42 · 𝐃𝐚𝐬 𝐠𝐫ö𝐬𝐬𝐭𝐞 𝐇𝐞𝐫𝐳

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𝐁𝐄𝐇𝐔𝐓𝐒𝐀𝐌, als wollte er sie nicht wecken, nahm Rick Roses Zauberstab aus seiner Hosentasche und schob ihn vorsichtig zwischen ihre gefalteten Hände. Er küsste ihre Stirn, erhob sich und trat zwei Schritte zurück. Dann nahm er seinen eigenen Stab zur Hand und ließ nach und nach Erde auf sie nieder rieseln.

Er war seltsam ruhig dabei. Keine Träne floss, kein Schluchzen durchbrach die kalte Stille.

So war er schon gewesen, als er wieder zurückgekommen war, Rose in einer Decke gewickelt tragend, als würde er sicher gehen wollen, dass sie nicht fror. Als wäre sie nicht tot, sondern würde nur friedlich schlafen. Er hatte kein Wort gesagt seitdem und schwieg auch jetzt.

Zitternd schlang ich die Arme um meinen Körper, während die letzten Erdklumpen auf das Grab fielen und Rick seinen Zauberstab sinken ließ. Die Sonne ließ ihre letzten Strahlen über uns schweifen und tauchte uns in orangerotes Licht. Wir standen genau da, wo Rick all die Stunden gesessen hatte. Die Kornfelder glänzten golden und durch den Erlenwald zitterte ein sachter Wind. Es wäre ein wunderschöner Anblick, wenn es nicht so traurig wäre.

Zaghaft stellte ich mich neben Rick und blickte auf das Grab hinab. Dort lag sie. Die Frau, die fast vor Wut explodiert wäre, als ich ihr Wohnzimmer verwüstet hatte. Die Frau, die mir Obdach geboten hatte, als ich nirgendwo hin konnte. Die Frau, die sich um mich gekümmert hatte, als gehörte ich zur Familie, obwohl sie mich überhaupt nicht gekannt hatte.
Mir fiel ein, was Moira letzte Nacht gesagt hatte. „Die Alte hier hat ja kein Wort verraten."

Hier lag die Frau, die mich, ein fremdes Mädchen, beschützt hatte, als es nicht einmal meine eigene Familie getan hatte. Sie war gestorben, in dem Wissen, dass ich sie belogen hatte und dennoch hatte sie zu mir gehalten.

„Sie hatte das größte Herz, das ein Mensch haben konnte", sagte ich leise und wischte die Träne, die mir über die Wange lief, diesmal nicht weg.

Rick antwortete nicht und nach einer Weile des Schweigens, hörte ich, wie er zurück zum Haus ging und sich seine Schritte entfernten. Ich blieb noch eine Zeig lang, sah hinab auf die ehrenwerteste Frau, die ich jemals kennenlernen durfte, auch wenn es nicht für lange war.

Ich kniete mich vor dem Grab nieder und legte meine Hand auf die Erde. „Danke, Rose. Für alles", flüsterte ich und hoffte, dass sie irgendwo war und mich hören konnte.
Dann erhob ich mich und folgte Rick.

Ich fand ihn im Wohnzimmer, wo er alle möglichen Gegenstände aus einem Koffer zog, die ohne Zauberei viel zu groß gewesen wären, um dort hineinzupassen. Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und sah ihm dabei zu. Er schien nach etwas zu suchen.
Als er es fand, drehte er sich zu mir um und streckte mir etwas entgegen.

„Er lag auf deinem Bett."

Es war mein Zauberstab. Ich hatte ihn völlig vergessen. Doch er würde mir nichts mehr nützen, denn er war entzwei gebrochen. Zögerlich nahm ich die beiden Teile entgegen. Das hatten sie getan. Als Zeichen, weil sie gewusst hatten, dass es meiner war. Sie wollten mich schutzlos.

„Tut mir leid", sagte Rick knapp und machte sich daran, alles, was er ausgeräumt hatte, wieder in den Koffer zu packen. Er schloss ihn ab und wandte sich wieder zu mir. „Ich kenne jemanden, der Stäbe herstellt. Er wird wohl nicht so gut sein wie dein Alter, doch es wäre besser als nichts."

Ich starrte noch immer auf meinen zerstörten Stab, doch nickte. Auch wenn ich keinen neuen Zauberstab wollte, denn dieser hier war seit ich ein Kind gewesen war, mein stetiger Begleiter gewesen, war mir bewusst, dass ich einen benötigte. Und zwar dringend.

Ich hob den Blick und suchte seine grünen Augen. Sie waren leer, ich konnte nichts darin sehen. „Kann ich etwas für dich tun, Rick? Irgendwas?", wollte ich wissen und sah ihn mitfühlend an. Ich würde ihn gerne in den Arm nehmen, doch unsere Beziehung zueinander war kaputt gegangen. Er sah mich für ein paar Sekunden an.

„Hast du zufälligerweise einen Zeitumkehrer?", fragte er, doch ich schüttelte den Kopf, „Nein, dann kannst du leider nichts für mich tun." Somit packte er den Koffer und verließ das Wohnzimmer, während ich ihm mit zusammengezogener Brust hinterherschaute.

Ja, Rick, dachte ich mir betrübt, Ich wünschte mir auch, ich könnte die Zeit zurück drehen.

*

𝐚𝐛𝐨𝐮𝐭 𝐛𝐨𝐚𝐬𝐭 & 𝐛𝐞𝐭𝐫𝐚𝐲𝐚𝐥 | 𝐑𝐮𝐦𝐭𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐫 Where stories live. Discover now