folgte den Spuren, doch blieb nach ein paar Minuten stehen und runzelte die Stirn. Da war nicht nur ein Mensch langgelaufen. Dafür war das Gras an zu vielen Stellen verknickt und plattgedrückt worden. Es mussten mehrere Leute unterwegs sein, da war ich mir sicher. Schwere Menschen, denn die Fremden hatten das Gras tief in die vom Tau aufgeweichte Erde gedrückt.
Die Spuren führten auf die andere Seite des Schlossgeländes.

Ich verlor keine Zeit mehr und lief mit gezücktem Zauberstab die Hügel entlang. In Gedanken versuchte ich mir alle schützenden und zur Not auch schadenden Zaubersprüche hervorzurufen, die ich kannte, doch die Aufregung und Angst in meinen Adern hinderten mich daran, einen klaren Gedanken zu fassen.

Als ich endlich um den letzten Turm herum rannte, blieb ich abrupt stehen. Etwa zweihundert Meter vor mir erhob sich die Peitschende Weide aus dem dunklen Gras und ließ ihre langen, dicken Äste sachte vom Wind wehen. Das Erschreckende war jedoch nicht der riesige Baum, sondern die Person, die schnurstracks auf ihn zulief und nur noch wenige Meter von den gefährlichen Ästen entfernt war. Severus schien die vorfreudig zuckenden Zweige nicht zu bemerken.

„Sev!", schrie ich panisch und lief auf ihn zu. Erschrocken wandte er sich um und öffnete überrascht den Mund, als er mich sah, doch bevor er etwas sagen konnte, ertönte ein lautes Knacken und ein armdicker Ast riss ihn von den Füßen.

Schlitternd versuchte ich mich abzubremsen, rutschte aus und landete auf meinem Hintern. Schockiert sah ich dabei zu, wie Severus durch die Luft geschleudert wurde und hart auf dem erdigen Boden aufprallte, ein paar Meter purzelte und schließlich liegen blieb.

„Oh nein", hauchte ich, „Oh nein, nein, nein!"

Doch bevor ich mich aufrappeln und zu ihm hinüberlaufen konnte, hörte ich ein Pfeifen und sah aus den Augenwinkeln, wie die Peitschende Weide einen schmalen Ast auf mich zusausen ließ. Schreiend rollte ich mich zur Seite und das Holz schlug hart in genau die Stelle ein, auf der ich keine Sekunde zuvor noch gelegen hatte. Holzsplitter flogen in alle Richtungen, doch der Ast zog sich schon für einen neuen Angriff zurück.

𝐚𝐛𝐨𝐮𝐭 𝐛𝐨𝐚𝐬𝐭 & 𝐛𝐞𝐭𝐫𝐚𝐲𝐚𝐥 | 𝐑𝐮𝐦𝐭𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐫 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt