45 · 𝐒𝐞𝐡𝐧𝐬𝐮𝐜𝐡𝐭 𝐨𝐝𝐞𝐫 𝐋𝐢𝐞𝐛𝐞?

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𝐃𝐈𝐄 ersten Tage alleine in dem kleinen Häuschen waren unangenehm, langweilig und einsam. Es war niemand da, der mich von meinen Gedanken ablenken konnte oder mit dem ich mich über Gott und die Welt unterhalten konnte. Hin und wieder ertappte ich mich dabei, wie ich mich in die Zeit vor ein paar Jahren zurück wünschte, wenn ich zusammen mit Moira, Sev und Lucius vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum gesessen hatte und einfach Spaß hatte oder an meine Kindheit dachte, an die Momente mit meiner Mutter, bevor ihr das Ansehen der anderen Zauberer wichtiger geworden war, als sein Leben zu leben, wie man es wollte.

Ich übte viel mit meinem Zauberstab, um im Notfall vorbereitet zu sein, doch es war einfach nicht dasselbe, wie mit meinem Alten. Er war nicht so genau, nicht so zielsicher, nicht so stark. Ich konnte mich einfach nicht an dieses Gefühl gewöhnen, doch nach und nach wurde es einfacher, sodass ich mich wenigstens verteidigen konnte.

Als aus den Tagen schließlich Wochen wurden, gewöhnte ich mich an meine Situation. Aus einem winzigen Dorf, das ich fünf Kilometer von meiner neuen Unterkunft entdeckt hatte, klaute ich mir ab und zu den Tagespropheten aus einem Café oder einer Bar, um auf dem neusten Stand zu sein.

Dort fand ich auch heraus, dass man Moira in London gefasst hatte. Sie war nach Azkaban gebracht worden und würde dort wohl einige Jahre verbringen müssen. Ich wusste nicht ganz, wie ich darüber denken sollte. Mein erster Instinkt war, erleichtert zu sein, doch schon im nächsten Moment wurde aus dieser Erleichterung ein Gefühl der Schuld und Trauer.

Irgendwie war es doch meine Schuld, schließlich war ich der Grund, warum sie die Nerven verloren und sich dem Dunklen Lord angeschlossen hatte. Hätte ich mich nicht so sehr mit Severus angefreundet und hätte sie nicht links liegen lassen - vermutlich wäre ich dann nicht in dieser Situation und sie wäre nicht im Gefängnis, sondern in der Schule und würde ihr sechstes Jahr vollenden. Wir würden zusammen lernen, dem Ende des Schuljahres entgegenfiebern und uns auf die Ferien freuen.

Wir wären noch immer Freunde und keine Feinde.

Wenn es mit meinen Gedanken manchmal so schlimm wurde, dass ich es nicht mehr aushielt, setzte ich mich an Roses Grab und erzählte ihr von allem. Dort fühlte ich mich nicht so alleine. Hin und wieder hatte ich das Gefühl gehabt, ihre warmen Hände auf meinen zu spüren, ihren beruhigenden Händedruck zu fühlen. Es gab mir Kraft.

Meine dunklen Haare begannen langsam wieder heller zu werden, einzelne weißblonde Strähnen glänzten zwischen den honigbraunen hindurch und ich sah ein bisschen aus wie ein Streifenhörnchen. Doch das war mir egal, schließlich sah mich sowieso keiner. Ich fand es nur schade, dass das letzte, was Rose mir geschenkt hatte, langsam dahin schwand.

Die Tage wurden immer wärmer, die Wiesen begannen zu blühen und die Bauern ernteten das Gemüse und das Getreide und pflanzten neues ein. Jeden Tag sah es anders aus, wenn ich aus dem Fenster blickte und meine Augen über die Felder schweifen ließ.

Von meiner Familie und Severus hörte ich nichts, was entweder ein sehr gutes oder ein unglaublich schlechtes Zeichen sein konnte, doch von Sirius erhielt ich jede Woche einen Brief. Er erzählte von der Schule und wie stressig die Abschlussprüfungen waren, redete von dummen Streichen, die er und seine Freunde den Lehrern gespielt hatten. Er sagte auch, dass er mich vermisste und mich unbedingt sehen wollte. Ich rang oft damit, ihm meinen Aufenthaltsort zu verraten, doch aus Angst, dass man mich noch immer suchte und die Eule in falsche Hände geriet, konnte ich mich immer beherrschen und sagte ihm mit zusammengezogenen Herzen ab.

Auch an diesem Abend versuchte ich ihm in einem Brief eine Absage nett zu verpacken, doch natürlich würde sie ihn keinesfalls zufrieden stellen. Ich war ja selbst nicht zufrieden gestellt.

Trotz unserer vielen Streitereien, den Missverständnissen und all dem Ärger, den wir zwischendurch in unserer Beziehung gehabt hatten, spürte ich, dass da noch etwas war. Klar, das romantische Band zwischen uns hatte einen tiefen Riss, doch womöglich gab es noch zarte, jedoch feste Fäden, die nicht ganz durchtrennt waren. Fäden, die die Bindung noch aufrecht erhielten. Auch wenn wir nur über Briefe Kontakt zueinander hatten, schien es, als würden die Fäden dicker werden, strammer.

Die Sehnsucht nach ihm zerfraß mich innerlich. Immerzu musste ich an seine Stimme denken, seinen Atem auf meiner Haut, seine Berührungen. Seine Briefe las ich jeden Abend zweimal durch, auch wenn sie sich schon stapelten und der Stapel immer höher wurde. Jeden Abend lief ich unruhig durch das Haus, um mich von dem Gedanken abzulenken hier und jetzt auf irgendeinem Weg zu ihm zu reisen.

War das Liebe? Oder war es einfach nur Sehnsucht nach den Erinnerungen an etwas, von dem ich angenommen hatte, dass es Liebe gewesen war?

Es machte mich verrückt. Ich träumte von ihm, immer dann, wenn ich mal keinen Alptraum hatte. Doch mittlerweile wusste ich nicht, was mir lieber war - die Träume von Folter und Schmerz oder die Träume von den schönsten Momenten in meinem Leben, die einen noch größeren Schmerz hinterließen, wenn sie endeten.

Als ich mich an diesem Abend auf der Couch zusammenrollte und in das knisternde Feuer blickte und mir langsam die Augen zufielen, überlegte ich im Halbschlaf, was mich nun dieses Mal erwarten würde, und es war erschreckend, dass ich mir einen Alptraum wünschte.

Doch zum Träumen kam es gar nicht. Ein dumpfer Aufschlag von draußen riss mich aus meiner Müdigkeit und ich riss den Kopf in die Höhe und schnappte mir meinen Zauberstab, den ich sicherheitshalber immer in meinem Gürtel stecken hatte.

Bevor ich mich erheben konnte, erschien ein Gesicht im Fenster und mein Herz setzte aus. Ich fiel in die Couch zurück. Herzlichen Glückwunsch, Elle. Jetzt wirst du tatsächlich verrückt.

*

𝐚𝐛𝐨𝐮𝐭 𝐛𝐨𝐚𝐬𝐭 & 𝐛𝐞𝐭𝐫𝐚𝐲𝐚𝐥 | 𝐑𝐮𝐦𝐭𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐫 Where stories live. Discover now